Die letzte Kugel: Lars Klingbeil leitet “atemberaubende Staatsverschuldung” ein

vor etwa 7 Stunden

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Bildquelle: Tichys Einblick

“Die alte Regierung ist daran gescheitert”, steigt die Tagesschau online in ihren Text zum Haushalt ein. “Am Streit über ein paar Milliarden Euro im Bundeshaushalt ist vor wenigen Monaten die Ampel-Koalition zerbrochen”, der Tagesspiegel. Der Schwerpunkt der wohlwollenden Medien ist die Tat an sich. Sie wollen den SPD-Vorsitzenden als den Macher inszenieren. Die Schulden, die er macht, kommen an untergeordneter Stelle und auch erst nachdem sie als Akt der Tat geframt sind.

Dabei haben die Schulden, die Lars Klingbeil macht, das Zeug dazu, die Bundesrepublik auf Jahrzehnte zu prägen. Zum Schlechten hin. Wer den SPD-Vorsitzenden gut aussehen lassen will, kann folglich nicht mit den Eckwerten einsteigen. Sonst würde der Leser Klingbeil noch für den Finanzminister halten, der Deutschland in die Überschuldung führt. Bloß, weil er Deutschland in die Überschuldung führt. Da müssen Journalisten eingreifen. Ihr Zauberwort heißt nicht Abrakadabra sondern Einordnung, und aus dem Mann der Überschuldung wird so – Simsalabim – der Macher, der die Regierung nicht an “ein paar Milliarden Euro” scheitern lässt.

81,8 Milliarden Euro neuer Schulden will Klingbeil in diesem Jahr machen. 89,3 Milliarden Euro im nächsten. 850 Milliarden Euro bis zum Ende der Wahlperiode, wie der Verband der “Jungen Unternehmer” vorgerechnet hat. Da sind die ganzen Fonds und Nebenhaushalte noch nicht mitgerechnet. Als Vergleichswert: Der gesamte Bundeshaushalt lag 2024 bei 475 Milliarden Euro. Selbst der grün-rote Deutschlandfunk spricht angesichts dieser Werte in einer schwachen Stunde von einer “atemberaubenden Staatsverschuldung” und einer “Spekulation” der schwarz-roten Bundesregierung. Ein erstaunlich ehrlicher Gedanke.

Ein Gedanke, den auch die Jungen Unternehmer aufgreifen. Kanzler Friedrich Merz (CDU) und seine Minister sollten an diesem Dienstag klar machen, “wie mit diesen Summen nachhaltiges Wirtschaftswachstum ermöglicht wird”. Denn, so warnt ihr Bundesvorsitzender Thomas Hoppe: “Sollte das Geld konsumiert statt investiert werden, wird die junge Generation finanziell ruiniert.”

Klingbeil nährt den Verdacht, dass seine Regierung das Geld konsumieren statt investieren will. So stockt er den Teil der Investitionen zwar um 40 Milliarden Euro auf – aber das ist eben nur die Hälfte der Neuverschuldung. Zudem wendet der Finanzminister Tricks an. Die diversen Nebenhaushalte geben ihm den Spielraum dazu. So füllt er den “Klima- und Transformationsfonds” mit neuem Geld, was er als “Investitionen in die Infrastruktur” deklariert. Gleichzeitig entnimmt er dem Fonds Geld, um den Gaspreis künstlich zu senken. Ein bisschen linke Tasche hier, ein bisschen rechte Tasche da und die Investition in die Infrastruktur ist eine Konsumausgabe.

Der größte Schuldentreiber wird ohnehin die Verteidigungspolitik. Die Bundesregierung hat dem Druck der Nato nachgegeben und will künftig 3,5 Prozent des Bruttoinlandproduktes für reine Militärausgaben verwenden. Noch in dieser Wahlperiode. Also wächst der Posten bis 2029 von rund 50 auf 150 Milliarden Euro. Damit löst das Militär die Rente als größten Ausgabenpunkt ab. Der Bundesrechnungshof hat erst jüngst deutlich gemacht, dass Ausgaben fürs Militär als Konsumausgaben zu werten sind.

Hinter der künstlichen Senkung des Gaspreises steckt der gleiche Gedanke wie hinter der erfolglosen Steuer- und Wirtschaftspolitik der Ampel und des vierten Kabinetts Angela Merkel (CDU): Der Bürger und die Wirtschaft müssten entlastet werden. Aber nicht, in dem die Politik Steuern senkt. Etwa die “CO2-Abgabe”. Denn die Politiker-Generation Kreißsaal, Hörsaal, Plenarsaal denkt von sich selbst, viel besser als Bürger und Unternehmer zu wissen, wofür die ihr Geld ausgeben sollen. Deswegen presst diese Generation den Bürgern so viel Steuern und Abgaben ab wie noch nie, macht obendrein noch “atemberaubende Schulden” und verteilt dann das Geld, um die Wirtschaft anzukurbeln.

Genauso hat Olaf Scholz Politik gemacht. Als Finanzminister unter Angela Merkel und als Bundeskanzler. Und der “Erfolg”? 2023 schrumpfte die deutsche Wirtschaft. 2024 schrumpfte die deutsche Wirtschaft und für das laufende Jahr rechnet das Wirtschaftsministerium mit einer Stagnation. Die Deutsche Industrie- und Handelskammer geht indes von einem weiteren Schrumpfen von 0,5 Prozent aus. Die Jungen Unternehmer haben also einen Punkt getroffen, wenn sie von Merz und Klingbeil wissen wollen, warum ausgerechnet dieses Investitionspaket funktionieren soll.

Wegen des höheren Einsatzes? Weil Klingbeil nicht davor zurückschreckt, “ein paar Milliarden Euro” auszugeben? Mit diesen Summen geht die Bundesregierung “All in”, wie es die Pokerspieler sagen. Sie setzen “die letzte Kugel” ein, wie es Soldaten ausdrücken würden. Kurbelt dieses Investitionspaket die Wirtschaft nicht nachhaltig an, dann sind kommende Generationen “ruiniert”, wie es die Jungen Unternehmer prophezeien. Schon unter der Regierung, die an “ein paar Milliarden Euro” gescheitert ist, warnte der Bundesrechnungshof davor, dass sich die Regierung mit weiteren Schulden die künftige Handlungsfähigkeit nimmt.

Schon jetzt muss der Bund jährlich 34 Milliarden Euro an Zinsen für Altschulden zahlen. Mehr Schulden bedeuten mehr Zinsen. Und wenn die deutsche Wirtschaft danach nicht auf die Beine kommt, drohen die Schulden auch teurer zu werden. Wenn die Kreditwürdigkeit des Bundes dauerhaft leidet. CDU, CSU und SPD haben mit Hilfe der Grünen und der Linken zwar die Schuldenbremse aufgeweicht. Sie nennen Schulden auch nicht mehr so, sprechen stattdessen von “Sondervermögen” und wohlwollende Medien übernehmen diese Sprachregelung. Doch es bleiben halt Schulden mit all ihren Folgen.

Die schwarz-rote Regierung hat auch nur das nationale Recht verändert. Die “Stabilitätskriterien” der EU für den Euro gelten weiter. Demnach darf die Gesamtverschuldung nicht 60 Prozent des Bruttoinlandproduktes überschreiten. Schon jetzt liegt sie laut Deutscher Bundesbank bei 62,5 Prozent. Allein die Neuverschuldung in diesem und nächsten Haushalt erhöht den Wert um etwa vier weitere Prozentpunkte. Kommt die Wirtschaft in Schwung, steigt das Bruttoinlandprodukt und relativiert sich für die Regierung dieses Problem. Nur hat das bisher mit den anderen Investitionspaketen eben auch nicht geklappt.

Noch ist das Papier des Machers Klingbeil nur ein Entwurf. Verbindlich beschließen wird der Bundestag den Haushalt frühestens im September. Bei Entscheidungen, die zu Ausgaben für sie führen, sprechen auch die Länder mit. Etwa beim “Investitionsbooster”. Sie fordern für ihre Zustimmung mehr Geld. Auch aus den Fraktionen könnten weitere Begehrlichkeiten kommen. Dann müsste der Macher noch mehr Schulden machen. Aber immerhin hat Klingbeil die Journalisten dabei hinter sich, die auf “ein paar Milliarden Euro” künftig nicht mehr achten wollen.

Allein durch Investitionen lässt sich nachweislich die Wirtschaft nicht zum Laufen bringen. Der Bürokratie-Abbau könnte das schon eher. Doch zwischen zwei Versprechen, Bürger und Unternehmen weniger mit Verwaltung zu belästigen, diskutiert die Politik ihre aktuellen Ideen: ein Register für alle Matratzen des Landes aufbauen oder ein Register für die Chips aller Hunde und Katzen im Land.

Auch könnte das Senken von Sozialabgaben helfen. Doch da drohen weitere Erhöhungen. Etwa in der Rente. Die schwarz-rote Koalition will das Rentenniveau künstlich hochhalten. Doch um den Beitrag aus dem Staatshaushalt zu erhöhen, fehlt jetzt der Spielraum. Also werden die Beiträge in den nächsten Jahren um über drei Prozentpunkte steigen. Bereits jetzt schrecken die hohen Lohnnebenkosten Investoren ab. Bleibt das so, bleibt der Aufschwung aus. Dann braucht es das nächste “Investitionspaket”. Die Fans von Klingbeil können ihre Texte (fast) unverändert wiederholen, weil ihr SPD-Vorsitzender seine Regierung dann nicht an ein paar Billionen Euro Schulden scheitern lässt.

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