
Liberale werden gebraucht! Doch dafür müssen sie sich endlich wieder bürgerlich-konservativ und damit weit jenseits der viel zitierten „breiten bunten Mitte“, die doch nur vom linken Milieu definiert und längst vereinnahmt wurde, positionieren.
Wie stark diese Vereinnahmung mittlerweile politisch verankert ist, zeigen die jüngsten Ergebnisse der Sondierungsgespräche zwischen CDU/CSU, dem Wahlsieger, und der SPD, dem eigentlichen Wahlverlierer. Rund 1 Billion Euro neue Schulden sollen gemacht werden dürfen und dafür soll das Grundgesetz für eine Aufweichung der Schuldenbremse geändert werden. Und dies auch noch mit den Mehrheiten das alten Parlamentes, obwohl – oder weil – das Volk zwischenzeitlich ein neues Parlament mit neuen, nicht mehr passenden Mehrheiten gewählt hat.
Das klingt nach linker Erpressung. Ist es auch, dank der stets und ständig und vor allem von links definierten Brandmauer nach rechts. Eine Brandmauer, die einzig noch den linken politischen Kräften dient, jedoch weit abweicht von der gesellschaftlichen Mehrheit.
Selten war der Wunsch und der Bedarf nach einer starken konservativ-bürgerlich-liberalen Kraft in Deutschland so präsent wie in dieser Zeit, in der linker Mainstream sowohl die Politik als auch die Gesellschaft und die Medien im haltungs- und moralbasierten Klammergriff hält. Ein Mainstream, der kollektivistische Gemeinschaft, staatliche Fürsorge und eine bis zur Selbstaufgabe entstellte Solidarität so hoch bewertet, dass jeder Gedanke an individuelle Freiheit, Eigenverantwortung, Leistung und persönlichen Erfolg in eine verpönte, weil egoistische, gar radikale Ecke gedrängt wird.
Dieser linke Mainstream geht mittlerweile soweit, dass er sich nicht nur anmaßt, die bürgerliche Mitte sein zu wollen und Freiheit neu zu definieren, er will auch noch bestimmen, was demokratisch ist. Und, er will an unser Geld.
So, wie die politische und gesellschaftliche Mitte nach links gerückt ist – oder besser nach links gerückt wurde, so gerät unsere Freiheit zunehmend unter Druck. Dabei ist es egal, ob es die individuelle oder die unternehmerische Freiheit ist. Eine Partei, die Freiheit im klassisch liberalen, individuellen und eigenverantwortlichen Sinne definiert und verteidigt, ist daher notwendiger denn je. Und doch ist die FDP zum zweiten Mal in ihrer Geschichte und dieses Mal noch eindeutiger aus dem Deutschen Bundestag geflogen. Mehr als zwei Millionen Wähler sind erneut von der FDP zur CDU oder AfD abgewandert.
Das wirft unweigerlich die Frage auf, ob diese abgewählte FDP noch im bürgerlich-konservativen Milieu verankert ist und deren Werte, wie freiheitliche Unabhängigkeit, Leistungsbereitschaft oder Verantwortung weit jenseits des Staates, der sich aus deren Leben tunlichst raushalten soll, vertritt. Oder, ob sich diese abgewählte FDP zu sehr dem linken Mainstream hingegeben hat mit ihren Entscheidungen, zum Beispiel eine Ferda Ataman ins Amt der Antidiskriminierungsbeauftragten zu heben oder ein Selbstbestimmungsgesetz mit auf den Weg zu bringen, das Wissenschaft ignoriert und ausgesprochene Wahrheiten bestraft.
Justizminister Marco Buschmann (FDP) und Familienministerin Lisa Paus (Grüne) bei der Pressekonferenz des letzten Entwurfes des Selbstbestimmungsgesetzes. Am 1. November 2024 trat das Selbstbestimmungsgesetz der Ampel-Regierung in Kraft.
Freilich kann man sagen, dass in einer Koalition immer Kompromisse eingegangen werden müssen. Doch muss die Frage gestellt und auch beantwortet werden, wo angesichts des massiven Wählerschwundes an das konservative, rechte Lager eben diese konservativen, bürgerlichen, liberalen Kompromisslinien überschritten wurden. Bei dem klimaideologisch begründeten Heizungsgesetz, dem Kernkraftausstieg, dem Verbrenneraus oder dem auch von der FDP kreierten Bürgergeld, das die eigene Leistung negiert? Die verlorenen bürgerlich-konservativen Wähler wissen es, zu beantworten. Da mutet es fast schon suizidal an, schließt sich die FDP auch noch bereitwillig dem linken Block der „Demos gegen Rechts“ an, der von linken, staatsfinanzierten NGOs lautstark Stimmung nicht nur gegen die oppositionelle AfD, sondern auch gegen die CDU und FDP macht.
Dass ein StartUp, welches Meinungsäußerungen im Netz scannt und vermeintliche Beleidigungen massenhaft zur Anzeige bringt dann auch von einer Jungen Liberalen (gar deren Bundesvorsitzenden) mit gegründet und betrieben wird, fällt entweder schon nicht mehr ins Gewicht oder nicht mehr sonderlich auf. Sollte es aber, meint es die FDP ernst mit Freiheit in allen Facetten und Verantwortung. Erst recht, da sie ihre bürgerlich-konservativen Wähler in Massen verloren hat. Es wäre pure Ignoranz, nicht erkennen zu wollen, warum. Und es wäre nahezu tödlich, zu glauben, mit millimeterweisen Kurskorrekturen und dem für den Linksrutsch verantwortlichen Personal diese abgewanderten Wähler wieder zurück zu gewinnen. Diese politischen gesellschaftlichen Zeiten sind schlicht und endgültig vorbei.
Die Chefin der FDP-Nachwuchsorganisation Junge Liberale, Franziska Brandmann, machte aus der juristischen Verfolgung von Internet-Kommentaren ein Geschäftsmodell und gründete das Start-up „So Done“.
Denn während Kommunisten in Italien indirekt und in Frankreich direkt an Regierungen beteiligt waren und in beiden Ländern inzwischen Rechtsaußen-Parteien bestimmende Faktoren geworden sind, schien die Bundesrepublik vor und nach der Wiedervereinigung zwar zunächst noch absolut stabil und versammelt um eine breite gesellschaftliche Mitte ohne Akzeptanz für extremistische Kräfte am linken oder rechten Rand. Mit dem Aufflammen neuer Krisen nicht nur in Deutschland jedoch und im Einklang mit sich neu formierenden Parteienlandschaften in vielen Staaten Europas gewinnen rechts- und linksaußen stehende Kräfte auch in Deutschland immer mehr an Gewicht. AfD und Die Linke haben mit aktuell bundesweit mehr als 20 oder 9 Prozent genügend Potenzial, um die Gesellschaft erneut zu spalten.
Und wo stehen die Liberalen in dieser neuen deutschen Parteienlandschaft?
Seit jeher sahen sich die Liberalen, primär von der Idee der Freiheit des Individuums und dessen Verteidigung gegen einen übergriffigen Staat getrieben, als Reformer, nicht als Revolutionäre. Sie standen zwischen der revolutionären Linken und den die Verhältnisse zementierenden Konservativen.
Es waren zum Beispiel Liberale wie Friedrich Naumann, die sich frühzeitig für Frauenrechte einsetzten. Die Anfang des letzten Jahrhunderts gegründeten Deutsche Demokratische Partei (DDP) und Deutsche Volkspartei (DVP) bildeten nicht nur den bürgerlich-liberalen Gegenpol zur SPD. Beide Parteien rangen mit unterschiedlichen Ansätzen um das gleiche Wählerspektrum, das weder sozialistisch noch katholisch gebunden war. Während jedoch für die DDP soziale Sicherheit und die Begrenzung der ungehemmten Entwicklung der Wirtschaft wesentliche Voraussetzungen für Freiheit waren, sah die DVP im Liberalismus in erster Linie das Ziel, der Einzelpersönlichkeit Entfaltungs- und Wirkungsmöglichkeiten zu schaffen. Ihr Kern war damit der reine Wirtschaftsliberalismus. Wirtschaftsliberale und sozialliberale Werte und Ideale finden sich vereint in der heutigen FDP wieder – und lassen die beiden Flügel des Liberalismus immer wieder um ihre Ausrichtung ringen. Dieses Ringen ist mitunter enervierend und aufreibend, hat aber eine gleichermaßen wirtschafts- wie sozialliberale FDP hervorgebracht, die sich seit ihrer Gründung 1948 verstärkt, bewusst und gezielt in der Mitte positioniert.
Doch gerät diese Mittepositionierung zunehmend zum Problem der FDP, hat sich nicht nur die Mitte nach links verschoben, sondern sind auch die Schwerpunkte der Partei einem zunehmend linken Mainstream geopfert worden. Mit Blick auf Guido Westerwelle und seiner Aussage, dass unsere Freiheit zentimeterweise stirbt, sollte es jeden Liberalen alarmieren, dass Freiheit nicht nur scheinbar leichtlebig und selbstverständlich hingenommen wurde und wird, sondern dass auch bis heute immer wieder und mit wachsendem Nachdruck Anläufe aus dem linken Deutungsspektrum unternommen werden, den Freiheitsbegriff neu und vor allem gemeinschaftlich zu definieren, während Verantwortung für sich selbst und für die Gesellschaft einen zunehmend solidarischen Charakter bekommt.
Hier nochmal der unvergessene Guido Westerwelle:
Nicht mehr der Einzelne habe das individuelle Recht, sich zu verwirklichen, sondern nur im unteilbaren Kollektiv einer solidarischen Gemeinschaft sei Freiheit real, so lautet ihr Narrativ. Umwelt und Klima schickten sich zudem seit Anfang der 2010er Jahre an, Freiheit und Verantwortung in ihrer eigentlichen Bedeutung und ihrem eigentlichen Wert aus dem gesellschaftlichen Bewusstsein zu verdrängen. Der Ausstieg aus der sicheren Energieversorgung begann leider auch mit Unterstützung der FDP, Verzicht- und Verbotsvorschläge sollten alsbald folgen. Und ein grüner Slogan begleitet uns seit dieser Zeit: „Wachstum ist endlich“.
Beste Voraussetzungen also für eine Liberale Partei, dem Begriff der individuellen und unternehmerischen Freiheit wahlprogrammatisches Leben einzuhauchen, denn Wachstum und Wohlstand sind genauso wenig Selbstläufer wie Freiheit und Demokratie.
Und doch fliegt die FDP wieder aus dem Bundestag. Nicht nur bitter für die Partei, sondern auch für die Gesellschaft, die offensichtlich glaubte und glaubt, auf eine liberale Stimme verzichten zu können.
Das freiheitliche Feigenblatt, das sich vor allem die Bündnis-Grünen versuchten anzuheften, konnte 2013 zwar noch von deren eigentlichen Ideen und Zielen ablenken und half dabei, die Mitte der Gesellschaft weiter nach links zu verrücken. Heute und spätestens mit der Regierungsbeteiligung in der Ampelkoalition sind ihre planwirtschaftlichen, kollektivistischen Ideen jedoch offensichtlich und klar zu Tage getreten. Die FDP ist mit starken 11,4 Prozent noch in die Koalition mit SPD und Grünen gestartet, irrte dann jedoch auch angesichts der unter Bundeskanzler Olaf Scholz drückenden links-grünen Übermacht und Themen wieder weit ab vom einst wirtschaftsliberalen Kurs, schloss sich vielmehr der linken lenkenden Nachfragepolitik überwiegend an.
Mit den zwölf, im April 2024 auf dem Berliner Parteitag beschlossenen „Punkten zur Beschleunigung der Wirtschaftswende“, sollte es zwar wieder in die wirtschaftsliberale Richtung gehen, doch anders als beim Wendepapier des Grafen Lambsdorff 42 Jahre zuvor, war wohl noch nicht ein Bruch der Koalition das Ziel, sondern lediglich schnell wirksamer Balsam für die geschundenen Seelen der konservativ und wirtschaftsliberalen Wähler und Parteimitglieder. Die FDP wirkt beliebig und ist ebenso nach links von der Mitte gerückt, um koalitionsfähig sowohl mit der weit nach links gerückten SPD und mit der unter Merkel ebenfalls nach links gerückten CDU und den sowieso im linken Parteispektrum stehenden Bündnis-Grünen zu bleiben. Die entstandene, auch gesellschaftspolitische Lücke rechts der CDU, die nach wie vor maßgebliche Schwierigkeiten hat, ihren Linkskurs zu korrigieren, haben Rechtspopulisten wie die AfD gefüllt.
Will die FDP ihre Wähler von CDU und AfD wieder zurück gewinnen muss sie Angebote an diese Wähler machen und schlicht auch mehr Milei wagen.
Der Ökonom Javier Milei ist seit dem 10. Dezember 2023 Präsident Argentiniens.
Die überbordende Bürokratie inklusive der überbordenden Anzahl an Ministerien und Behörden muss radikal eingekürzt, die freie Meinungsäußerung muss kompromisslos geschützt und der öffentlich-rechtliche Rundfunk dahingehend reformiert werden, dass er seinem Auftrag einer objektiven, neutralen, informativen Berichterstattung zur freien Meinungsbildung wieder gerecht wird.
Die Liste der Angebote lässt sich sicher erweitern um zum Beispiel radikale Entlastungen der Unternehmen und leistungswilligen Bürger usw. Mit progressiven Gefälligkeiten an das links-grüne politische Milieu, auch in möglichen Koalitionskonstellationen, kann die FDP jedoch weder ihre konservativ-bürgerlich-liberalen Wähler aus den rechten gesellschaftlichen Spektrum halten noch zurück gewinnen.
Im Gegenteil, die letzten drei Jahre Ampelkoalition haben gezeigt, wie dramatisch ein einstiger Zuspruch zu gegebenen Wahlversprechen einbrechen kann. Dies zu erkennen, ist Überlebensaufgabe, nicht nur für die FDP, auch für unser Land.
***Katja Adler war seit 2021 Mitglied des Deutschen Bundestags. Die 50-Jährige wuchs in der DDR auf, lebt aber inzwischen in Oberursel (Hessen). Im September 2022 stimmte sie als eine von sieben Abgeordneten der FDP-Fraktion im Bundestag gegen eine Neufassung des Infektionsschutzgesetz der Ampel-Koalition. Sie war ebenfalls als einziges Mitglied der FDP-Fraktion gegen das Cannabisgesetz. In ihrem Buch „Rolle rückwärts DDR?“ behandelt sie aktuelle Entwicklungen in der Bundesrepublik, die sie an ihre ersten 15 Lebensjahre in der DDR erinnern.
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