Liberation Day und die Doppelmoral der EU-Handelspolitik

vor 25 Tagen

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Bildquelle: Tichys Einblick

Donald Trump kommuniziert laut, bisweilen schrill. Dass er den 2. April, den Tag der Einführung eines aggressiven Zollprogramms der USA, zum „Liberation Day“ verkündete, sollte nicht verwundern – es ist Teil der harschen Kommunikationsstrategie des Weißen Hauses seit der Amtsübernahme. Handelspartner wie die Europäische Union reagieren geschockt, drohen mit Gegenmaßnahmen auf den Zollschritt von 20 Prozent. Andere wie Argentiniens Präsident Javier Milei betonen ihre Bereitschaft zu Konzessionen und beugen sich der Drohgebärde.

Doch hinter der schrillen Kommunikation des US-Präsidenten steckt mehr als bloße Provokation. Die USA befinden sich fest im Würgegriff eines doppelten Defizits. Handels- sowie Fiskalbilanz rutschen immer tiefer in den roten Bereich und sorgen für Verwerfungen in der amerikanischen Wirtschaft, bis hin zum Verlust der industriellen Basis. Hier setzt die neue US-Regierung an, das sogenannte „Triffin-Dilemma“ zu eliminieren. Dieses besagt, dass derjenige, der die Weltreservewährung emittiert, die globale Wirtschaft über ein korrespondierendes Handelsdefizit mit Liquidität versorgen muss. Zollpolitik und Steuersenkungen sollen die größte Volkswirtschaft der Welt aus dieser Umklammerung befreien. Darum geht es hier im Kern.

Dass dies zu Problemen führen kann, wissen wir aus der Wirtschaftsgeschichte. Aktive Zollpolitik mündet nicht selten in Handelskriege und kann den beteiligten Ökonomien schwere Schäden zufügen. Nur ein freier Handel befähigt die Teilnehmer des Wirtschaftsgeschehens, Spezialisierungsmuster auszuformen, die eine optimale Versorgung der Märkte gewährleisten.

Allerdings befinden wir uns nicht in einer utopischen Lehrbuchökonomie, sondern an einer geopolitischen Schwelle, die uns kalte Machtpolitik und nationale Präferenzlagen zurückbringt. Die Reaktion der EU-Europäer auf die Kehrtwende der US-Handelspolitik fällt daher auch erwartbar heftig aus. Auf die rege Reisetätigkeit europäischer Spitzenpolitiker der Präsidenten Emmanuel Macron und Keir Starmer folgt nun die Ankündigung der EU-Kommission, die Zölle der Amerikaner mit Gegenmaßnahmen zu kontern. Willkommen im Handelskrieg!

Folgt man den Empörungswallungen der Europäer, muss man sich allerdings verwundert die Augen reiben. Immerhin ist es die EU, die bereits ihr Fundament auf Kohle- und Agrarsubventionen aufsetzte und seit ihren Gründungstagen eine überdimensionierte Subventionsmaschine zur Umsetzung eigener industriepolitischer Ambitionen betreibt. Wer heute als Externer den Schritt auf den europäischen Binnenmarkt wagt, sieht sich einer Fülle regulatorischer Handelsbarrieren ausgesetzt, die unter dem Euphemismus „Harmonisierung“ firmieren. Subtil und anstelle hoher Einfuhrzölle weist die EU externe Konkurrenz über Produkt- und Produktionsstandards (Lieferkettengesetz), bürokratische Hürden und Schutzzölle ihrer Kernsektoren an den Grenzen zurück. Die Zeche zahlt der Verbraucher über höhere Preise, da so der Wettbewerb geschwächt wird.

Produkte wie Fleisch oder Milch aus Drittländern unterliegen nicht nur Zöllen, sondern auch Hygiene- und Qualitätsstandards, die oft nichts anderes sind als reine Schikane, um potenzielle Wettbewerber aus dem Feld zu räumen. Häufig wird medienwirksam auf den Schutz der Verbraucher verwiesen, doch in Wahrheit dient die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP), um nur ein Beispiel zu nennen, ausschließlich dem Schutz heimischer Anbieter. Laut OECD machen solche nichttarifären Barrieren bis zu 60 Prozent der EU-Protektion aus – weit mehr als die sichtbaren Zölle.

In der Industrie zeigt sich ein ähnliches Bild. Die Automobilbranche etwa wird durch einen Zoll von 10 Prozent auf Importfahrzeuge geschützt, ergänzt durch technische Vorschriften und Emissionsstandards, die auf europäische Hersteller und ihre Produktionsstruktur zugeschnitten sind. US- oder asiatische Firmen sind auf diese Weise gezwungen, hohe Anpassungskosten zu stemmen und treten mit spürbaren Nachteilen in den Markt. Das Ergebnis: ein faktischer Marktschutz für Konzerne wie Volkswagen oder Stellantis, ohne dass die EU als protektionistisch auffiele.

Während die USA nun versuchen, ihr Handelsdefizit zu reduzieren und ihre Industrie wieder aufzubauen, operiert die EU im Klandestinen. Der „Carbon Border Adjustment Mechanism“ (CBAM), ab 2026 aktiv, belastet Importe aus Ländern mit niedrigeren Klimastandards. Offiziell geht es um den Klimaschutz.

In Wahrheit handelt es sich aber um ein scharfes Schwert des Protektionismus, da die Europäer die CO2-Keule als betriebswirtschaftliches Totschlagargument einsetzen und wissen, dass man außerhalb der klimamoralisierenden Brüsseler Bürokratie eher auf wirtschaftliche Vernunft als auf ideologische Wolkenkuckucksheime setzt.

Und auch in der Digitalwirtschaft verhängt die EU hohe Auflagen gegen US-Tech-Riesen wie Google oder X, während sie europäische Konkurrenzunternehmen aktiv fördert. Die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) erschwert nicht-europäischen Firmen den Marktzugang, während heimische Unternehmen profitieren. Das ist kein freier Handel, sondern gezielte Abschottung.

Wir dürfen gespannt sein, wie sich dieser Konflikt in den kommenden Wochen entfaltet. Die USA setzen dabei auf ihre breite technologische Basis, auf Energieautonomie und die Fähigkeit, über offenere Märkte mobiles Kapital von einem Investment in den Staaten zu überzeugen. Sie nehmen mit der Zollpolitik in Kauf, dass der US-Verbraucher zunächst geschwächt wird. Europa sollte den Fehdehandschuh der Trump-Regierung als Arbeitsauftrag auffassen und eigene Konzepte und Fehlentwicklungen kritisch unter die Lupe nehmen.

Eine Rückkehr zu marktwirtschaftlichen Prinzipien und offenen Märkten ist eine zwingende Schlussfolgerung, die aus dem aggressiven Auftreten der Amerikaner abzuleiten wäre. Allerdings ist dies nicht denkbar ohne ein radikales Umdenken in Brüssel und den europäischen Hauptstädten. Der Versuch, eine grüne und weitgehend deindustrialisierte Ökonomie zu errichten, ist an der ökonomischen Realität gescheitert. Diese präsentiert sich als tiefe Wachstumskrise und legt sich nieder im erlahmten Produktivitätswachstum. Und der Machtapparat der Zentralplaner in Brüssel ist nun diesem gleißenden Licht der Realität ausgesetzt.

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