
Der oberbayerische Ort, in dem ich seit ein paar Jahren wohne, hat 6.500 Einwohner. Formal ist das eine Kleinstadt, in Wahrheit – meine neuen Nachbarn mögen mir vergeben – ist es ein Dorf. Ich bin gebürtiger Berliner und habe knapp fünf Jahrzehnte an der Spree gelebt, und bitte schön, 6.500 Einwohner: So viele hatte früher mein Straßenzug.
Hier auf dem Land läuft das Leben anders als in der Großstadt. Sehr anders. Man grüßt sich auf der Straße, auch wenn man sich gar nicht kennt. Die Kinder sagen „Bitte“ und „Danke“ und lassen an der Supermarktkasse freiwillig und klaglos die Senioren vor. Kleinigkeiten, die in der Summe gar nicht mehr so klein sind.
Auch die Partnerwahl ist anders.
Die jungen Frauen schauen recht früh nicht mehr nur nach besonders „feschen Burschen“, sondern lassen auch Eigenschaften in ihren Entscheidungsprozess einfließen, die in der großen Stadt weitgehend in Vergessenheit geraten sind: Steht der junge Herr schon mit beiden Beinen im Leben, hat er also einen ordentlichen Beruf und eine vernünftige Arbeit? Ist er zielstrebig und ehrgeizig? Ist er zuverlässig?
Es zählt keineswegs nur die kurzfristige Verliebtheit, es zählen nicht nur die spontanen Schmetterlinge im Bauch. Wichtiger ist eine Lebensperspektive: Kann man mit dem Partner vermutlich eine Familie gründen und sie ernähren? Und ist der Partner charakterfest genug, dass man zusammen zum Beispiel auch ein Haus bauen kann (was viele Jahre Verschuldung und entsprechende Mühsal nach sich zieht)?
An den Küchentischen der vielen, vielen Einfamilienhäuser hier sitzen viele, viele Paare und finden auch ganz ohne Robert Habeck genügend Gesprächsthemen – und durchaus auch genügend Probleme, für die man gemeinsam eine Lösung sucht. Dabei streitet man natürlich auch, manchmal heftig. Aber man hat als Paar trotzdem gemeinsame Ziele für das eigene Leben.
In der Großstadt sieht das Paarungsverhalten ganz anders aus.
Nehmen wir die größte aller deutschen Städte: Berlin. Hier leben die meisten Transferempfänger in ganz Deutschland – nicht nur in absoluten Zahlen, sondern auch relativ. Gleichzeitig leben hier, in Bezug zur Einwohnerzahl, weniger Nettosteuerzahler als sonst irgendwo. Ein beachtlicher, um nicht zu sagen erschreckender, Teil der Berliner ist im öffentlichen Dienst beschäftigt oder in Verbänden oder in den schier unzähligen staatlich alimentierten Stiftungen, Instituten und natürlich NGOs.
Zudem hat Berlin fünf Universitäten, fünf Fachhochschulen, vier Kunsthochschulen, zwei konfessionelle Hochschulen sowie sage und schreibe 23 (in Worten: dreiundzwanzig) Hochschulen in privater Trägerschaft. Kurz gesagt: In Berlin wohnen unfassbar viele junge Menschen, die am regulären Wirtschaftsleben und an der gesellschaftlichen Wertschöpfung nicht mitwirken.
Wer sich den ganzen Tag nie damit beschäftigt, wie Geld verdient wird, sondern bei Soja-Latte und Quinoa-Tofu-Bowl immer nur damit, wie man es ausgeben kann, der lebt buchstäblich in einer anderen Welt als die Werktätigen im ländlichen Raum.
Und er sucht auch anders nach der Liebe.
Das Partnersuchportal „Elite Partner“ hat jetzt in einer repräsentativen Umfrage bei 6.000 „Internetnutzern mit Wohnsitz in Deutschland“ die Rolle von Parteipolitik bei der Partnerwahl untersucht. Das Ergebnis ist einigermaßen ernüchternd.
In der Hauptstadt kennen 85 Prozent der Menschen „in einer Beziehung“ die politische Einstellung ihres Partners. Bei fast jedem zweiten Paar kommen politische Themen und Meinungen „häufig zur Sprache“ (auch ohne Mitwirkung von Robert Habeck). Das ist jeweils deutlich mehr als im bundesdeutschen Durchschnitt. Fast jedes dritte Berliner Paar (29 Prozent) hat sich schon wegen politischer Themen gestritten. Bundesweit sind es nur 18 Prozent.
Damit hat die Politisierung von Liebesbeziehungen in Berlin aber noch nicht – pardon, wie soll ich das anders sagen – ihren Höhepunkt erreicht. Der kommt erst jetzt: Für beinahe jeden vierten Hauptstädter (23 Prozent) wäre es ein Trennungsgrund, wenn der Partner eine Partei wählt, die man selbst ablehnt.
Die gute Nachricht ist, dass die Deutschen insgesamt (14 Prozent) da wesentlich weniger rigide sind. Die schlechte Nachricht ist, dass verstörend viele Menschen in der mit Abstand größten deutschen Stadt offenbar völlig verlernt haben, mit weltanschaulichen Meinungsunterschieden anders umzugehen als durch einen Abbruch des persönlichen Kontakts – selbst wenn es um jemanden geht, für den man große romantische Gefühle hegt.
„Wo zwei Menschen einer Meinung sind, ist einer überflüssig“, hat Winston Churchill mal gesagt. Es ist ja schon eigenartig, wenn man für eine Freundschaft gleiche Vorstellungen verlangt. Noch viel eigenartiger ist es, wenn man Meinungsgleichheit (also eine intellektuelle Kategorie) zur Voraussetzung von Liebesbeziehungen (also einem emotionalen Konzept) macht.
„Das Private ist politisch“, hieß es in den 1960er-Jahren. Doch das ist absolut unmenschlicher Quatsch. Die Politisierung auch noch der intimsten Lebensbereiche ist eine totalitäre Idee, die verlangt, dass man Gefühle der „richtigen“ Meinung unterordnet. Wer das will, mit Verlaub, hat nicht mehr alle Latten am Zaun.
In den USA gibt es eine Bewegung junger Frauen, die jeden Kontakt zu jungen Trump-Wählern kategorisch ablehnen. In den sogenannten sozialen Medien kann man beobachten, wie viele dieser Frauen sich gleichzeitig darüber beschweren, dass es keine „guten“ Männer mehr gebe, mit denen man sich treffen könnte. Selbstverständlich suchen diese Damen die Schuld nicht bei sich und ihrer verqueren Idee von Partnerschaft, sondern bei den Herren.
Jedem Mann, der so einer Frau nicht auf den Leim geht, kann man nur zurufen: nochmal Glück gehabt, Alter.