„Gas-Lobby“ – wie Grüne die Gaskraftwerks-Pläne von Habeck vergessen machen wollen

vor 26 Tagen

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Bildquelle: Tichys Einblick

Mit seinen öffentlichen Auftritten bleibt der grüne Fraktionsvize Andreas Audretsch vielen Zuschauern im Gedächtnis: der Arm hackt im Takt zu seinem Vortrag, seine Vorwürfe – meist gegen die Union – stößt er im Stakkato aus. So auch bei seinem jüngsten Angriff auf die neue Wirtschaftsministerin Katharina Reiche: Auf X – kombiniert mit einem Video – behauptet der frühere Wahlkampfmanager von Robert Habeck, die Ministerin wolle „Uralt-Gaskessel aus den 80er-Jahren wieder einführen. Sie täuscht das Land, gefährdet Jobs, schickt Menschen in die fossile Kostenfalle. Diese Gas-Lobby-Politik fügt Deutschland schweren Schaden zu.“

Bei der Formulierung, Reiche wolle „Uralt-Gaskessel aus den 80er-Jahren wieder einführen“, handelt es sich um schlichten kontrafaktischen Unfug. Richtig ist: Die neue Ressortchefin schafft das Betriebsverbot für Heizkessel ab. Sie können also weiterlaufen, wenn sie funktionstüchtig sind. Davon, Gaskessel aus den 80er Jahren „wieder einzuführen“ – also ihre Installation zu fördern oder gar vorzuschreiben – ist bei Reiche nirgends die Rede. Wie sollte das auch funktionieren? Es würde ja voraussetzen, dass es kommerzielle Anbieter von vierzig Jahre alten Gaskesseln gäbe. Audretsch redet hier klar erkennbar die Unwahrheit. Aber er manipuliert die Öffentlichkeit auch mit seiner Behauptung, Reiche betreibe mit ihrem Plan für 40 bis 50 neue Gaskraftwerke eine „Gas-Lobbypolitik“ – und verfolge das Gegenteil der Politik ihres Amtsvorgängers. Denn die Planung für neue Gaskraftwerke stammt von Robert Habeck – Reiche führt sie nur weiter. Auch der Altgrüne Jürgen Trittin behauptet, Reiche wolle Deutschland von „Autokraten-Gas“ abhängig machen, womit er allerdings nicht russisches Gas meinen kann – das importiert Deutschland schon seit 2022 nicht mehr. Die Grüne Luisa Neubauer spricht von „neuer Gasabhängigkeit“.

Beide müssten wissen, dass sie damit Propagandabehauptungen verbreiten.

Wie verlief die Planung in Habecks Amtszeit wirklich? Das grundsätzliche Vorhaben, neue Gaskraftwerke zu erreichten, übernahm der Grüne 2022 schon von der Vorgängerregierung unter Angela Merkel, und zwar als Bedingung für den deutschen Kohleausstieg. Dass der Wind nicht immer weht und die Sonne nichts durchgehend scheint, erkannte man schon damals. Da Kohle und Kernkraft als Energiequelle wegfallen sollten, blieb als nur Gasanlagen als mögliche Backup-Kraftwerke, um die Stromversorgung zu sichern. Am 1. August 2023 stellte Habeck den Rahmen für seine von ihm so bezeichnete „Kraftwerksstrategie“ vor. Sie sah zunächst die öffentliche Ausschreibung zur Förderungen 15 Gigawatt Gaskraftwerkskapazität vor, die „vorübergehend“ mit Erdgas und später mit Wasserstoff betrieben werden sollten. Zehn dieser 15 Gigawatt sollten schon 2026 ans Netz gehen. Darüber hinaus sah sein Plan noch 8,8 Gigawatt an reiner Wasserstoff-Kraftwerkskapazität vor. Allerdings wusste damals schon jeder Fachmann: bei der Vorstellung, in naher Zukunft Gaskraftwerke durchgehend mit Wasserstoff zu befeuern, handelte es sich um ein reines Fantasieprodukt.

Derartige Mengen an Wasserstoff, dazu noch „grünem“, also aus Solar- und Windkraft gewonnenem Gas stehen schlicht nicht zur Verfügung. Und sie würden, selbst wenn es sie gäbe, die Stromproduktion in ganz neue Kostenregionen treiben. Die Behauptung, die Kraftwerke ließen sich in wenigen Jahren auf Wasserstoff umstellen, diente eher als politisches Verkaufsargument für Habecks grüne Basis. Tatsächlich lief sein Konzept schlicht darauf hinaus, mit staatlichem Geld den Bau von Gaskraftwerken zu fördern. Allerdings beantwortete Habeck damals die Frage nicht, wer die Anlagen betreiben sollte. Denn mit Kraftwerken, die nur einspringen, wenn Wind und Sonne nicht liefern, lässt sich kaum Geld verdienen. Trotzdem stellte er im Februar 2024 seine „neue Kraftwerksstrategie“ vor, und kündigte an, die Ampel werde sie spätestens im Sommer beschließen. „Die neue Kraftwerksstrategie soll spätestens im Sommer vom Bundeskabinett verabschiedet werden“, hieß es damals offiziell aus seinem Ministerium.“ Die Vereinbarung zu den wesentlichen Elementen schafft die Voraussetzung für die notwendigen Investitionen.“

Dann folgten allerdings keine konkreten Planungen mehr. Im Dezember 2024 erklärte Habeck nach dem Bruch der Ampel-Koalition, die Umsetzung des geplanten Gesetzes zur Förderung neuer Gaskraftwerke sei nun leider nicht mehr möglich, denn dazu fehlten die Mehrheiten. Es scheint, als hätte der Wirtschaftsminister diese Last damals gern abgeworfen: Er wusste, dass ein Kohle- und Atomausstieg neue Gaskraftwerke erzwingt, und ihm war auch bewusst, dass es sich bei der Wasserstoff-Erzählung um ein Phantasma handelte. Und natürlich dürfte ihm klar gewesen sein, dass die radikale grüne Basis den Bau von Gaskraftwerken schlecht findfet – selbst mit Wasserstoff-Aufhübschung. Den tatsächlichen Verlauf der Planungen versuchen nun Audretsch und andere unter eine Lawine von falschen und irreführenden Behauptungen regelrecht zuzuschütten.

Reiche macht faktisch dort weiter, wo Habeck seine Arbeit abbrach – nur mit dem Unterschied, dass sie das realitätsferne Wasserstoff-Narrativ seines Vorgängers nicht wiederholt. Mit ihrer Entscheidung, dass alte Heizkessel noch eine Weile weiterlaufen können, nimmt sie außerdem vielen Hausbesitzern die Sorge, die sich den Einbau einer Wärmepumpe mit entsprechender Sanierung entweder nicht leisten können, oder deren Immobilien sich schlicht nicht für den Wärmepumpenbetrieb eignen – was für viele Häuser gilt, deren Wert unter dem der nötigen Umbauinvestition liegt.

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