Mächtige Netzwerke? Linke Verschwörungstheorien im ÖRR

vor etwa 15 Stunden

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Bildquelle: Tichys Einblick

Die Befürworter eines radikalen Umbaus der Gesellschaft sind gewarnt: Konnte man mit dem Selbstbestimmungsgesetz die Abkopplung des Rechts von der Realität noch ungestört durchsetzen, traf das Ansinnen, die Justiz bis zum höchsten deutschen Gericht durchzupolitisieren auf nennenswerten Widerstand – und das ausgerechnet aus der Unionsfraktion, die man doch mit Brandmauer- und Kontaktschulddrohungen kaltgestellt zu haben vermeinte.

Diese Entwicklung ist tatsächlich erstaunlich: Intuitiv sollte man meinen, dass die Annahme, ein Mensch könne sein Geschlecht einmal im Jahr ändern, spontaner als absurd erkannt würde als die intellektuell komplexere Frage nach der Menschenwürdegarantie des Grundgesetzes.

Man kann denjenigen, die davon ausgegangen waren, problemlos linke radikale Kräfte im Bundesverfassungsgericht installieren zu können, den Unmut daher nicht verdenken.

Doch Schadensbegrenzung und die Weichenstellungen, um derartige Niederlagen in Zukunft zu vermeiden, laufen bereits auf Hochtouren.

Allen voran gibt sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk Mühe, die Entscheidung gegen Frauke Brosius-Gersdorf als Erfolg einer rechten Kampagne darzustellen.

Ein besonderes Machwerk aus dieser Kategorie ist ein WDR-Monitor-Beitrag, der auf fantasievolle Weise „rechte Christen“ als treibende Kraft konstruiert. Im Mittelpunkt: Beatrix von Storch. Doch mittlerweile vertraut man nicht mehr darauf, dass das Schreckgespenst AfD zur Diskreditierung jedweden Anliegens ausreiche.

Weil die rechte Bedrohung womöglich nicht mehr genügend Besorgnis erregt, muss eine fanatisch-religiöse Komponente hinzutreten.

Und da der politische Islam, Bestrebungen der Muslimbruderschaft oder auch der muslimische Staatsterror in Iran und Afghanistan einfach so gar keine Anknüpfungspunkte bieten, um über religiösen Fanatismus zu berichten, muss man eben Lebensrechtler – übrigens keinesfalls ausschließlich Christen – und US-amerikanische Evangelikale pauschal diskreditieren.

Zusammengebunden mit katholischer Ästhetik, denn da bedient sich die Bildregie natürlich gern: Kruzifixe, Kerzen, Kreuzwegbilder. Da darf die katholische Kirche gern herhalten, dekontextualisiert, düstere Musik inklusive, und sichtlich ohne die geringste Ahnung seitens der Redaktion, was man dort eigentlich zeigt.

Die Verleumdung hat zwei Ziele: Inhaltliche Debatte soll verhindert, die zarten Pflänzchen bürgerlich-konservativer Kampagnenfähigkeit sollen im Keim erstickt werden, bevor daraus Umwälzungspotential erwächst.

Ersteres soll sicherstellen, dass auf keinen Fall mit Argumenten hantiert wird. Wenn etwa die Menschenrechtsorganisation ADF (Alliance Defending Freedom) als „erzreligiös“ bezeichnet wird, so treten die Anliegen der Organisation in den Hintergrund. Praktisch vertritt ADF das, was Linke vorgeben: Toleranz, Freiheit, Gerechtigkeit. Die „Alliance“ begleitet zum Beispiel weltweit Menschen, die vor Gericht landen, weil sie etwa von ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch gemacht haben. Aber das will Monitor nicht berichten, denn der Zuschauer ließe sich nicht so leicht davon überzeugen, dass es fanatisch oder illiberal sei, für Freiheitsrechte einzutreten.

Damit die Falschinformation nicht auffliegt, ist kein einziger derjenigen, die hier rechter, antifreiheitlicher und fanatischer Umtriebe bezichtigt werden – ohne jeglichen Beleg übrigens –, vor die Kamera geladen.

Stattdessen lässt man Neil Datta zu Wort kommen. Der ist Generalsekretär des „European Parliamentary Forum for Sexual and Reproductive Health and Rights” (EPF). Der Name suggeriert dem unkundigen Leser, hier handle es sich um ein Organ des EU-Parlaments. Dabei ist das EFP lediglich eine NGO, die unter anderem ein „Recht auf Abtreibung“ fordert – und die bereits in ihrem Namen falsche Tatsachen vorspiegelt. Vertrauenerweckend. Als Lobbyist mit solchen Anliegen könnte man Datta als natürlichen Feind Beatrix von Storchs betrachten. Deren Engagement für das Lebensrecht ist allgemein bekannt, und es ist ihre pointierte Frage an Merz, die dem Bundeskanzler ermöglichte, sich vor aller Augen des gewissenlosen Opportunismus‘ zu überführen.

Doch anstatt beiden Seiten ein Forum zu bieten, darf Datta über von Storch reden, und wird dabei als unbeteiligter Experte inszeniert. Das ist in etwa so, als wenn in einer Dokumentation über E-Mobilität Elon Musk als objektiver Beobachter fungierte.

Um ganz sicherzugehen, ist dann auch noch die Übersetzung falsch: Während Datta auf Englisch verlauten lässt, hinter Beatrix von Storch stehe „eine (…) antidemokratische Agenda“, heißt es aus dem Off zeitgleich auf Deutsch, hinter ihr stünde „eine (…) antidemokratische Bewegung“ – künstlerische Freiheit.

Datta nutzt die Gelegenheit, um Desinformation über jene zu verbreiten, die seine Ziele nicht unterstützen. 1,81 Milliarden US-Dollar hätte der angebliche antidemokratische NGO-Komplex zwischen 2019 und 2023 erhalten. Das sei mehr als doppelt so viel wie in den zehn Jahren zuvor. Nun ist ohnehin die Methodik intransparent: Ab dem wievielten Bier, das man mit Beatrix von Storch getrunken hat, gehört man zu diesem Netzwerk? In einem Bericht, den Datta zu dem Thema veröffentlicht hat, ist von 275 Organisationen die Rede. Nicht einmal zwei Milliarden Dollar also für fast 300 Organisationen über vier Jahre – und innerhalb der zehn Jahre davor hatte dieser düster-machtvolle Zirkel nicht einmal eine Milliarde zur Verfügung?

Damit nicht allzu deutlich wird, dass sogar die fragwürdigen Daten, die er selbst veröffentlicht, seine These widerlegen, verschweigt Datta die finanziellen Mittel vergleichbarer Organisationen auf der ideologischen „Gegenseite“. In der Tagespost hat Franziska Harter indes Vergleichswerte dokumentiert, um Dattas Zahlen in einen Kontext zu setzen. Sie hält fest, dass die von ihm errechnete Zahl sich „fast unerheblich“ ausnimmt, „verglichen damit, dass er suggeriert, es handle sich hierbei um eine horrende Summe. (…) Allein der UN-Weltbevölkerungsfonds, auf dessen Agenda die Förderung ‚sexueller und reproduktiver Gesundheit und Rechte‘ ganz oben steht, besaß zwischen 2022 und 2025 ein Budget von über sechs Milliarden Euro. Auch die UN-Frauenorganisation ‚UN Women‘ – weltweiter Spitzenförderer der ‚sexuellen und reproduktiven Rechte‘ und der Genderideologie – erhielt alleine für das Doppeljahr 2024-2025 mehr als eine Milliarde. Vor diesem Hintergrund erscheint die geballte Finanzkraft der herbeifantasierten christlich-extremistischen Weltverschwörer doch eher lächerlich.“

Doch es geht nicht nur darum, ein Feindbild zu konstruieren, dem man zwielichtige Umtriebe und natürlich Extremismus anlasten kann.

Man will hier das bunte Sammelsurium an kleinen Vereinen, privaten Initiativen und größeren NGOs, die ganz unterschiedliche Ziele verfolgen und ganz verschiedenen politischen oder religiösen Ausrichtungen zuzuordnen sind, als viel mächtiger und geschlossener darstellen, als es ist, um das intolerante, unfaire Vorgehen gegen diese Gruppen als demokratische Notwehr inszenieren zu können.

Tatsächlich gewinnen konservative und bürgerliche Initiativen langsam, aber sicher an Einfluss. Bloß liegt das nicht an mächtigen Förderern und ominösen Geldflüssen, sondern daran, dass die Forderungen der woken Linken derart überzogen und übergriffig geworden sind, dass auch ansonsten tolerante Zeitgenossen immer weniger hinnehmen können, was man ihnen abverlangt.

Zudem haben konservative Kräfte von linken Aktivisten gelernt. Linke erkennen die Rezepte, die ihnen selbst die Meinungshegemonie und eine enorme Machtbasis verschafft haben. Sie wissen, wie erfolgversprechend diese Rezepte sind. Und sie fürchten sich davor, dasselbe Schicksal zu erleiden wie die von ihnen marginalisierten, mundtot gemachten, drangsalierten bürgerlich-konservativen und christlichen Kräfte.

Nun geht es für linke Akteure also darum, die Meinungshegemonie um jeden Preis zu erhalten. Würden christliche, freiheitliche oder konservative Positionen nun zu gleichberechtigten Angeboten im Meinungsspektrum, wäre die Deutungshoheit und damit auch die Durchsetzung linker Umbauprojekte erheblich gefährdet. Dass sich der ÖRR federführend an diesem ideologischen Feldzug beteiligt, zeigt, dass er seinem Auftrag nicht gerecht wird. ÖRR-Redakteure dürfen linke Positionen vertreten – aber sie wären dazu verpflichtet, zumindest beide Seiten gleichberechtigt darzustellen.

Der unbeabsichtigte Nebeneffekt dieser Dämonisierung könnte allerdings die Konsolidierung der nichtlinken Lager sein. Der Erfolg in der Causa Brosius-Gersdorf war im Grunde genommen ein bescheidener – immer noch ist mit Ann-Katrin Kaufhold eine untragbare Personalie im Rennen, und die SPD hat das Ansinnen, die Justiz zu unterwandern, nicht aufgegeben.

Doch nun hat man gespürt, dass man als wirkmächtiger Akteur wahrgenommen wird, dass man die eigenen Themen öffentlichkeitswirksam platzieren kann, und dass die eigenen Werte gar nicht so inkompatibel mit der Mehrheitsgesellschaft sind, wie die veröffentlichte Meinung mantraartig einhämmert. Es wäre äußerst verwunderlich, wenn diese Erfahrung nicht zu einem neuen Maß an Selbstbewusstsein führen würde.

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