London 2025: Ein Islamkritiker wird zum Feind aller Muslime umgedeutet

vor etwa 6 Stunden

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Bildquelle: Tichys Einblick

Dominic Cummings, bekannt als radikaler Kritiker bisheriger Regierungsführung, hat einen erstaunlichen Vortrag in Oxford gehalten. Der Titel („Was ist zu tun?“) war dabei weniger eindeutig als die Überschrift einer überarbeiteten Fassung, die auf den Seiten des Spectator erschienen ist. Dort heißt es apodiktisch und sehr viel mehr an Cummings erinnernd: „Westminster muss fallen“ – und Westminster, das ist natürlich der Sitz der britischen Regierung. Die aktuellen politischen Themen bieten Cummings dabei den perfekten Einstieg, in dem er die Natur des immer noch fortbestehenden „alten Regimes“ eng mit dem Begriff des „cover-up“ verbindet. Zu Deutsch: „Vertuschung“ ist die eigentliche Natur des Regimes der alten Parteien, alter Institutionen, alter Medien, alter Universitäten und alter Gerichtshöfe.

Vertuscht wurde die „industrialisierte Massenvergewaltigung von weißen englischen Kindern durch pakistanische und somalische Banden über Jahrzehnte“, während die Regierung damit fortfährt, Menschen aus denselben „Stammesgebieten“ (D.C.) zu importieren. Das ist der große Skandal, der die Labour-Regierung gerade erst zu einer Kehrtwende gezwungen hat, deren Früchte noch ungewiss sind, die aber neue Gesetze ebenso umfassen soll wie eine landesweite Untersuchung der Vorfälle.

Vertuscht wird auch der Umstand, dass jede Woche Demonstrationsmärsche in London und im ganzen Land stattfinden, auf denen „offen ein zweiter Holocaust“ gefordert wird – gemeint sind die Pro-Hamas-Aufmärsche. Doch nur die Gegendemonstranten werden verhaftet. Ebenfalls im offenen Tageslicht, aber doch auf eine Art verborgen, werden derweil neue Blasphemiegesetze in Großbritannien eingeführt und machen ihr erfolgreiches Debüt an Gerichten. Man mag fragen, ob Gerichte hier neues Recht schaffen oder eher Parlamentarier Gesetze so missverständlich formuliert haben, dass Richtern keine andere Wahl bleibt. Sicher scheint aber, dass das britische Recht gerade neu zurechtgebogen wird. Und so lohnt das Thema wohl ein kurzes Verweilen.

Am Westminster Magistrates’ Court wurde unlängst der türkische Staatsbürger Hamit Coskun – der kurdisch-armenischer Abstammung ist – dafür verurteilt, einen Koran in der Nähe seines Konsulats angezündet zu haben, wozu er Dinge wie „Der Koran steht in Flammen“ oder „Islam ist die Religion des Terrorismus“ gerufen hat. Lange konnte Coskun allerdings nicht mit dieser Aktion fortfahren, denn zwei Passanten griffen ihn unmittelbar, teils mit einem Messer, an, so dass er ins Krankenhaus eingeliefert werden musste. Dennoch wurde nur Coskun vorgeworfen, „gänzlich oder teilweise von Feindschaft gegenüber den Mitgliedern einer religiösen Gruppe“ angetrieben worden zu sein. Und der Richter sah das letzten Endes sogar als erwiesen an.

Die Staatsanwaltschaft hatte sogar die steile These aufgestellt, Coskuns Absicht sei es gewesen, „die religiöse Institution des Islam“ insgesamt „zu belästigen, zu beunruhigen oder zu bedrängen“ – als ob es sich dabei um eine Person handeln würde. Dieser Vorwurf wurde formal abgewiesen, inhaltlich aber am Ende anerkannt. Aus der Belästigung der „Institution des Islams“ wurde die Feindschaft gegen alle seine Mitglieder, was genauso fatal an Coskuns Absicht vorbeiging.

Und nun ist allerdings die Frage: Was ist das für ein Richter, dessen Urteil man da liest? War er etwas schwach auf der Brust, mit dem falschen Fuß aufgestanden oder geschah es eben doch aus einem bestimmten Prinzip heraus, dass er so urteilte, wie geschehen? Sein Name ist John McGarva. Der Name des Staatsanwalts wird nicht genannt. In Süd-London, wozu auch der Bezirk Westminster gehört, leitet seit 2020 Lionel Idan den Crown Prosecution Service (CPS) und hat es sich zum Ziel gesetzt, sogenannte „Hassverbrechen“ zu verfolgen.

Der Richter wägte zwar auch einige Gründe, die für Coskun sprachen, scheint sich aber dann doch vor allem an dessen Querulantentum aufgehalten zu haben. Ist es typisch britisch, dass man ein gewisses „Wohlverhalten“, eine vornehme Zurückhaltung in der Öffentlichkeit erwartet und verlangt? Vielleicht.

Der Richter hielt aber zudem fest, dass Coskun „kein hilfreicher Zeuge“ gewesen sei: „Er wich wiederholt der Frage aus und zog es vor, die Frage zu beantworten, die er gestellt bekommen wollte, statt jene, die gestellt wurde.“ Ob dieses Verhalten bis zur Obstruktion des Gerichts reichte, wird nicht klar. Es scheint aber nicht so, denn aus der Aussage lässt sich durchaus Coskuns Position entnehmen, auch wenn das sprachlich nicht immer feingeschliffen war. Einem Artikel, den er inzwischen im Spectator veröffentlicht hat, kann man entnehmen, dass Coskun die Türkei 2022 verließ, weil er nicht mit der zunehmenden Stärkung des Islams dort einverstanden war. Als ehemaliges Mitglied einer linken Partei hatte Coskun schon seit Beginn der 1990er Jahre mehrmals im Gefängnis gesessen. Zuletzt soll man ihm unmissverständlich klargemacht haben, dass er eine weitere Haftstrafe nicht überleben würde. Er kam nach Großbritannien, weil er glaubte, dass er seine Meinung dort frei bekunden könne.

Vor Gericht erklärte Coskun, dass er eigentlich nichts gegen Muslime habe, dass aber gewisse Verhaltensweisen der Muslime ihn gegen sie aufbrächten: „Ich habe keine Probleme oder Vorurteile gegenüber Muslimen, solange sie keine Gewalt anwenden … Das sind ihre Menschenrechte … Ich bin nur gegen das Denken dieser Menschen, Religiöse, die versuchen, ihre Religion zu verbreiten. Die Grundlage dieser Religion ist dies. Es gibt ein Denken. Dieses Denken stiftet die Menschen schlicht zur Gewalt an. Es veranlasst Menschen dazu, jeden zu vernichten, der nicht so glaubt oder denkt wie sie. Das ist es, wogegen ich bin.“

(Im Original: „I do not have any problem or prejudice against Muslim people so long as they do not use violence … This is their human rights … I am just against thinking of these people, religious trying to spread religion. The base of this religion is this. There is a thinking. That thinking is just inciting people to use violence. It’s causing people to just destroy anyone who does not believe or think in the same way as they do. That’s what I am against.“)

Unklar bleibt in dieser Zusammenfassung des Richters, was laut Coskun die „Menschenrechte“ der Muslime sind. Wohl kaum die Anwendung von Gewalt.

Daneben erläuterte Coskun, was er damit meinte, als er vom Islam als Religion des Terrors oder Terrorismus sprach: „Terroristen sind jene Menschen, die nur den Regeln des Korans folgen, um jeden zu vernichten, der nicht an ihren Weg glaubt. Das ist die Ideologie des Islam. Zuerst dringen sie in ein Gebiet ein, dann werden sie immer mehr. Eine Frau bringt ein Kind zur Welt, bekommt mehr Kinder, so viele, wie sie können, zum Beispiel in anderen Ländern, und sie können nicht warten, und wenn sie größer werden, zerstören sie einfach die anderen. Sie korrumpieren die Besitztümer anderer oder alles, was sie besitzen, und benutzen ihre Kinder als Sklaven. Das ist die Art und Weise, wie der Islam konzipiert ist, nichts anderes. Ich meine, können Sie sich vorstellen, dass ein Buch Pädophilen erlaubt, das zu tun, was sie tun?“

(Original: „Terrorists are people who just follow rules of the Quran book to destroy anyone who do not believe in their own, their way. That’s the ideology of Islam. They initially just invade, then they keep getting more and more of themselves. A woman gives a child, breeds children, as many as they can for example other countries and could not wait and when they got bigger, they just destroy the others. They corrupt other properties or anything that they own and use their children as slaves. I mean that’s the way that Islam is designed, nothing else. I mean can you imagine a book is allowing paedophiles to do what they are doing?“)

Das ist die geballte Ladung und im Grunde schon eine Zusammenfassung der Lage, wie sie auch Cummings gibt. Was der Richter hieraus schloss, war aber nicht die tiefsitzende Abneigung Coskuns gegen das Glaubenssystem des Islams, sondern vor allem gegen dessen Anhänger: „the defendant has a deep-seated hatred of Islam and its followers“. Und so wird Coskuns Islamkritik zur Grundlage für seine Verurteilung. Man kann sich an dieser Stelle wirklich nur sehr wundern. Denn der Richter hat ja im Grunde recht, wenn er schreibt: „Es ist nicht möglich, seine Ansichten über die Religion von seinen Ansichten über deren Anhänger zu trennen.“ Es ist zumindest dann nicht möglich, wenn der Anhänger einer Religion immer ein Fanatiker ist und sich verpflichtet sieht, Geboten, die 1400 Jahre alt sind, heute noch buchstäblich nachzukommen.

Aber Grundlage für das Urteil ist dann doch nicht allein die Islam- und angebliche Muslimkritik Coskuns, sondern vor allem die Provokation von Muslimen, die der Richter offenbar als schlechthin „ordnungswidrig“ (disorderly) ansieht. Das türkische Konsulat war „ein Ort, von dem er gewusst haben muss, dass dort Muslime sein würden“. Daneben sie sei Verbrennen eines Korans zusammen mit dem Satz „Der Koran steht in Flammen“ laut Richter „von Natur aus provokativ“, was man so sehen kann. Schließlich meint er: „Es bestand keine Notwendigkeit, das ‚F‘-Wort zu benutzen und es gegen den Islam zu richten.“

Dem britischen Staat ist es offenbar egal, unter welchen Menschen und bei Anwesenheit welcher Glaubenssysteme er für Ordnung sorgt, doch Ordnung muss eben sein: „Das Ziel des Gesetzes über die öffentliche Ordnung (Public Order Act von 1986) ist, öffentliche Unruhen zu verhindern und öffentliche Versammlungen zu kontrollieren.“ Das Witzige an diesem Gesetz ist, dass es zwar „Diskussionen, Kritik oder Äußerungen von Antipathie, Abneigung, Spott, Beleidigungen oder Beschimpfungen gegenüber bestimmten Religionen“ ausdrücklich straffrei stellt, dann aber wieder jedwedes „ordnungswidrige Verhalten“ (disorderly behaviour) ausschließt.

Dabei gilt aber angeblich: „Die Verbrennung eines religiösen Buches ist nicht zwangsläufig eine Ordnungswidrigkeit, auch wenn sie für manche Menschen anstößig ist.“ In der Urteilsbegründung heißt es außerdem: „Es gibt keine gesetzliche Definition des Begriffs ‚ordnungswidrig‘, er hat seine alltägliche Bedeutung.“ Was das Gesetz nicht erklärt, ist: Wie äußert man eigentlich öffentlich Kritik, wahlweise auch Antipathie oder Spott, Beleidigungen und Beschimpfungen gegenüber einer Religion (was ja alles legal bleiben soll), ohne ein „ordnungswidriges Verhalten“ an den Tag zu legen? Die mögliche Anwesenheit von Muslimen im öffentlichen Raum scheint hier jedwede Provokation unmöglich machen.

Dass Muslime Anstoß an Coskuns Verhalten nahmen, zeigte sich allerdings daran, dass „ein vorbeifahrender Lieferwagenfahrer ihn getreten hat, als er am Boden lag“. Das ist nun schon sehr originell von dieser Urteilsbegründung: Die Gewalttat eines Muslims wird zum Grund für die Anwendung eines Blasphemiegesetzes. Das Blasphemiegesetz wurde wie ein Ei aus dem alten Public Order Act von 1986 gepellt. In seinem Artikel meint Coskun dazu, dass die Ordnungswidrigkeit einer Handlung offenbar nicht mehr vom Verhalten des einzelnen abhänge, sondern davon, „wie beleidigt oder aggressiv ein anderer darauf reagieren möchte“. Das Muster kennt man auch schon von der dänischen „Mohammedkrise“ aus Anlass von zwölf Karikaturen, die die Jyllands-Posten 2005 veröffentlichte: Gewaltsame Proteste von Muslimen in der ganzen Welt waren die Folge. Verschiedentlich wurden dabei auch Christen angegriffen und kamen ums Leben.

Der englische Richter wollte nun Kritik am Islam anscheinend erlauben, aber nur in einem gewissen Rahmen, der die Gefühle von Muslimen nicht beeinträchtigt. Sehr fraglich bleibt, ob dem Richter die Verbrennung des Korans allein ohne Schimpfkanonade besser gefallen hätte. Von der Verteidigung hieß es, dass der Beklagte „das ‚F‘-Wort erst benutzte, nachdem er als ‚fucking idiot‘ bezeichnet worden war“. Er wäre demnach nicht grundlos ausfällig geworden. Aber was sollte das ändern, da hier ein Richter sein Rückgrat verloren hat?

Seine Verteidiger wollten Coskuns Schmähungen zudem als Ausdruck seiner politischen Haltung zum Islam verstehen, sie seien ja nicht an einzelne Muslime gerichtet gewesen, sondern gegen die Religion insgesamt. Doch die „Kombination aus Zeitpunkt und Ort der Tat, die Verbrennung des Buches in Verbindung mit beleidigenden Kommentaren über den Islam“ befriedigten den Richter dahingehend, dass er sich am Ende sicher war, dass Coskuns Verhalten ordnungswidrig war. Der Angeklagte sei „provokant und spöttisch“ gewesen. Und wiederum: Das Verbrennen eines Korans lege es klar darauf an, andere zu provozieren.

Man erkennt also, dass die Bestimmungen des Gesetzes, wonach Religionskritik erlaubt bleiben soll, im Grunde vernichtet werden, geopfert auf dem Altar der verletzten Gefühle von Muslimen. Und das passt eben sehr gut zu Cummings’ größerer Zeitdiagnose, wonach die Vertuschung der grundlegende Charakter des Regimes ist, das heute und schon seit einiger Zeit in Großbritannien herrscht. Vertuscht bis zur Unkenntlichkeit werden auch die Rechte und Freiheiten der Briten, wie sie in ihren Gesetzen noch vorkommen.

In seinem Artikel vertraut uns der Ex-Regierungsberater übrigens noch etwas sehr Unglaubliches an. Eine Anekdote aus Downing Street, könnte man sagen: „Ich habe im Kabinettsbüro gesessen und zugesehen, wie Terroristen, die in Pakistan von Höhle zu Höhle fliehen, über Satellitentelefone Londoner Anwälte anrufen und unter Berufung auf Menschenrechtsgesetze verlangen, dass die britischen Steuerzahler ihnen Millionen geben. Und das Kabinettsbüro sagt, wir müssen sie auszahlen. Und es schickt diese Millionen und stuft das Ganze dann so hoch ein, dass kein Abgeordneter davon erfährt. Diese Fälle werden nicht im Parlament diskutiert. Diese Fälle werden nicht in den Medien besprochen.“

Das erinnert schon ziemlich an die Zusage Johann Wadephuls, dass auch die neue Bundesregierung die mit fragwürdigen Methoden ausgewählten „Afghanen“ einfliegen muss, die die letzte Regierung ihr hinterlassen hat. Und wiederum wird vertuscht, was das Zeug hält.

Cummings legt seinen Finger noch in einige andere Wunden: die raschen Meinungswechsel des „Regimes“ in Sachen Corona – wo er eher ein Hardliner war, der für Effizienz streitet – oder auch Ukraine, dem „Krieg, der niemals hätte passieren müssen“. Dazu schreibt Cummings sehr beredt: „Anfangs hieß es von offizieller Seite, der Krieg in der Ukraine habe nichts mit dem Nato-Beitritt der Ukraine zu tun. Dann hieß es, die Ukraine müsse der Nato beitreten. Zuerst meinte man, der Krieg müsse weitergehen, weil er Russland ausblute, dann wieder, der Krieg müsse weitergehen, weil Russland stärker werde und diese schreckliche Drohnenstreitmacht aufbaue. Sie werden immer effizienter. Also muss der Krieg weitergehen.“

Auch die geplante Zurücknahme des ersten Verfassungszusatzes (vor allem in Betreff der Redefreiheit) durch US-Demokraten wie John Kerry und Hillary Clinton kurz vor der Wahl 2024, hätte wohl niemand vorausgesehen, so Cummings. An diesen Meinungswechseln der führenden Kreise könnte man nun ablesen, dass diese selbst nicht einen gar so klaren Kompass haben. Oder dass sie nicht immer die Wahrheit sagen. Vielleicht auch beides.

Ein Lichtblick am Ende von Cummings’ Text besteht darin, dass die Bürger in den verschiedenen Ländern durchaus die Wirklichkeit hinter diesen Paravents und Sichtschutzmaßnahmen sehen. Und so können sie sich im Grunde schon auf die neue Zeit vorbereiten und dieselbe vielleicht sogar schneller herbeiführen, indem sie sich um die richtige Ausbildung ihrer Kinder kümmern.

Daneben gibt es zwei grundlegende Lichtblicke in der Geschichte in Anlehnung an Tolstois Krieg und Frieden. Zum einen wirken ohnehin „die unerbittlichen Kräfte der Geschichte“, die bald aufeinanderprallen und aneinander zerschellen. Und so wäre nicht wichtig, was einzelne Menschen (auch einzelne Regierungen) tun. Zum anderen kann aber manchmal „das, was eine Person denkt und tut, einen großen Einfluss auf das Geschehen haben“. Und diese beiden Dinge seien gleichzeitig wahr.

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