Unterwegs im deutsch-polnischen Grenzgebiet: Wie eine polnische Patrouille den Kampf gegen illegale Migration selbst in die Hand

vor etwa 6 Stunden

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Im nächtlichen Dunkel des polnischen Waldes herrscht bis auf das Knacken der Äste unter den Füßen fast vollständige Stille. Die Luft ist frisch und hat sich in den Abendstunden auf 14 Grad abgekühlt. Die Lichtkegel der Taschenlampen scannen abseits des Forstweges Baum für Baum, bis zwei von ihnen plötzlich ausscheren. Zusammen mit einem weiteren selbsternannten Grenzschützer nähert sich Milan über eine kleine Anhöhe seinem Ziel: einer wohl migrantischen Notunterkunft mitten im Wald.

Eine Rettungsdecke, gesammelte Äste, Moos und Müll: Viel ist es nicht, was vermutlich Migranten bei ihrem nächtlichen Aufenthalt im Grenzgebiet zwischen Deutschland und Polen hinterlassen haben. Doch Funde wie dieser seien an der Tagesordnung, sagt Milan, der aus Anonymitätsgründen nicht nur sein Gesicht mit einer Sturmhaube verdeckt, sondern auch seinen Nachnamen nicht offenlegen möchte.

Die Überreste des nächtlichen Lagers

Er ist einer der privaten Grenzschützer, die sich im Zuge der „Ruch Obrony Granic“ (zu Deutsch: Bewegung zum Schutz der Grenzen) seit einigen Wochen überall an den Staatsgrenzen zu Deutschland und Litauen versammeln – in seinem Fall bei dem kleinen polnischen Dorf Lubiszyn in der Nähe von Stettin. Sie beobachten laut eigener Aussage nicht nur das Vorgehen der eigenen Grenzbeamten, sondern unterstützen diese ebenso dabei, illegale Migranten in den Wäldern aufzuspüren.

Im Gegensatz zu vielen Aufnahmen der Grenzpatrouillen im Netz, setzt sich die Gruppe in Lubiszyn nicht aus Fußballhooligans zusammen, im Gegenteil: Am Grenzübergang finden sich immer wieder neue Gesichter ein, selbst kleine Kinder sind vor Ort. Während es den Tag nicht selten ältere Menschen sind, die sich am Lager aufhalten, patrouilliert in der Nacht vor allem die junge Generation.

Milan (rechts), mit den Kollegen der Patrouille

Die Situation scheint zu verbinden: An den Patrouillen sei nahezu das ganze Dorf mit beteiligt, sagt Milan. Nicht nur durch eigene Patrouillengänge, sondern auch durch Essen oder Getränke, die für die Helfer bereitgestellt werden. Das kleine Camp direkt am Kontrollposten der polnischen Grenzbeamten erweckt den Eindruck: Die privaten Patrouillen sind gekommen, um zu bleiben. Unter einem kleinen, weißen Pavillon finden sich Stühle, Schlafmöglichkeiten und Verpflegung, zusätzlich wurden zwei kleinere Zelte aufgebaut.

Milan selbst ist gerade einmal volljährig, noch Schüler und kann dank aktueller Sommerferien in Polen auch bis tief in die Nacht an den Patrouillen teilnehmen, die in kleineren Gruppen von drei bis vier Personen durchgeführt werden. Doch warum sollte das ein Jugendlicher in seinem Alter überhaupt tun?

Laut dem 18-jährigen Patrioten möchte er mit seiner Arbeit dazu beitragen, dass sich die Bürger seines Ortes nicht fürchten müssen, wenn sie sich auf der Straße bewegen. Er und andere Grenzschützer betonten immer wieder, dass sie mit dem deutschen Nachbar an sich keine Probleme hätten. Im Gegenteil: Es sei schade, dass eine historische Verbundenheit nun unter den Kontrollen leide. Vielmehr ist es ein Signal an deutsche Politiker: nicht mit uns! Was jedoch auch deutlich wird: Der Unmut begann für die meisten nicht mit dem neuen Kanzler Friedrich Merz. Die Wunden liegen tiefer.

Immer wieder fällt in Gesprächen der Name Angela Merkel und das Jahr 2015. Noch immer wird der ehemaligen Bundeskanzlerin vorgeworfen, zum damaligen Zeitpunkt die Grenzen geöffnet zu haben und damit den Grundstein für die heutige Migrationskrise gelegt zu haben. Man wolle schlicht keine Verhältnisse wie in anderen europäischen Staaten berichten die Amateur-Grenzer. Als Beispiele werden Frankreich, Schweden, Belgien oder auch Deutschland genannt. Viele sorgen sich um die eigene nationale Identität und darum, langsam, aber sicher, die Art des gesellschaftlichen Miteinanders aufzugeben.

Wird von vielen für das heutige Migrationschaos verantwortlich gemacht: Ex-Kanzlerin Angela Merkel

Denn: Seitdem Innenminister Alexander Dobrindt auf deutscher Seite vermehrt auf Grenzkontrollen setzt, müssen sich die Polen nun mit den zurückgewiesenen Migranten auseinandersetzen. Wie mir ein deutscher Polizist verrät, seien die Rückführungen immer mit den polnischen Behörden abgesprochen. In einigen Fällen sei es jedoch auch schon vorgekommen, dass man von polnischer Seite nicht zur Rücknahme bereit gewesen sei. Was dann passiert?

In den sozialen Medien kursieren dutzende Videos, auf denen die deutsche Polizei bei dem Versuch gesichtet worden sein soll, Migranten an unbehelligten Orten im Wald und auf Wiesen auszusetzen – auf polnischem Gebiet eigentlich illegal. Dass die Migranten danach erneut von den polnischen Behörden aufgegriffen werden: nicht unwahrscheinlich. Migrations-Ping-Pong scheint kein unpassender Begriff zu sein, um das Dilemma zu beschreiben.

Dass die Patrouillen in Lubiszyn Personen im Wald aufgreifen, komme aber selten vor. Oft können die Grenzer nur die Überreste und Zerstörungen der nächtlichen Ausflüge feststellen – und sich mit einfachen Mitteln wehren. Ein Drahtzaun, der schon häufiger von Migranten zerschnitten worden sei, erhielt so erst jüngst ein neues Schloss. Sollte es aber doch vorkommen, dass die Grenzer einen illegalen Migranten im Wald entdecken, melden Sie diesen bei den regulären Einsatzkräften. Eine Bemächtigung, die Migranten zurückzusenden oder gar in Gewahrsam zu nehmen, haben sie selbstverständlich nicht. Und das sei auch nicht die Absicht, versichern mir die Grenzwächter.

Vernetzt sind die Privatpersonen über lokale Facebookgruppen, in denen ein reger Austausch zur Grenzarbeit stattfindet. Auch während der Tour verbreiten sich dort Neuigkeiten: In der Nähe sollen sich illegale Migranten bewegen. Zu finden seien die aber auch bei so einer heißen Spur nicht leicht. Logisch: Sehen die Migranten aus der Ferne die Lichtkegel der Taschenlampen, legen sie sich geräuschlos auf den Waldboden und verharren, bis die Gefahr gebannt sei, sagt Milan.

Die einzigen Menschen, die man in dieser Nacht noch antrifft, sind entweder polnische Polizisten oder Militärs. Dort, wo man sie nicht vermutet hätte, an schmalen Waldwegen oder weiten Feldern. Von einer derartigen Präsenz kann auf deutscher Seite nicht die Rede sein.

Polnische Militärs kontrollieren ebenso im Wald

Mögliche Eindringlinge bleiben in dieser Nacht aber auch auf polnischer Seite unentdeckt, die Patrouille ist um vier Uhr beendet. Es geht zurück zum Stützpunkt, wo Zelt und Schlafsäcke auf die Grenzwächter warten. Die polnischen Beamten stehen dort auch um diese Uhrzeit noch vor ihren Fahrzeugen, während es sich die Polizisten des einzelnen Kastenwagens auf deutscher Seite lieber im Inneren bequem machen. Ein schwarzer Transporter mit getönten Scheiben fährt derweil unbehelligt über die deutsche Grenze. Ein Sinnbild für den Irrsinn der Kontrollen.

Auch bei NIUS: Das Problem ist die „grüne Grenze“: Mit diesen Maßnahmen könnte die illegale Migration beendet werden

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