Milliardär Arnault bricht das Schweigen im Handelsstreit mit Trump

vor 8 Tagen

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Bildquelle: Tichys Einblick

Es geschieht selten, dass europäische Top-Unternehmer oder CEOs in den politischen Diskurs eingreifen. Umso bemerkenswerter ist die harsche Intervention des reichsten Europäers im Handelsstreit zwischen der EU und der Trump-Regierung. In einer Rede anlässlich der Aktionärsversammlung von LVMH in Paris am Donnerstag, sparte CEO Bernard Arnault nicht mit Kritik am Brüsseler Bürokratenapparat. Einzelne Staaten der EU sollten mit den USA über die Zollpolitik verhandeln, so der Unternehmer, der bekannt wurde durch Marken wie Louis Vuitton oder Moët & Chandon. Arnault kritisierte fehlende Verhandlungskompetenz in Reihen der EU-Bürokratie – ein vernichtendes Zeugnis, geriert man sich gerade dort gern als europäische Chefdiplomaten.

Bilateralismus statt Zentralsteuerung? Die Forderung Arnaults verströmt den Odor von Revolte, herrscht doch sonst eisernes Schweigen im Unternehmerlager, geht es um Angelegenheiten der EU. In Brüssel sollten spätestens jetzt Alarmsirenen schrillen. Zu lange hat man die Kritik der Wirtschaft verworfen und sie mit Subventionen zerstreut. Kam es hart auf hart, delegitimiert man sie mit Alarmismus im Klimakampf. Die Grenzziehung war eindeutig: bis hierhin und nicht weiter! Brüssel gibt die ideologische Richtung vor, Kritik an der grünen Transformation oder an außenpolitischen Grundsatzentscheidungen ist nicht erwünscht.

Überschritt Arnault mit seiner Kritik also den Rubikon? Ein „Coming Out“ inmitten des emotional aufgeladenen Krachs zwischen den USA und der EU ist kein Schuss aus der Hüfte. Es handelt sich um die wohlüberlegten Worte eines Mannes, der global bestens vernetzt ist, der sich seiner Unterstützung in der Wirtschaftselite vergewissert haben wird, bevor er ans Mikrofon trat. Und er liegt mit seiner Kritik an der Überbürokratisierung richtig. Als Unternehmer und Investor hat Arnault die Regulierungswut und den ideologischen Kampf Brüssels gegen die Privatwirtschaft seit Jahrzehnten am eigenen Leib erfahren. Das macht ihn zu einem glaubwürdigen Anwalt im Kampf um eine ordnungspolitische Wende in Europa.

Wir können davon ausgehen, dass er als Eisbrecher für weitere Vorstöße aus dem Unternehmerlager auftrat. Arnault zeichnete ein realistisches Bild der wirtschaftlichen Lage und drohte offen mit Verlagerung seiner Firmen, sollten die Verhandlungen mit den USA scheitern. Besonders pikant für Brüssel fiel die Kritik am Bürokratismus der EU und seiner repressiven Wirtschaftspolitik aus – ein Novum im politischen Diskurs zwischen EU-Eliten und der Wirtschaft.

Hier herrschte bis zum Zollhammer der Trump-Regierung dröhnendes Schweigen. Wenn es Trumps Plan ist, den europäischen Protektionismus mit maximalem Zolldruck zu brechen, hat er den Hebel an der richtigen Stelle angesetzt: Mit einem Sonderzoll von 25 % auf den Import von Automobilen aus der EU steht nun Berlin unter Zugzwang. Der deutsche Industriestandort leidet seit Jahren unter dem Regulierungsdiktat der EU und der katastrophalen Energiepolitik Berlins. Sein Automobilsektor gab mit etwa 1,8 Millionen direkt und indirekt Beschäftigen den Herzschlag der gesamten Ökonomie vor. Und gerade dieses Filetstück europäischer Industrie geriet immer wieder in das Fadenkreuz der Klimaregulierer, die mit dem Verbot des Verbrennermotors wissentlich europäische Produktionskapazitäten nach China verdrängen. Wir können also nach Arnaults Vorstoß mit einer Welle koordinierter Kritik aus den Reihen deutscher Autobauer rechnen. Brüssels Schlingerkurs in der Frage der Zukunft des Verbrennermotors ist das untrügliche Zeichen, dass der Druck auf die Politik wächst, zur wirtschaftspolitischen Vernunft zurückzukehren. Es muss wieder gelten: Privat vor Staat!

Der freie Markt bleibt in Europa ein Traum weniger. Mächtige Lobbys wie die französische Agrarindustrie haben sich mit dem Staat verflochten und ersticken jeden Fortschritt. Das Desaster des MERCOSUR-Abkommens ist ein Musterbeispiel: Nach jahrelangen Verhandlungen mit Südamerika scheiterte Brüssel 2024 am Veto der französischen Bauernlobby, die ihre Privilegien schützte. Dieses Fiasko zeigt: In Europa ist Freihandel ein Lippenbekenntnis, kein Ziel. Der Wunsch nach Regulierung und Kontrolle privatwirtschaftlicher Aktivitäten ist tief in die DNA europäischer Wirtschaftspolitik verpflanzt und sie wird nun offen kritisiert – eine neue Erfahrung für Politiker wie Ursula von der Leyen, die sich zu selten Kritik aus der Wirtschaft stellen mussten.

Umso schwerer wiegt die Kampfansage Arnaults. Der EU fehlende Verhandlungskompetenz vorzuhalten, ist eine höfliche Form, die Bürokraten aus dem Verhandlungsraum zu bitten und künftig Staatsmännern das politische Geschäft anzuvertrauen. Verhandlungsgeschick und Diplomatie sind unverzichtbare Ingredienzien zur Lösung der wirtschaftlichen Krise mit den USA, die längst zu einer diplomatischen Krise wurde. Das wissen die Firmenchefs internationaler Konzerne mit Blick auf das Tagesgeschäft besser als politische Funktionäre.

Verhandlungskompetenz ist Europas Achillesferse. Neben dem Handelsstreit mit den USA brennt die Energiepolitik lichterloh: 57% des Energiebedarfs importiert die EU, doch der Traum einer staatlich orchestrierten Klimawirtschaft erstickt im Subventions- und Bürokratiechaos. Um das Embargo günstigen russischen Gases abzufedern, braucht es strategische Energiepartnerschaften – verhandelt mit Pragmatismus, nicht mit Brüssels herrschaftlichem Diktat. Nur so kann Europa seine geopolitische Schwäche kompensieren und steigende Energiekosten abmildern. Die Europäer werden sich darauf einstellen müssen, dass Energie tendenziell teurer wird, da ihre geopolitische Macht angesichts der wirtschaftlichen Schwäche schwindet.

Ist Bernard Arnault mit seiner Rede am Donnerstag ein großer Wurf gelungen? Ruckreden haben bekanntlich ihre Tücken. Sie verwehen schnell in den Wellenschlägen der schnelllebigen Informationsflut. Gerade die Deutschen sollten sich dessen erinnern, war es doch die medial zelebrierte Ruckrede des ehemaligen Bundespräsidenten Roman Herzog, der 1997 einen neuen Geist im Umgang mit der Wirtschaftskrise der 1990er Jahre anmahnte. Sie zerstreute sich über die Zeit in den Feuilletons und erreichte nie ihr anvisiertes Ziel: sich in tatsächliches Handeln zu übersetzen. Die Wirtschaftselite hatte diesen wichtigen Weckruf verschlafen und es versäumt, eine Hinwendung zu mehr unternehmerischer Freiheit, offenen Märkten und individueller Verantwortung einzufordern. Man hätte Herzogs Worten diese Metawerte entnehmen können, wäre man nicht unmittelbar zur Tagesordnung zurückgekehrt.

Ein freier Markt wäre auch heute Europas Ausweg. Die Abschaffung protektionistischer Barrieren würde Unternehmen wie LVMH oder deutschen Autobauern neue Märkte eröffnen. Sie würde den Wettbewerb intensivieren, Investitionen anlocken und käme letztlich dem Verbraucher zugute. Arnaults Forderung nach nationalen Verhandlungen könnte diesen Wandel beschleunigen, da Länder wie Deutschland gezielt auf US-Zölle reagieren könnten, ohne in EU-internen Konflikten wie beim Mercosur-Deal an den Rand gedrängt zu werden.

Trumps Zollpolitik ist geopolitisch motiviert und soll Handelspartner aus der protektionistischen Festung herauslocken. Dies scheint zu funktionieren. Immerhin hat Brüssel zunächst das Bürokratenmonster „Lieferkettengesetz“ auf Eis gelegt. Eine Reduktion der Zölle wurde ebenfalls in den Raum gestellt. Das wäre ein vielversprechender Anfang, den man in Washington sicherlich goutieren würde. Die Europäer müssen lernen, dass sie nicht mehr in der Position sind, Regeln und Standards in der sich wandelnden Weltökonomie zu diktieren. Ihr Beharren auf einen längst versunkenen status quo ante wird ihren Einfluss zwischen den Machtinteressen Chinas und den USA politisch weiter dezimieren. Es ist Zeit, dass die europäische Wirtschaftselite ihren Einfluss geltend macht und die Agonie des Bürokratismus überwindet.

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