
Die Schlagzeilen wirken wie aus einem andren Jahrhundert und sind gerade vier Wochen alt: Erinnern Sie sich noch an das Getöse, das um die große Hitze gemacht wurde? Den Dürretod, der schon an die Tür klopfte? Hitzeschutzpläne wurden ausgerollt und jede Menge guter Tipps gegeben: mehr trinken, Schatten aufsuchen. Nur bitte keine Klimaanlage! Es waren ein paar heiße Tage.
„Früher nannte man das Sommer“ – wäre das nicht ein Liedtitel für Vicky Leandros, die singende Oma gegen Rechts? Jetzt ist das Wetter durchwachsen. Fast jeden Tag Regen, manchmal Sonnenschein, und ein leichter Pulli muss griffbereit sein. Dafür rasen die dem Hitzetod Entronnenen in den Süden; Spanien, Griechenland, Italien. Es sind Hitzesucher, denen die Tagesschau und das Heute-Journal Hitze-Warnungen hinterhersenden.
Der Hitzetod lauert zwar nicht in Deutschland, aber dort, wo ihn die Gäste suchen. Am Strand des Mittelmeers zum Beispiel. Man könnte es Schizophrenie nennen: Die Urlauber suchen genau das, vor dem sie gewarnt werden und was in Deutschland einfach nicht eintreten will. Die ganz große Hitze. Werden die Hitzschutzräume in Deutschland eigentlich beheizt?
Realität und polit-mediale Phantasien klaffen wohl nirgends so weit auseinander. Die medial vermittelte Realität ist eine Konstruktion, eine Erfindung, die mit der Lebenswirklichkeit rein gar nichts mehr zu tun hat. Und es fällt den Redaktionsphantasten und Ministerialbeamten gar nicht mehr auf wie lächerlich ihre Hitzeschutzplanschmiederei ist. Den irrsten Vogel hat t-online abgeschossen. „Dieser Hitzesommer tarnt sich gut“, warnt uns das Portal. „Meteorologen haben einen Sommer der Hitzerekorde vorausgesagt. Wer aus dem Fenster schaut, zweifelt daran. Doch die Wetterdaten zeigen ein anderes Bild.“ Bitte glauben Sie nicht, was Sie sehen oder fühlen, heißt das übersetzt. Wenn Sie frieren, ist es Hitze. Wenn Sie schwitzen, dann erst recht. Wenn es regnet – ist es Sonnenschein, glühender. Vertrauen Sie nicht ihren eigenen Augen. Es ist ein Täuschung. Der Hitzeschock tarnt sich gut und ist bereit zuzuschlagen, zum Beispiel sobald Sie die Kühlschranktüre öffnen. Man hat es als Spötter heute wirklich nicht mehr leicht und wird vom freilaufenden Irrsinn überholt. Sie klauen einem die Gags. Nur meinen sie es bitter ernst.
Wer durch eine deutsche Mittel- oder Großstadt fährt, steht vor einer Baustelle nach der nächsten. Überall rot-weiße Absperrgitter. Bauarbeiter sind in der Regel nirgends zu sehen – weder während der Arbeitszeit, auch nicht in der Urlaubszeit. Stillstand ist ein Meister aus Deutschland. Danach sind die Straßen dann mit roten Fahrradwegen blockiert, der Stau bleibt. Wer will das eigentlich? Ich kenne keinen. Politik ist das, was über uns kommt wie der tägliche Sommerregen.
Eine seltsame Stille liegt über dem Land. Sie erinnert mich an die letzten Monate der DDR: Alles steht und wartet auf etwas Unbestimmtes. Was ist es? Der getarnte Hitzeschock? Vielleicht der Einbruch der Realität ins Reich der grünen Träume? Wir haben ja gewählt, aber es hat sich nichts verändert. Den Satz: „Wenn Wahlen etwas ändern könnten, wären sie schon längst verboten“ habe ich als unerlaubten Defätismus und Delegitimierung des Staates immer abgelehnt.
Jetzt erfahren ihn selbst die Bundestagsabgeordneten als bittere Realität. Sie sind zwar gewählt worden, aber die die wichtigste Entscheidung die Abschaffung der Schuldenbremse – hat der abgewählte Bundestag noch schnell an ihrer Stelle getroffen. Und jetzt haben sich einige CDU-Abgeordnete erfrecht und wollen nicht wie vorgeschrieben zwei schräge Juristinnen zu Vollzugsrichtern des SPD-Willens wählen. Sie wollen einfach nicht. Da hat aber Kanzleramtschef Thorsten Frei schon ein Rezept parat. Dann werden die Sozi-Richterinnen eben vom Bundesrat gewählt. Aber selbstverständlich schaffen wir den Bundestag nicht ab. Wir befragen ihn einfach nicht mehr.
Ich bin übrigens für die beiden Richterinnen. Die werden dann die AfD verbieten und wir können uns diesen Wahlzirkus einfach sparen. Denken Sie daran, wieviel Bäume sterben müssen für diese überflüssigen Wahlzettel! In Mainz dürfen schon Kindergartenkinder nur limitiert malen und zeichnen, damit bloß keine Bäume sterben. Nehmen wir uns daran ein Beispiel und sparen wir uns diese Verzettelung bei den Wahlen. Eine Partei reicht, finde ich – und grün sind sie ja auch (fast) alle.
Und während wir in Urlaub sind oder waren, geschieht, was jeder schon vorher wusste. Es bleibt nicht bei 850 Milliarden zusätzlicher Staatsschulden. Es werden wohl 1.000 Milliarden. „Jetzt ist es sogar eine Billion neuen Schulden, die aufgenommen werden sollen. Wann wachen die Verantwortlichen eigentlich endlich auf? Statt Schuldenbremse zu reformieren, brauchen wir dringend Reformen, die die Finanzlücke reduzieren.“ Das schreibt die Wirtschaftsweise Veronika Grimm. Jetzt versteht man, warum die anderen fünf Weisen sie seit drei Jahren schon aus dem Gremium entfernen wollen. Immer diese Nörgelei. Nichts kann man den Leuten recht machen. Zu heiß, zu kalt, zu viele Schulden, zu wenig Geld. Sollen sich die Leute doch daran gewöhnen, dass ihr Geld nicht weg ist. Es hat nur ein anderer. Nämlich der Finanzminister, und der reicht es gleich weiter an die Banken. Da ist es bekanntlich besonders gut aufgehoben. Jedenfalls besser, als wenn sie es im Urlaub ausgeben. Damit Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung nicht komplett kollabieren, komme es auf „Anstrengungen von uns allen“ an.“ Sagt der neue Bundeskanzler.
Schaut man sich die Zahlen an, kann es schon so sein. Aber wer glaubt schon Zahlen, wenn man sie wegreden kann. 100 Milliarden zusätzliche Investitionen haben deutsche Großkonzerne dem Kanzler als Extra-Investitionen in die Hand versprochen. Das ist die Wende, jubelt der. In derselben Woche hat ZF Friedrichshafen den Abbau von 4.500 Arbeitsplätze im arbeitsplatzreichen Saarland beschlossen. Also, nicht den Abbau. Die Verlagerung nach Ungarn. Ausgerechnet nach Ungarn! Wo doch dort nichts funktioniert mit Demokratie und so. Bosch baut rund um Stuttgart Tausend Jobs weg, Porsche schlingert und schleudert durch die Rote Kurve. Intel sagt die 10-Milliarden-Chipfabrik in Magdeburg ab. Das Kanzlerwort von den 100 Milliarden ist schon beim Aussprechen überholt; das ist nun wirklich nichts Neues. Das wird auch nach dem Urlaub so sein, also lassen wir das Thema.
Aber natürlich braucht der Staat mehr Geld, viel, viel mehr Geld. Vor allem von uns. Er packt ja die Dinge jetzt scharf an. Innenminister Alexander Dobrindt läßt 86 Afghanen ausfliegen, die es allesamt als Mörder, Diebe und Vergewaltiger nicht vermeiden konnten, gefaßt zu werden. Das ist bei unserer Wegschau-Polizei schon eine seltene Dummheit, die jede Abschiebung zwingend erforderlich macht. Beim Abschied bekommen die ausgeflogenen Afghanen noch 1.000 Euro Handgeld pro Person. Gleichzeitig läßt Außenminister Wadepfuhl 2.500 Afghanen einfliegen. Seit Mai kamen über Griechenland 8.000 Afghanen, die bereits dort Asyl beantragt hatten. Wenigstens wird Dobrindt nicht arbeitslos. Bis er alle Wadepfuhl-Afghanen abgeschoben hat, ist die Legislaturperiode rechnerisch längst zu Ende. Und aller Voraussicht nach sind dann die 86-Dobrindt-Abgeschobenen auch wieder da. Bleiben Sie also ruhig noch im Urlaub. Es ändert sich nichts, bis Sie zurückkommen.
Halt, doch! Deutschland bewegt sich. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann hat Reformen für Rentenversicherung und Bürgergeld angekündigt, die sich „gewaschen“ haben. Bei der Rentenversicherung dürfen künftig Rentner 2.000,– € steuerfrei dazu verdienen, ehe sie dann über den geplanten „Alters-Soli“ wieder zur Abgabe gezwungen werden. Aber vielleicht reicht es ja für einen Kurzurlaub im Schatten der Windräder an Nord- und Ostsee. Und das Bürgergeld hat die SPD für sakrosankt erklärt, obwohl nach Berechnungen von TE bis zu rund 80 % eine Art Neubürgergeld sind, von dem unsereins nichts abkriegt. Im Salzburgischen gibt es übrigens den Begriff „Stierwascher“. Weil die Salzburger bei einer Belagerung ihren letzten Stier immer neu bemalt und dem Feind zur Schau gestellt haben sollen. Heute nennt man einen Stierwascher einen Betrüger.
Vor genau 20 Jahren wurde das Schloss Bellevue in Berlin renoviert, damit es als Amtssitz des Bundespräsidenten taugt – Kosten: 24 Millionen.
Jetzt ist es schon wieder renovierungsbedürftig.
Nun kostet der Spaß mit dem Schloss allerdings zwischen 500 Millionen und einer Milliarde. Genau weiß das keiner der vielen Beamten in Berlin.
Und weil dem Bundespräsidenten nicht zumutbar ist, in das noch vorhandene frühere Palais Schaumburg in Bonn umzuziehen während der Umbauten, wie Vorvorgänger Horst Köhler, wird extra für Frank Walter Steinmeier ein riesiges Holzschloss errichtet. Richtig, ein Holzschloss. 200 Millionen kostet das. Wenn dann Steinmeier in sein richtiges Schloss zurückzieht, oder sein Nach-Nachfolger, momentan wird da Frau Aiwanger gehandelt, sollen zusätzliche Beamte in das Holzschloss einziehen. Wobei: Vermutlich muss es vorher erst mal renoviert werden, denn so ein Präsident wohnt so ein Holzschloss ja schnell ab. Das dauert keine 20 Jahre, diesmal.
Nebenan entsteht die größte Regierungszentrale der Welt, der Anbau des auch gerade 20 Jahre alten Kanzleramts. Auch das muss größer und schöner werden, mehr Platz für die vielen, vielen neuen Beamten im Staatsapparat schaffen – auch eine Milliarde.
Gleichzeitig wird die Bevölkerung künftig von der grünen Lunge der Berliner Innenstadt ausgesperrt.
Ein neues Versailles entsteht.
Aber denken Sie daran: Das Schloss von Versailles ist eine Touristen-Attraktion. Werden also die Schlösser von Berlin auch so eine Attraktion? Vielleicht ist es schon in 30 Jahren so weit. Dann soll ja auch das Bode-Museum in Berlin wieder eröffnet werden. Dann lohnt sich dann eine Fahrt nach Berlin wieder. Allerdings setzen Sie nicht auf ihr Auto, das wird bis dahin als Suchtmittel so verboten sein wie früher Cannabis. Die Berliner Verkehrsbetriebe stehen bereit. Buchstäblich. Die haben ihre Bahnhöfe mit Regenbogenfarben geschmückt und sind stolz auf diese „Haltung“, wie das Unternehmen erklärt. Es fährt praktisch kein Zug, kein Bus und keine Bahn mehr pünktlich. Aber Regenbogen muss sein. Und in Haltung steckt bekanntlich „Halt“ drin.
Bleiben Sie also ruhig noch in der Hitze. In Deutschland ist es nur kalt. Und alles bleibt auf Halt.