Machtdemonstration und Inszenierung: Die Geiselübergabe durch die Hamas

vor 3 Monaten

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Bildquelle: Tichys Einblick

Wenn man die Frage beantworten möchte, wie es der Hamas und den Palästinensern gelingt, das Land, das sie pausenlos attackieren, als Aggressor darzustellen, muss man die Verantwortung dafür auch in der westlichen Welt suchen.

Deren Hang, arabische Völker als primitive Wilde zu betrachten, die zu strategischem Handeln nicht in der Lage seien, steht im Gegensatz zur positiven wie negativen Charakterisierung des jüdischen Volkes, das zum einen als besonders begabt, erfolgreich und innovativ, in der antisemitischen Lesart dann als besonders verschlagen und intrigant betrachtet wird, und das zudem als eine Art Außenposten des Westens, als Mündel der USA wahrgenommen wird. Das bedeutet, dass all die negative Voreingenommenheit, die der Westen gegenüber sich selbst empfindet, auf Israel projiziert wird: Israel, der Kriegstreiber, Israel, der Intrigant, Israel, der koloniale Apartheidsstaat, und so weiter.

Zugleich gelten die hohen Standards, die westliche Eliten an die Zivilisation anlegen, gleichfalls nur für Israel. Von zwei Seiten in die Zange genommen, bleibt dem Staat nur eine Position der Stärke, selbst da, wo sie Übermenschliches verlangt: Während die eigenen Kinder massakriert, die jungen Frauen entführt und vergewaltigt werden, muss Israel bei allem Schmerz einen kühlen Kopf bewahren, weil jeder Fehltritt eines seiner Soldaten, jedes Kriegsverbrechen, jede Brutalität um ein Vielfaches ausgeschlachtet würde, während man ebensolche oder grausamere Greuel auf Seiten der Palästinenser nicht weiter beunruhigend findet: Dort sind sie schließlich „normal“, was soll man von diesen armen wilden Arabern schon erwarten?

In dieser Gemengelage können sich die Palästinenser wieder und wieder als Opfer inszenieren, ohne dass jemandem auffiele, wie wohlüberlegt die Narrative sind, die sie konstruieren, wie berechnend ihr Vorgehen.

Da ist zum einen der Psychoterror, den die Hamas gegenüber einem ganzen Volk ausübt: Welche der Geiseln leben noch, welche werden nur noch als Leichen überführt werden? Hier übrigens findet ohne viel Aufhebens eine sprachliche Umdefinierung statt: Es gehört zu den Eigenschaften einer Geisel, lebendig zu sein, sonst ist sie keine Geisel mehr. Einem ordinären Bankräuber nutzt die Geisel nur, weil sie lebendig ist. Es gehört zu den Privilegien der Hamas, noch mit leblosen Körpern von Juden deren Mörder freipressen zu können.

90 Terroristen, Mörder, Gewalttäter muss Israel wieder auf sich selbst loslassen, damit drei Frauen in die Arme ihrer Angehörigen geschlossen werden können. Wenn alles „gut“ geht, werden es am Ende fast zweitausend Häftlinge sein, die Israel auf freien Fuß setzen wird; für dreiundreißig Geiseln. Als „Gefangene“, ja, sogar als „Geiseln“ werden diese Terroristen von der internationalen Presse bezeichnet – so als ob irgendeine Parallele bestünde zwischen ihnen und den von der Hamas entführten Israelis. Und wer in den Datenbanken von Bildagenturen „Hamas, Gaza“ eingibt, der muss sich seitenweise durch Bilder von zerstörten Häusern klicken, bevor ihm, wenn überhaupt, das wahre Gesicht Gazas zugemutet wird: Die vermummten Terroristen, die johlende Menge.

Die Perversität dieses Vorgangs, die Unverfrorenheit dieser Lügen spottet jeder Beschreibung und ist mit Worten nicht mehr fassbar:

Lebt Kfir Bibas noch, der kürzlich seinen zweiten Geburtstag als Gefangener der Hamas erlebt haben könnte? Was ist mit seinem fünfjährigen Bruder, was ist mit seiner Mutter?

Bedenkt man, wie desinteressiert die deutsche Politik und die deutsche Öffentlichkeit am Schicksal der Deutschen waren, die am 7. Oktober ermordet oder entführt wurden, wird ersichtlich, dass die Belastung, die das Bangen um die Geiseln für Israelis bedeutet, hierzulande schlicht nicht nachempfunden werden kann. Die deutsche Verantwortungslosigkeit gegenüber den eigenen Staatsbürgern und die Gefühlskälte gegenüber den Angehörigen des eigenen Volkes sind immens.

Der Vorteil dieser emotionalen Blockade ist allerding, nebenbei bemerkt, dass eine Organisation wie die Hamas an Deutschen niemals derartige kollektive psychische Folter verüben könnte, wie sie es gerade am israelischen Volk vorexerziert.

Annalena Baerbock bezeichnet den Waffenstillstand – gegen dessen Bedingungen die Hamas sofort verstieß, um ihre Macht zu demonstrieren – als „Aufatmen“: Während Israel den Atem anhält in der Ungewissheit um das Schicksal seiner Gefangenen.

Hinhalten, Hinauszögern, Zweifel und Verzweiflung säen – Anhänger einer lebensverachtenden Weltanschauung quälen ein Volk, dessen Religion nichts so hoch schätzt wie das Leben.

Sodann die ikonischen Bilder: Der Hamasterrorist auf dem Wagen des Roten Kreuzes – es soll kein Zweifel daran bestehen, wer hier bis zuletzt die Kontrolle ausübt. Die drei kleinen Frauen als Treibgut in einem schwarz-grünen Meer aus vermummten Terroristen; dahinter die johlende Menge, die die Frauen ohne Zweifel lynchen würde, würden sie nicht ausgerechnet von ihren Peinigern „geschützt“. Vergessen wir nicht: Das sind die friedfertigen Zivilisten, deren Krankenhäuser Israel bombardiert hat – weil sie von Terroristen als Stützpunkte genutzt wurden, aber das ist ja vernachlässigbar.

Eine Machtinszenierung, die zwar gekonnt, letztlich aber auch absurd ist: Die Hamas entblödet sich nicht, die Mär von dem ausschließlich von unschuldigen, hungernden und frierenden, in jedem Fall aber friedliebenden Zivilisten bewohnten Gazastreifen als Lüge zu entlarven. Sie riskiert damit nichts, weil im rechten Augenblick immer ein arabischer „Journalist“ zur Stelle sein wird, um ein kleines Mädchen abzulichten, und die westlichen Medien werden beispringen, um der Weltöffentlichkeit die Bilder zu geben, die sie sehen möchte und konzeptuell zu verarbeiten mag.

Dann die zur Schau gestellte Stärke: Was kostet es denn, drei Frauen einzuschüchtern? Dank der israelischen Streitkräfte ist die Hamas gerade noch genau dazu in der Lage, Wehrlose zu malträtieren. Auf jedem Schulhof gilt jener, der Mädchen schlägt, als Schwächling. Die Hamas besteht aus solchen Schwächlingen, die Feigheit als Heldenmut deklarieren. Und die Weltöffentlichkeit wird ihnen auch dies durchgehen lassen.

Sie kann es sich leisten. Denn an der Front stehen ja israelische Soldaten, um dafür zu sorgen, dass die unverhohlene Drohung, die diese Bilder aussenden, nicht Realität wird: „Es gibt keinen Gott außer Allah, und Muhammad ist sein Prophet“, steht auf den grünen Stirnbändern der Terroristen.

Sie geben sich nicht einmal Mühe, ihren Djihad als Freiheitskampf zu tarnen – auch das übernehmen schließlich hilfreiche Geister aus dem Westen für sie. Aber wer diese Stirnbänder sieht, weiß, dass in London, Berlin und Paris Tausende dazu bereit wären, für diesen Vers einzustehen, wenn sie dazu aufgerufen werden, und dass Hunderttausende nicht anders könnten, als sich ihm zumindest unterzuordnen.

Niemand sollte glauben, dass jene, die drei jüdische Geiseln so behandeln, mit Christen, Atheisten, oder auch mit anderen Muslimen anders umgehen würden. Mit ihrer Inszenierung macht die Hamas deutlich, dass sie mit der Vernichtung Israels keinesfalls bereits ihr Ziel erreicht haben würde. Ja, diese Terroristen sind ehrlose Feiglinge. Aber was sie hier bildgewaltig vorwegnehmen, ist keine illusorische Fantasie. Dahinter steht blinder Fanatismus, der vor nichts Halt macht.

Der Westen sollte sich endlich dazu herablassen, ihnen wenigstens das zu glauben, was sie von sich aus der Welt von sich zeigen wollen: Ihren grenzenlosen Hass auf das Leben, und den festen Entschluss, Menschenleben zu vernichten, wo sie sich nicht ihrer menschenverachtenden Ideologie unterwerfen. Die Hölle, die die Hamas den Geiseln bereitet hat, hat der islamistische Terrorismus für die gesamte westliche Welt im Sinn. Darüber besteht kein Zweifel. Ihn nicht ernstzunehmen, weil er den Boden zivilisatorischer Vereinbarungen verlassen hat, ist töricht.

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