Magdeburg: Das aggressive Wegsehen der Politik

vor etwa 6 Stunden

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Bildquelle: Tichys Einblick

Manchmal sind Wortprotokolle von Landtagssitzungen viel spannender, als man denkt.

Im Parlament von Sachsen-Anhalt hat sich gerade etwas zugetragen, das man auf Anhieb für schlechte Satire hält – bis man feststellt, dass das alles tatsächlich passiert ist. Die Kurzfassung geht so:

In einem TV-Bericht bezeichnet Ahmad A., ein nach Deutschland geflohener Ausländer, den blutigen Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt – mit sechs Todesopfern und mehr als 300 weiteren Verletzten – als „normale, einfache Aktion“. Der Mann bedauert, dass es nicht mehr Opfer gab. Er brüstet sich damit, auch selbst wegen Anschlagsdrohungen polizeibekannt zu sein: Er habe angekündigt, das Städtchen Halberstadt mit allen Menschen darin „niederzubrennen“.

Kein Scherz. Das ist alles genau so passiert.

Der Hintergrund ist nicht weniger bizarr: Der Attentäter von Magdeburg, Taleb A., ist bekanntlich nicht nur saudischer Staatsbürger, sondern er durfte – dank saudischer Berufsunterlagen, deren inhaltlicher Wert sich inzwischen als höchst zweifelhaft herausgestellt hat – offiziell ab März 2020 als Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie im Maßregelvollzug Bernburg suchtkranke Straftäter betreuen.

Schon zuvor – und dann auch parallel – ging Taleb A. einem lustigen Hobby nach: Über ein Forum im Internet sowie über Soziale Medien verhalf er anderen Personen zur Flucht aus Saudi-Arabien nach Deutschland. In Interviews präsentierte er sich selbst als Fluchthelfer.

Einer, dem Taleb A. offenbar geholfen hatte, ist Ahmad A. – der Mann mit dem Betretungsverbot.

Über Chatverläufe von Taleb A. hatte ein Rechercheteam des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR) Ahmad A. gefunden. In der TV-Dokumentation „Attentäter unter uns“ gab er dem Sender ein Interview. Darin bestätigt er, dass er nur dank Taleb A. gewusst habe, wie man an ein Visum und ein Ticket nach Deutschland kommt. Und er bekräftigt offen seine Unterstützung für die Bluttat von Magdeburg.

Bis jetzt.

Anlässlich der MDR-Reportage über Ahmad A. fragte die AfD nun noch einmal nach. Und siehe da: Diesmal bequemte sich Innenministerin Zieschang ans parlamentarische Rednerpult. Da trug sie nicht ohne Stolz vor, was ihre Regierung im Fall Ahmad A. unternommen hat.

Wir erinnern uns: Der Mann, der öffentlich damit gedroht hatte, ganz Halberstadt niederzubrennen, musste eine Erklärung unterzeichnen, in der steht, dass er das doch nicht tun werde. Wow. Und ihm gegenüber wurde ein Betretungsverbot für Halberstadt „nicht nur ausgesprochen, sondern schriftlich übergeben“. Doppel-Wow.

Was soll da noch schiefgehen?

Letztere Frage bleibt einstweilen ungeklärt, denn Ahmad A. ist wenige Tage nach Ausstrahlung der MDR-Reportage, nun ja, untergetaucht. Er ist weg, die Polizei kann ihn gerade nicht mehr finden. So ein Ärger aber auch.

Innenministerin Zieschang antwortet laut Wortprotokoll der Landtagssitzung exakt so:

„Es gibt keine abschließende Übersicht. Sie wissen auch, dass es Personen gibt, die mit seiner (Taleb A., Red.) Hilfe hierhergekommen sind und die im Einzelnen bekannt sind. Diese haben sich zum Teil auch im Nachgang gemeldet, aber die abschließende Übersicht gibt es nicht.“

Mit anderen Worten: Bis heute hat die Landesregierung von Sachsen-Anhalt keine Ahnung, wie viele Menschen Taleb A. als Fluchthelfer nach Deutschland geschleust hat. Die Behörden kennen keine Namen – nur von denjenigen, die sich freiwillig und selbstständig bei der Polizei gemeldet haben. Und bis heute weiß die Landesregierung auch nicht, ob darunter vielleicht noch mehr so gefährliche Leute sind wie Ahmad A., der davon träumt, mal eben eine Stadt abzufackeln.

Das Sitzungsprotokoll vermerkt an dieser Stelle: „Lachen bei der AfD“. Da würde man sofort mit einstimmen – wenn das Ganze nicht so abgrundtief fürchterlich wäre.

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