
Der deutsche Bundeshaushalt läuft auf eine neue Rekordverschuldung zu. Weitere 85 Milliarden Euro zusätzliche Schulden bis 2029 hatte Bundesfinanzminister Lars Klingbeil tagsüber angekündigt, bevor er am Abend bei Sandra Maischberger Rede und Antwort stehen muss. „Natürlich heißt Schulden auch, dass Zinsen zurückgezahlt werden“, sagt er in Offenbarung seiner völligen Ahnungslosigkeit. Ein Satz, der in seiner linguistischen und substantiellen Tiefe ganz hart am Ausspruch „Unternehmen sind nicht insolvent, sie hören nur auf, zu verkaufen“ kratzt, jener legendären Aussage, mit der Ex-Wirtschaftsminister Robert Habeck 2022 – ebenfalls bei Maischberger – seine Unwissenheit präsentierte.
Überhaupt wirkt diese Sendung wie ein Klassentreffen der Ahnungslosen und Unbeteiligten. Armin Laschet spricht über internationale Politik. So als ob seine Einschätzung von irgendeiner Bedeutung wäre. Und Klingbeil erzählt vom Geld. So als ob er irgendeine Ahnung davon hätte, was Milliarden und Billionen, was Schulden, Tilgung oder Zinsen überhaupt bedeuten.
Immerhin wird klar, dass Klingbeil unter dem Strich ein eiskalt kalkulierender Machtmensch ist. So wie er seine Kollegin Saskia Esken fallengelassen hat, so erfolgreich hat er sich offenbar auch seines Parteikollegen Ralf Stegner entledigt. Der sei nämlich aus dem parlamentarischen Kontrollgremium keinesfalls „rausgeflogen“, sagt Klingbeil. Das Mandat sei nur einfach nicht verlängert worden.
1995 hat Klingbeil mal ein Praktikum bei einem Landtagsabgeordneten in Niedersachsen gemacht. Auch das wird in der Sendung kurz thematisiert. Das sei aber „nix für mich“ gewesen, sagt er ganz ehrlich, weil ihm die politische Arbeit damals einfach als „zu anstrengend“ erschienen sei. Dass er heute dennoch ein Ministeramt bekleidet und sogar den Vizekanzler darstellen darf, mag viel über die tatsächlichen Anforderungen aussagen. Wenn sogar ein Klingbeil mit der Belastung klarkommt, kann es so schlimm wohl nicht sein.
Bei Maischberger darf er sich als vermeintlich kleiner Mann präsentieren, unprätentiös und erdverbunden. Auch das erinnert an Robert Habeck. „Mein Büro sieht noch genauso aus wie in dem Moment, als ich da vor 49 Tagen eingezogen bin, also da steht noch gar nix drin“, sagt er voller Demut. Er habe vor lauter Arbeit noch gar keine Zeit gehabt, sich darum zu kümmern, wo Bilder an die Wand gehängt werden sollen. „Hab‘ schon sehr hart gearbeitet die letzten 49 Tage“. Der Arme. Fehlt nur noch, dass er sein Müsli mit Wasser isst. Dafür sieht er Anzeichen dafür, „dass wir in das wirtschaftliche Wachstum reinkommen“ und „alle Weichen auch Richtung Wachstum und Sicherheit der Arbeitsplätze stellen“. Es gebe ein „klares Signal an die Unternehmen, jetzt mehr zu investieren“.
Mehr Phrasen gefällig? Wir ersparen Ihnen an dieser Stelle die meisten Hohlkammergeschosse. Nur so viel: In einem Nebensatz sagt Klingbeil, dass vermutlich auch bei Gesundheit und Pflege weiter gespart werden müsse. Und dass die Verschuldung, die mittlerweile an der Billionengrenze kratzt, sogar um weitere 50 Milliarden höher ausgefallen wäre, wenn er nicht so eisern gespart hätte. Und dass Ex-Bundeskanzler Olaf Scholz selbstverständlich auch nach der Abwahl acht (statt der üblichen fünf) persönliche Mitarbeiter brauche, weil er ja noch „sehr viel unterwegs sein wird für dieses Land“. Der Zuschauer fragt sich: Was eigentlich ist an den Worten „Ex-Bundeskanzler“ und „Abwahl“ so schwer zu verstehen? Maischberger will es nicht wissen. Klingbeils zweitschönster Satz: „Wir bauen Personal ab, wir kürzen die Verwaltungsmittel.“
Sein schönster Satz aber geht – versteht sich – gegen Putin und die große Kriegsgefahr: „Ich möchte jederzeit als deutscher Politiker vor die eigene Bevölkerung treten können und sagen können: Ich tue alles dafür, damit Ihr sicher leben könnt.“ Da sind wir bestimmt in guten Händen. Schließlich hat Klingbeil sein ganzes Berufsleben ausschließlich in der Politik verbracht.