
Einen Dobrindt bringt offensichtlich nichts aus der Ruhe. Der CSU-Innenminister soll sich bei Maischberger für die neuen, verschärften Kontrollen an den deutschen Grenzen rechtfertigen. Als habe ihn das Maut-Debakel, das ihn einst als Verkehrsminister den guten Ruf gekostet hat, für jedwede weiteren politischen Aktivitäten gestählt, bleibt er gelassen, selbst als Maischberger in ihre übliche Trickkiste greift: Worte verdrehen, ständig unterbrechen, dazwischenmurmeln, möglichst wenig komplette Sätze erlauben – kurz: den letzten Nerv rauben.
Sie steigt bereits mit zwei Provokationen in das Gespräch ein: Dobrindt sei ja als „Linken-Fresser“ berühmt-berüchtigt, und SPD-Verteidigungsminister Boris Pistorius bezeichne ihn übrigens als „unangenehm“. Dobrindt bleibt entspannt. Er habe Pistorius um etwas mehr Zurückhaltung gebeten, damit die Koalition nicht gleich vom Start weg so zerrüttet erscheine wie die Ampel zuvor. „Mit seiner Sprache kann man auch mal knapp danebenliegen“, sagt Dobrindt. Eins zu Null für ihn.
Maischberger kommt zum Hauptthema: die verstärkten Grenzkontrollen. Für sie ein ganz klarer Rechtsbruch. „Es geht nicht um Rechtsbruch“, antwortet Dobrindt. Ich versuche, das Recht wieder durchzusetzen in Europa.“ Doch Maischberger beharrt auf ihrem Standpunkt: „Wo ist die Gefahr für die Sicherheit und Ordnung Deutschlands, die so stark ist, dass Sie EU-Recht brechen können?“
Höchste Zeit für ein paar erklärende Worte, und Dobrindt liefert sie mit geradezu stoischer Gelassenheit. Eines vorweg: Stichworte wie Messergewalt, Attentate oder Sicherheit im öffentlichen Raum fallen selbstverständlich nicht. Dobrindt sagt: „Ich glaube, dass ganz viele von den Menschen, die da auch heute zuschauen, erkennen, dass es eine Überforderung in Deutschland gibt. Und erkennen, dass wir mit vielen Systemen einfach am Limit sind. Dass eine Integrationsleistung eines Landes, auch Deutschlands, seine Grenzen hat. Das spürt man heute in der Kita, in den Schulen, das spürt man bei den Sprachkursen, bei den Integrationskursen. Die müssen ja irgendwie von irgendwem gemacht werden. Und wir stellen fest, dass wir das nicht ausreichend leisten können. Auch beim Wohnungsmarkt merkt man das doch deutlich. Die Kommunen sind überfordert. Das ist jetzt keine Erfindung von mir, das ist jetzt Live-Berichterstattung von vor Ort. Und diese Überforderung, die dürfen wir geltend machen.“
Er sei darum bemüht, in Europa „Einigungen zu schaffen“. Das sei in den vergangenen Jahren stets ausgerechnet an Deutschland gescheitert. „Jetzt glauben viele, dass es möglich ist. Deswegen sind sehr viele froh, dass sie mit mir darüber verhandeln“, sagt Dobrindt. Es gehe um „Humanität und Ordnung“, und er stelle eine „Dysfunktionalität“ fest. „Wenn ich jedesmal erkläre, warum es nicht geht, warum wir nicht mehr in der Lage sind, als Deutschland zu handeln, Regeln zur Anwendung zu bringen, die so ein Migrationsgeschehen auch neu ordnen können, dann geht die Polarisierung in der Gesellschaft weiter.“
Maischberger wirft ein, die Polizeigewerkschaft befürchte, dass ihre Beamten plötzlich selbst wegen Freiheitsberaubung oder Nötigung belangt werden könnten. „Das ist doch völlig abwegig“, entgegnet Dobrindt. „Es gibt eine klare Weisung. Von daher wissen die genau, was zu tun ist.“ Es brauche nunmal „nationale Maßnahmen“, damit Deutschland kein Magnet mehr für Migranten sei: „Diese Magnetwirkung Deutschlands, die belastet auch alle Nachbarländer.“
Maischberger versucht ihn erneut zu provozieren. „Donald Tust klang deutlich anders“, sagt sie und lässt Dobrindt kaum Gelegenheit, zu erklären, warum der polnische Ministerpräsident die deutschen Pläne kritisiert hatte. Doch der Bayer bleibt stiernackig und setzt sich schließlich durch: „Tusk hat reagiert auf die Idee, es würden jetzt hunderttausende von in Deutschland befindlichen Migranten nach Polen geschoben werden.“ Und das habe ja nun überhaupt niemand geplant. Maischberger sieht eine neue Chance. Dünnes Brett zwar, aber sie steigt dennoch drauf: „Wenn’s nicht hunderttausend sind, haben Sie doch gar keine Notlage, oder?“, fragt sie schnippisch. Die Meisterin des Wort-im-Mundumdrehens setzt nach: „Wenn’s nur 138 sind, die Sie dann am Ende herausfinden als Asylsuchende, wo ist dann die Notlage?“
Dobrindt lässt das Brett wackeln. „Jetzt verdrehen Sie aber grad die Sachen“, sagt er und versucht es nochmal mit einer besonders ruhig vorgetragenen Erklärrunde: „Die Überforderung in unserem Land auch bei sinkenden Zahlen wird dadurch nicht geringer, weil alles additiv oben draufkommt auf ungelöste Fälle.“ Das Brett knarzt. Als er noch erwähnt, dass auch Nachbarländer wie Frankreich „sehr froh“ seien, dass in Deutschland ein neuer neuer Wind weht, unterbricht ihn die Moderatorin harsch. Sie hat ein neues Thema, und das ist – wir haben es schon fast ein bisschen vermisst – das Gutachten des Verfassungsschutzes zur AfD und ein mögliches Verbotsverfahren. Dobrindt stellt fest, „dass dieses Gutachten die Grundlage dafür nicht ist“. Maischberger gibt die Gouvernante, fragt genervt: „Ist das ihr letztes Wort?“
Nein, ist es nicht. Auch hier erklärt ihr Dobrindt, wenn sie ihm denn mal nicht ins Wort fällt, was er damit meint: Wenn man die Verfassungstreue einer Partei in Zweifel ziehe, gehe es immer um Demokratie, Rechtsstaat und Menschenwürde. Das Gutachten beschäftige sich allerdings ausschließlich mit der Menschenwürde, und das sei eben nicht ausreichend. Generell hält er von einem Verbotsverfahren nichts: „Wenn man sich mit so einer Partei auseinandersetzen muss , dann sollte man es politisch versuchen. Ich würde gern diese Partei weg regieren und nicht weg verbieten.“ Auch hier fällt ihm Maischberger sofort wieder ins Wort. Bloß keine bösen Gedanken zulassen.
Sie erinnert ihn lieber schnell an sein altes Maut-Debakel, bei dem er doch so viel Geld vernichtet habe: „Es hat uns 243 Millionen gekostet. Also den deutschen Steuerzahler“, stöhnt sie mit zickigem Gesichtsausdruck. Beim Zuschauer entsteht ein kurzer Moment der Vorfreude: Wann endlich trifft Maischberger auf Robert Habeck. Sie wird ihm sicher die vielen hundert Northvolt-Millionen um die Ohren hauen. Und dem Ex-Gesundheitsminister Jens Spahn die Corona-Masken-Milliarden. Ganz, ganz sicher.
Wenn Friedrich Merz, der Kanzler der zweiten Wahl, nun am morgigen Donnerstag bei Donald Trump zum Antrittsbesuch einfliegt, so kann er bei seinem Innenminister lernen, wie man schwierige Gesprächspartner easy-peasy händelt. Wenn das nicht reicht: Auch die anderen Gäste des Abends haben ein paar wichtige Tipps für Friedrich, den Kriegstüchtigen:
CNN-Korrespondent Frederic Pleitgen rät ihm zur intensiven Vorbereitung. Merz müsse „seine Fakten beisammenhaben und gegen halten“. Der ehemalige Kabarettist Florian Schröder findet, Merz müsse sich gar nicht groß verstellen. Er sei ja im Grund eine genauso erratische Persönlichkeit wie Trump selbst. Wenn Merz alles richtig macht, „kommt es möglicherweise zu einem Moment der Augenhöhe“.
Den ultimativen Tipp hat Ulrike Herrmann, Misswirtschaftsredakteurin der linken Tageszeitung taz. Sie rät Merz, er solle auf jeden Fall „immer kontra geben“. Er müsse „immer kontern, aber nicht überzeugen wollen“, das sei das einzig wahre Rezept für den amerikanischen Präsidenten.
Ach ja, und Deutschland habe übrigens viel zu wenig Migranten. Sagt Ulrike Herrmann ebenfalls. „Wir brauchen 400.000 im Jahr, und die haben wir nicht.“ Fachkräftemangel und so…
Vertrauen Sie diesen Fachleuten! Ihre Regeln dürfen niemals hinterfragt werden.