Manager-Legende Kurt Lauk: Warum die VW-Arbeiter jetzt die Zeche für die verfehlte Politik zahlen

vor 6 Monaten

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Volkswagen zahlt jetzt einen hohen Preis für Jahrzehnte der strukturell verfehlten Unternehmensaufsicht. Das ist Punkt eins. Das Management wurde bei seinen Reformbemühungen permanent blockiert vom Aufsichtsrat, der im Grunde Gewerkschaftspolitik betrieben hat. Das betrifft gerade auch die Vertreter des Landes Niedersachsen, die nahezu durchgängig mit den Arbeitnehmervertretern gestimmt haben, weil die Arbeitsplätze im Wesentlichen in Niedersachsen liegen und man auf diese Weise Wählerstimmen kaufen wollte.

Niedersachsens Ministerpräsident und Aufsichtsratsmitglied Stephan Weil im Wolfsburger VW Werk.

Punkt zwei ist der Haustarif von Volkswagen, der eine Folge dieser verfehlten Aufsichtsratsstrategie ist. Der Haustarif lag immer deutlich über den Tarifverträgen der IG Metall, sodass sich Volkswagen in einer Wohlstandsillusion begeben hat, die allenfalls in guten Zeiten aufrechtzuerhalten war. Das holt jetzt die Gewerkschaften, wie auch die Belegschaft ein. Man muss es so deutlich sagen: Die Gewerkschaften haben sich nicht am Interesse des Unternehmens orientiert, sondern an den Klientelinteressen ihrer Mitglieder. Das passt bei einem international operierenden Konzern nicht zusammen.

Daniela Cavallo, Vorsitzende des Gesamt- und Konzernbetriebsrats der Volkswagen AG, spricht bei einer Informationsveranstaltung des Gesamtbetriebsrates der Volkswagen AG im VW-Stammwerk Wolfsburg.

Das Versagen der Unternehmensführung wurde massiv verstärkt durch die verfehlte EU-Regulierung. Man kann nicht einem Weltmarktführer bei Verbrennermotoren für kleine und mittlere Fahrzeuge verbieten, die Fahrzeuge zu bauen, die die Grundlage für seinen Welterfolg sind. Das ist absurd! Das ist der dritte Punkt.

Hohe Löhne für die Arbeitnehmer, aber seit Jahren keine Gewinne mehr im Inland. Das hat VW aus dem Gleichgewicht gebracht.

Der vierte Punkt: Seit Jahrzehnten hat Volkswagen in Deutschland, einschließlich Wolfsburg, im Grunde kein Geld mehr verdient. VW hat Geld verdient bei Skoda, bei Porsche, bei Audi, im Ersatzteilgeschäft und im Finanzgeschäft, aber nicht mit der Marke Volkswagen. Das wurde verdeckt durch den Gewinn aus anderen Quellen. Man kann ein Unternehmen, das im Inland kein Geld mehr verdient, auf Dauer nicht mehr am Leben erhalten. Das ist eine Illusion.

Wenn jetzt vielfach China die Schuld an der Krise der deutschen Automobilindustrie gegeben wird, so muss man genauer hinschauen: China hat die gesamte europäische Autoindustrie lange Zeit gestützt durch sein gigantisches Marktwachstum. Mit steigendem Wohlstand haben viele hundert Millionen Chinesen Autos gekauft und die Gewinnmargen der europäischen Autobauer damit aufgebessert. Da China derzeit innenpolitisch und wirtschaftlich in einer Krise steckt, fällt dieser Schub-Effekt weg.

Durch die Wirtschaftskrise in China brechen VW wichtige Umsätze weg.

Hinzu kommt: Europa hatte bislang klar die Weltmarktführerschaft bei Verbrennermotoren, China bei Elektromotoren. Die EU-Kommission hat dann entschieden, dass die Europäer die chinesische Weltmarktführerschaft bei E-Motoren übernehmen sollten und ihren eigenen Technologievorsprung bei Verbrennermotoren beenden müssten. Das kann kein Unternehmen schadlos überstehen.

Was wir hier erleben, ist eine völlig fehlgeleitete Wirtschafts- und Industriepolitik der EU-Kommission. Eine erfolgreiche Technologie aufzugeben, ist ein fundamentaler Fehler. Die Grünen in Deutschland sind auf dem gleichen Irrweg.

Wenn ich keinen Wettbewerb zulasse zwischen verschiedenen Technologien, bringe ich einen ganzen Entwicklungsstrang mutwillig um. China investiert derzeit massiv in die Entwicklung moderner Dieselmotoren. Warum? Weil die Chinesen sehr klar sehen, dass man in fünfzig Prozent des Weltmarktes auf absehbare Zeit um Verbrennermotoren nicht herumkommt. Etwas Besseres, als unser Verbrennerverbot kann China gar nicht passieren. Wenn man umweltfreundlich unterwegs sein will, kann man per Hybrid unterwegs sein. Dafür braucht man ebenfalls Verbrennermotoren. Was Europa derzeit macht, ist ein industriepolitischer Freitod.

Hätte VW ohne den Diesel-Skandal jetzt bessere Reserven? Die Argumentation ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Ein Konzern wie Volkswagen kann nur durch starke Hierarchien geführt werden. Die Schwäche solcher Hierarchien besteht darin, dass der Mut abgewürgt wird, Dinge wie den Dieselbetrug von unten nach oben zu berichten. Damit war die Grundlage für den Diesel-Skandal gelegt. Wenn ein Konzern mit Angst geführt wird, gibt es kaum Nachrichten von unten nach oben. Es ist Aufgabe der Führungskräfte, diese Unternehmenskultur im Blick zu behalten.

Mitarbeiter des VW Stammwerks in Wolfsburg bei einer Informationsveranstaltung am 28. Oktober 2024.

Die Zeche für all diese Fehlentwicklungen werden jetzt die Beschäftigten zahlen müssen. Nicht die Konzernspitze, nicht der Aufsichtsrat und schon gar nicht die Politik in Niedersachsen und Brüssel. Das ist das eigentlich Bittere an dem ganzen Vorgang. ***Prof. Kurt Lauk saß in den Vorständen von Audi, Daimler und des Energiekonzerns Veba (heute EON) und war 15 Jahre Chef des CDU-Wirtschaftsrats.

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