
Die massakerähnliche Gewalt gegen die Minderheit der Drusen in Syrien setzt sich offenbar ungehemmt fort. Videos aus Syrien zeigen, wie ganze Menschenmengen sich in Bewegung setzen, um in die von den Drusen bewohnte südsyrische Region Suweida zu kommen. Andere Videos offenbaren übelste Gräueltaten. Die Lage bleibt undurchsichtig.
Nachdem im März über 1.500 Alawiten, größtenteils Zivilisten, von syrischen Regierungsmilizen massakriert wurden (mehr dazu hier), gehen die islamischen Beduinen jetzt bereits seit Tagen gegen die Drusen in der südsyrischen Region Suweida vor. Suweida wird hauptsächlich von der religiösen Minderheit der Drusen bewohnt. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte veröffentlichte am Freitag, dass die Zahl der Todesopfer seit dem letzten Wochenende inzwischen auf beinahe 600 angestiegen ist.
Unter ihnen seien 300 Drusen, bei 154 davon soll es sich um Zivilisten handeln. Die Organisation spricht weiter von einer „Hinrichtung“ von 83 drusischen Zivilisten und wirft diese dem syrischen Verteidigungs- und Innenministerium, das unter der Kontrolle der regierenden HTS-Miliz steht, vor. Den Angaben zufolge wurden auch 257 Regierungsangehörige und 18 sunnitische Beduinenkämpfer bei Kämpfen getötet.
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Die Angriffe auf die Drusen sollen dabei nicht abebben: „Das Phänomen eskaliert unkontrollierbar – eine beispiellose Entwicklung in der modernen Geschichte Syriens. Die Büchse der Pandora ist geöffnet worden, und eine schnelle oder einfache Lösung ist nicht in Sicht“, schrieb der Account „Qalaat Al Mudiq“, dem fast 70.000 Follower auf X folgen, zu dem Video von den „Konvois“, die in der Nacht zu Samstag weiter nach Suweida gezogen seien. Auch andere Videos auf X sollen bewaffnete Milizen zeigen, die in die Region fahren würden.
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Die Berichte decken sich mit Videos in den sozialen Medien zu heftigen Gräueltaten. So gibt es Videos, wo offenbar unschuldige Zivilisten von Soldaten der syrischen Regierungsmiliz gezwungen werden, von Gebäuden zu springen. Andere Videos zeigen, wie schwerst bewaffnete Männer in Bussen offenbar Richtung Suweida fahren.
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Am vergangenen Donnerstag hatte der Terror der syrischen Regierungsmiliz begonnen, wie der Spiegel berichtete. Beduinen hatten bei einem Raubüberfall einen Drusen entführt, als Reaktion darauf entführten einige Drusen acht Beduinen. Die Lage eskalierte und infolge der Auseinandersetzungen wurden 100 Personen getötet, wie Times of Israel berichtete. Daraufhin wurden am Dienstag Milizen und Truppen der noch wackligen syrischen Regierung nach Suweida entsandt, vorgeblich, um die Ordnung wiederherzustellen und die Einhaltung eines Waffenstillstands zu überwachen. Augenzeugen berichteten laut Times of Israel jedoch, dass sich die Regierungstruppen und Sicherheitskräfte, die dem Verteidigungsministerium angehören, an den Kämpfen gegen die Drusen beteiligten. Sie sollen Häuser und Geschäfte geplündert und angezündet haben.
Israel griff in den Konflikt ein und bombardierte Konvois der Regierungsarmee auf dem Weg in die Drusen-Hochburg Suweida, aber auch Regierungsgebäude in Damaskus. Seit Samstagmorgen haben sich beide Länder auf eine Waffenruhe geeinigt. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und der syrische Interimspräsident nach dem Zerfall der Assad-Diktatur, Ahmed al-Scharaa, hätten mit US-Unterstützung einer Waffenruhe zugestimmt, so der US-Botschafter in der Türkei und Sondergesandter für Syrien, Thomas Barrack, auf X.
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Auch die inzwischen sehr kleine christliche Minderheit muss sich vor den syrischen Milizen sorgen und drückt ihre Solidarität mit den Drusen aus. Pater Toni Butros, ein Vertreter der griechisch-katholischen Kirche in Sweida, veröffentlichte am Freitag eine Videoerklärung, in der er die Solidarität seiner Gemeinschaft mit der drusischen Bevölkerung erklärte. „Ich bin Pater Toni Butros und vertrete den melkitisch-katholischen Bischof in Sweida und Jabal al-Arab. Wir haben unsere Heimat nicht verlassen – wir bleiben hier in Sweida. Als Christen und griechische Katholiken stehen wir in voller Solidarität mit unseren drusischen Brüdern und Schwestern, die diesen schrecklichen Terroranschlägen ausgesetzt sind.“, heißt es in dem Video.
Schon Anfang des Jahres hatten Milizen der neuen Machthaber in Syrien Alawiten und Christen attackiert. Bei Racheakten Anfang März waren 745 alawitische Zivilisten getötet worden, der ehemalige syrische Diktator Assad gehört der Religionsgemeinschaft der Alawiten an.
Die regierende HTS-Miliz ging aus einem Ableger des Terrornetzwerks Al-Qaida hervor, der Al-Nusra-Front. Der Anführer al-Scharaa war zuvor auch Mitglied des „Islamischen Staates“. HTS gilt in Deutschland, den USA und Großbritannien als Terrorgruppe. Sie versucht sich seit dem Umsturz in Syrien als gemäßigte Kraft zu präsentieren. Am 03. Januar war Außenministerin Annalena Baerbock zusammen mit dem französischen Außenminister Jean-Noël Barrot nach Damaskus gereist und hatte sich mit dem neuen syrischen Machthaber, Ahmed al-Scharaa, getroffen.