„Maßnahmen im Hinblick auf Wahlen“: Bundesnetzagentur-Chef Müller traf sich kurz vor Europawahl mit YouTube und TikTok

vor 5 Monaten

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Der Chef der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, hat sich kurz vor der Europawahl am 9. Juni zweimal mit Vertretern von sozialen Netzwerken getroffen. Dabei handelte es sich um Gespräche „über die Vorkehrungen zu den Risikobewertungen und Risikominimierungsmaßnahmen nach Art 34/35 DSA (im Hinblick auf Wahlen)“. Dies geht aus einer Kleinen Anfrage der AfD-Fraktion hervor.

Demnach traf sich Müller am 21. Mai virtuell mit Vertretern von TikTok, am 27. Mai auf der Messe re:publica mit YouTube Deutschland, genauer mit dem „Head of Governmental Affairs and Public Policy DACH/CEE/EEM“. Zum ersten Treffen hatte die Bundesnetzagentur eingeladen, das zweite fand auf Initiative von YouTube statt.

Die Bundesnetzagentur unter Leitung des Grünen-Politikers Müller ist in Deutschland für die Umsetzung des Digital Services Act (DSA) der EU zuständig. Dieser soll Plattformen stärker in Haftung nehmen für die Inhalte, die Nutzer bei ihnen veröffentlichen. Doch dadurch entstehen Risiken für die freie Meinungsäußerung. So hatte die Bundesnetzagentur im Oktober den ersten sogenannten Trusted Flagger zugelassen: die Meldestelle „REspect“. Bei ihnen können Nutzer Beiträge melden, die in ihren Augen etwa Beleidigungen oder Hassrede darstellen. Die Meldestelle prüft die Beiträge und leitet sie gegebenenfalls an die Plattformen weiter, die diese Meldungen dann prioritär behandeln müssen.

Kritiker fürchten, dass dies zu Overblocking führen könnte, dass also legitime Äußerungen von den Netzwerken gelöscht werden aus Furcht vor juristischen Auseinandersetzungen. Tatsächlich veröffentlichte die Bundesnetzagentur einen Leitfaden, der in ebendiese Richtung weist: Darin werden zahlreiche „unzulässige Inhalte“ definiert, von denen viele allerdings keinen Straftatbestand darstellen, etwa „Hassrede“ oder „negative Auswirkungen auf den zivilen Diskurs oder Wahlen“. Zu letzteren zählt laut dem Leitfaden auch „Informationsmanipulation mit dem Ziel, die Integrität/den Ausgang von Wahlen zu beeinflussen.“

Klaus Müllers Veranstaltung auf der re:publica

Dies ist insbesondere im Hinblick auf die Treffen von Müller vor der Europawahl interessant. Die in der Antwort der Regierung genannten Artikel des DSA, die Anlass der Treffen waren, befassen sich mit „Risikobewertung“ (Artikel 34) sowie „Risikominderung“ (Artikel 35). Artikel 34 verpflichtet die Plattformen dazu, systemische Risiken zu „ermitteln, analysieren und bewerten“. Dazu zählen neben „nachteiligen Auswirkungen auf die Ausübung der Grundrechte“ – etwa auch der Meinungs- und Informationsfreiheit – auch „alle tatsächlichen oder absehbaren nachteiligen Auswirkungen auf die gesellschaftliche Debatte und auf Wahlprozesse und die öffentliche Sicherheit“.

Um auf die ermittelten Risiken zu reagieren, verpflichtet Artikel 35 des DSA die Plattformen dazu, „angemessene, verhältnismäßige und wirksame“ Maßnahmen zu ergreifen. Dazu gehört etwa die „Anpassung der Verfahren zur Moderation von Inhalten, einschließlich der Geschwindigkeit und Qualität der Bearbeitung von Meldungen zu bestimmten Arten rechtswidriger Inhalte, und, soweit erforderlich, rasche Entfernung der gemeldeten Inhalte oder Sperrung des Zugangs dazu, insbesondere in Bezug auf rechtswidrige Hetze oder Cybergewalt“. Auch muss die Zusammenarbeit mit den Trusted Flaggern entsprechend der ermittelten Risiken angepasst werden. Zudem verpflichtet der Artikel die Plattformen zu „Sensibilisierungsmaßnahmen und Anpassung ihrer Benutzeroberfläche, um Nutzern mehr Informationen zu geben“.

Gab es bei den Gesprächen zwischen Müller und den Netzwerken verbindliche Absprachen oder Handlungsanweisungen, die die Betreiber der Netzwerke umzusetzen hatten? Die Bundesregierung verneint dies in ihrer Antwort. Es habe nur ein „allgemeiner Austausch“ stattgefunden, die Gespräche seien „ohne Pressebegleitung“ erfolgt.

Die Meldestelle „REspect“ ist erst seit Oktober als Trusted Flagger eingesetzt, spielte darum bei den Europawahlen noch keine Rolle. Anders wird dies anlässlich der Bundestagswahl am 23. Februar aussehen. Die Bundesregierung schreibt hierzu: „Mit Blick auf die Bundestagswahl 2025 plant der Digital Services Coordinator (Bundesnetzagentur) gemeinsam mit der EU-Kommission Gespräche mit den sehr großen Online-Plattformen zu führen. Konkrete Termine stehen aktuell noch nicht fest.“

Bei einem weiteren Treffen der Bundesregierung mit Vertretern von Plattformen ging es am 24. September um die „Bekämpfung von Hassrede und terroristischen Inhalten auf Online-Plattformen“. Eingeladen hatte das Innenministerium, anwesend waren Vertreter von Meta, Google, Apple, Microsoft, TikTok, game, SoundCloud und Snapchat. Inhalt der Gespräche war laut Bundesregierung: „Rechtswidrige Inhalte schnell erkennen, Meldewege verbessern, Löschungen schnell und transparent umsetzen, Ausbau der Risikominimierung“. Bei dem Treffen waren auch Organisationen wie HateAid, die Amadeu-Antonio-Stiftung und Amnesty International anwesend. Für Februar oder März 2025 soll es hierzu einen Follow-up-Termin geben.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gemeinsam mit Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur

Obwohl die Regierung keine konkreten Maßnahmen beauftragt haben will, werfen die Treffen Fragen auf: Was besprach man mit den Digital-Unternehmen und warum werden die genauen Inhalte nicht veröffentlicht? Die Formulierungen im DSA sind zudem schwammig: Wer definiert, was „nachteiligen Auswirkungen auf die gesellschaftliche Debatte“ sind? Brisanz erhalten die Treffen auch dadurch, dass Müllers Grüne Partei regelmäßig unliebsame Meinungen als „Desinformation“ wertet. Zudem ist Müllers Behörde dem Wirtschaftsministerium von Robert Habeck unterstellt, der zugleich als grüner Spitzenkandidat antritt – und insbesondere den Plattformen X und TikTok regelmäßig droht.

Der medienpolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Martin E. Renner, kommentiert: „Allein zum Thema Desinformation investiert die Bundesregierung insgesamt über 32 Millionen Euro in verschiedene Forschungsprojekte. Zudem finden regelmäßige Gespräche zwischen Bundesregierung und den großen Internetplattformen statt. Die Veröffentlichung von Inhalten oder Ergebnissen dieser Gespräche sind allerdings regelmäßig ‚nicht vorgesehen‘. Dass seitens der Bundesregierung auch etwaige Handlungsanweisungen gegenüber den großen Plattformbetreibern gegeben werden, wird verneint. (...) Der Verdacht erhärtet sich, dass hier nur ein Vorwand gesucht wird, um immer weitreichendere Zensurmaßnahmen im Netz zu rechtfertigen. Und zwar nicht nur seitens der Bundesregierung, sondern auch auf EU-Ebene, wie durch den unsäglichen Digital Services Act (DSA) bewiesen.“

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