
Wenn sich später einmal Historiker fragen werden, wie es passieren konnte, dass sich eine einst weltweit geachtete Wirtschaftsnation freiwillig auf den abschüssigen Weg der Deindustrialisierung begeben hat, werden sie nicht darum herumkommen, sich mit der Rolle der deutschen Medien zu befassen. Insbesondere mit den öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten.
Denn in deren Studios wird so einseitig, faktenblind und teilweise schlicht falsch über die in den wirtschaftlichen Niedergang führende Energiepolitik berichtet und diskutiert, dass man sich nicht wundern muss, wenn ein Großteil des gebührenzahlenden Publikums immer noch daran glaubt, dass die Energiewende zum Erfolg führen wird – wenn man sie nur endlich ernsthaft genug betreiben würde. Obwohl der Rest der Welt Deutschland spätestens seit des trotz Energiekrise 2022/2023 durchgezogenen Atomausstiegs längst nicht mehr als Vorbild, sondern als abschreckendes Beispiel wahrnimmt.
Insofern ist es eine gute Nachricht, dass der MDR seine Zusammenarbeit mit der als Wissenschaftlerin auftretenden Energiewende-Lobbyistin Claudia Kemfert beenden will. Darüber hat zunächst Correctiv berichtet. Dann hat es Kemfert selbst auf X bestätigt:
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Kemfert ist Ökonomie-Professorin und leitet am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) die Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt. Das ist offiziell ihre Hauptbeschäftigung. Besonders erfolgreich ist Kemfert aber nicht unbedingt als Wissenschaftlerin, sondern in ihrem Nebenjob als fernsehtaugliche „Expertin“ für grüne Klimapolitik und die Energiewende.
Öffentlich-rechtliche Redaktionen scheinen Frau Kemfert zu verehren. Denn kaum geht es bei ARD und ZDF in irgendeiner Talkshow oder einem Fernsehbeitrag um Klimaschutz oder Energie, rutscht auch schon die Professorin aus Berlin ins Bild und gibt in kurzen Statements die jeweilige Programmatik der Grünen wieder und verleiht ihr damit wissenschaftliche Weihen.
Der MDR produziert sogar eine eigene Sendung mit ihr. In „Kemferts Klima-Podcast“ nimmt die Wirtschaftswissenschaftlerin pointiert und prägnant zu politischen Themen Stellung. So bewertet sie zum Beispiel in einer Podcastfolge den schwarz-roten Koalitionsvertrag und freute sich darüber, dass Friedrich Merz und Markus Söder ihr Wahlkampfversprechen, eine Rückkehr zur Kernkraft zu prüfen, aufgegeben haben.
„Also Atomenergie wäre ja auch ökonomischer Wahnsinn gewesen. Es hätte die Bürger ja auch enorm belastet. Die Betreiber wollten es ja selber gar nicht mehr“, behauptete Kemfert faktenfern. Hätte sie den Bundestagsuntersuchungsausschuss zur Atomkraft-Nein-Danke-Entscheidung der Ampelkoalition, in dem sie selbst als Sachverständige aufgetreten war (auf Einladung der Grünen, versteht sich), aufmerksam verfolgt, hätte sie erfahren, dass zwei von drei Betreibern der Bundesregierung 2022 vertraulich angeboten hatten, für einen Weiterbetrieb der Kernkraftwerke zur Verfügung zu stehen.
Und sie hätte erfahren, dass das kein „ökonomischer Wahnsinn“ gewesen wäre, sondern Ausdruck ökonomischer Vernunft. Denn diese Kraftwerke, die zu den besten und sichersten der Welt zählen, hätten noch jahrzehntelang zuverlässig, günstig und nahezu CO2-frei Strom liefern können. Dass diese Anlagen mutwillig zerstört werden, ist eine rein politische Entscheidung, an deren Zustandekommen „Experten“ wie Kemfert und diejenigen Journalisten, die diese in Dauerschleife zu Wort kommen lassen, einen entscheidenden Anteil haben.
Widerspruch muss Kemfert bei den Öffentlich-Rechtlichen kaum fürchten. „Also das Ende der Atomkraft: positiv“, fasst die Fragenstellerin im MDR-Podcast die Ausführungen der Professorin zusammen und leitet kritiklos zum nächsten Kapitel in Kemferts Bewertung des Koalitionsvertrags über: „Was ist denn in der Energiepolitik? Welche Ziele sind Ihnen denn noch aufgefallen als vielleicht besonders gut oder besonders schlecht?“
Diese Rolle, die deutsche Sendeanstalten Wissenschaftlern zuweisen, ist für den demokratischen Diskurs schädlich. Denn sie werden nicht eingeladen, um über ihre Forschungen zu berichten oder sich gar dem fachlichen Streit mit anderen Wissenschaftlern zu stellen, sondern dienen als höhere Instanz, die der Politik die Aufgaben diktiert. Daher ist es gut, dass der MDR den Klima-Podcast in dieser Form beendet.
Das sieht natürlich nicht jeder so. „Mehrere Beteiligte formulierten gegenüber Correctiv die Vermutung, die Sendeanstalten würden womöglich aus vorauseilendem Gehorsam agieren – um politischem Gegenwind zunehmend konservativer Strömungen in der Politik vorzubeugen“, heißt es in dem Bericht der Recherche-NGO. „Und zwar insbesondere deshalb, weil Forscherin Kemfert vor allem im rechtskonservativen Bereich des demokratischen Spektrums und bei Klimawandel-Leugnern als Hassfigur gilt.“