
Wenn eine gute halbe Stunde ausreicht, um genügend Gründe für eine Abschaffung des Gebührenfernsehens zu finden, dann war die „Klartext“-Sendung im ZDF mit ihrem Umgang mit Alice Weidel beispielhaft dafür. Minutenlange Monologe wurden als „Fragen“ getarnt, das Publikum war einseitig ausgewählt und die Moderatoren parteiisch wie immer. Ein neuer Tiefpunkt des Propaganda-Fernsehens.
Beobachter des öffentlich-rechtlichen Fernsehens wissen es schon lange: Der Umgang mit der AfD unterscheidet sich fundamental von dem mit anderen Parteien. Allein die 35 Minuten „Klartext, Frau Weidel“ im ZDF lieferten am Donnerstagabend genügend Gründe, den Zwangsgebührenrundfunk ersatzlos zu streichen. Nicht weil Alice Weidel so sympathisch und kompetent gewirkt hätte – das liegt wohl im Auge des Betrachters –, sondern weil hier wieder einmal alles aufgefahren wurde, was der Propaganda-Besteckkasten hergab.
Die Zuschauer, die Weidel „befragten“, lieferten Statements von einer bis anderthalb Minuten ab, denen sie noch minutenlange „Nachfragen“ anhängten. Und sie traten mit einer Agenda auf, wie wir noch sehen werden. Das restliche Publikum war ebenfalls nicht repräsentativ, pfiff, buhte, schrie auf und lachte, wenn Weidel etwas sagte – und klatschte frenetisch bei Kritik an der AfD-Kanzlerkandidatin oder ihrer Partei.
Wäre das Publikum zufällig ausgewählt worden, hätte sich in den Reaktionen die derzeitige Stimmung abgebildet, also mindestens jeder Fünfte hätte Weidel Beifall gespendet. Nicht hier. Bettina Schausten sagte zur Auswahl des Publikums (120 Zuschauer: „Wir haben Aufrufe gestartet über unsere Social-Media-Kanäle, auch über unsere ZDFmitreden-Community, da haben sich viel schon gemeldet, dann waren uns einige schon bekannt aus ZDF-Beiträgen und -Sendungen, die Redaktion hat zu Themen recherchiert, ist auf Menschen gestoßen …“ Insgesamt sei es ein „breit gefächertes Publikum“, nach Alter, politischen Richtungen und so weiter „also vielfältig“. Vielfältig waren aber nur die negativen Reaktionen auf Alice Weidels Äußerungen (siehe oben).
Im Detail sah das so aus: Auftritt Weidel, die den eben befragten Robert Habeck begrüßt. Der stellt klar, dass die Ausgrenzung der AfD völlig in Ordnung ist (Weidel: „Interessantes Demokratieverständnis!“) und erhält langen Applaus. Sievers spricht die AfD-Chefin kurz auf den Terroranschlag von München an, bevor es zur „Fragerunde“ geht. Der Mittsechziger Christoph Miethke wird als Unternehmer vorgestellt, er beschäftigt 200 Mitarbeiter aus 27 Nationen. Über 1:26 Minuten dauert sein Statement, dann hängt er nochmal eine halbe Minute dran.
Christoph Miethke hat sich vorgenommen, Arbeitsmigration und illegale Einwanderung übers Asylrecht zu vermischen. Ausländische Mitarbeiter überlegten, so Miethke, das Land zu verlassen. Weidels Versicherung, es gehe bei der Abschiebung nicht um gesetzestreue, arbeitende und steuerzahlende Bürger, sondern um die Unterbindung illegaler Migration, kontert er damit, sie fühlten sich diskriminiert. Warum wohl? Weidel: „Das müssen Sie mir sagen, warum.“ Gelächter auf den Rängen. Weidel: „Das neutrale Publikum …“ Miethke nimmt sich nochmal über 1:03 Minuten für eine „Nachfrage“. Qualifizierte Leute seien willkommen, sagt Weidel. Sievers süffisant: „Eine Art Willkommenkultur, die wir da hören.“ Höhö.
Unternehmer Christoph Miethke mag nicht zwischen Arbeitsmigranten und Asylbewerbern unterscheiden.
Was Moderator Christian Sievers nicht sagt: Christoph Miethke ist nicht nur Unternehmer, sondern Geschäftsführer von „Brandenburg zeigt Haltung“, einer Initiative, die von den Grünen unterstützt wird („Wir stehen für eine tolerante, vielfältige Gesellschaft ein …“). Und Partner der Uni Potsdam, die dafür bekannt ist, dass linke Studentengruppen agitieren, unter anderem mit Störaktionen versuchten, den AfD-Parteitag in Riesa zu verhindern.
Lupenreiner Aktivist: Herr Miethke zeigt Haltung.
Einmal darf man raten, welche Partei Christoph Miethke nicht wählt...
Nun hat ein „Pflegeheimleiter aus Bielefeld“ das Wort, der Geschäftsführer des Evangelischen Johanneswerks, Dr. Bodo de Vries, der eine georgische Altenpflegerin mitgebracht hat, Guranda Bolkvadze. Sie ist vor zwei Jahren nach Deutschland gekommen, ihr Asylantrag wurde abgelehnt, sie ist „geduldet“. Klar, was jetzt kommt: Die AfD will die Duldung abschaffen, also müsste auch die arme Frau Bolkvadze gehen. Christian Sievers bringt das drei-, viermal auf, obwohl Weidel der Georgierin sagt: „Sie sind ausgebildet, sprechen die Sprache, Sie arbeiten, Sie hätten gar keinen Asylantrag stellen müssen“.
Bodo de Vries kündigte im Vorfeld an, Frau Weidel die Meinung zu geigen.
Das Evangelische Johanneswerk positioniert sich politisch korrekt.
Das ist Herrn de Vries egal, er hat etwas mitzuteilen. Wie vorher vom Johanneswerk angekündigt: „Unser Geschäftsführer Bodo de Vries wird in der ZDF-Sendung „Klartext“ AfD-Chefin Alice Weidel mit dem Thema Migration und Pflege konfrontieren und ihr unmissverständlich sagen, dass wir Menschen aus anderen Ländern sehr schätzen und auch dringend brauchen.“
Es geht also nicht um eine Frage, sondern um eine politische Erklärung, für die sich Herr de Vries satte 1:20 Minuten nimmt: Er erlebe „keine Wertschätzung von Ihrer Partei, keine Willkommenskultur“, die Altenpflege brauche Mitarbeiter, „wir brauchen mehr Migration, nicht Remigration“. Johlen im Publikum, Beifall). Laut ihres Programms sei die AfD „ein vollständiger Ausfall im Bereich Sozialpolitik“ und so weiter, nochmal eine Minute.
Weidel: „Ich habe den Eindruck, dass Sie mir nicht zugehört haben (Publikum; lacht, buht, pfeift), dass Sie unser Wahlprogramm nicht gelesen haben, dass Sie das, was Sie gerade sagen, auswendig gelernt haben (Aufschrei im Publikum, Unmutsäußerungen). De Vries: „Vielleicht lesen Sie mal Ihr Wahlprogramm.“ Die Zuschauer lachen sich scheckig, applaudieren wild. Der hat’s der Weidel aber gegeben!
Man geht über zur Energiepolitik. Ein Einspieler preist die glorreiche Zukunft, die uns die Windräder bescheren. Könnte auch ein Werbefilmchen direkt aus der Marketingabteilung der Windkraftindustrie sein. Wolfgang Stapelfeldt (CDU), ein „Bürgerwindparkbetreiber“ aus Schleswig-Holstein, redet nun erstmal 1:14 Minuten, murmelt von einer „enormen Wertschöpfung“ der Windkraft, Abermillionen würden in die Gemeindekassen gespült, „125.000 zukunftssichere Arbeitsplätze entstehen“. Alice Weidel weist auf die Subventionen hin, spricht von Technologieoffenheit und der Absicht, zur Kernkraft zurückzukehren.
Sievers unterbricht: „Sagen selbst die Betreiber: Können wir auf keinen Fall machen, weil das nicht mehr geht.“ (Geht doch, wie eine US-Studie mit dem Titel „Wiederanfahren der deutschen Reaktoren: Durchführbarkeit und Zeitplan“ ergeben hat, aber das nur nebenbei.) Sievers: „Hier kommen wir nicht mehr zusammen.“ Ein Lagerist mit Migrationshintergrund und mit seiner Nervosität sowie der deutschen Sprache hadernd, spricht Weidel auf die Inflation an, die Kleinverdiener besonders hart treffe. Sie antwortet mit Freibeträgen und einem „Familiensplitting-Modell“.
Der letzte Gast ist Judith Wolff, 20, eine nassforsche „Erstwählerin“: „Ich engagiere mich ehrenamtlich im europäischen Jugendparlament.“ Die Studentin war auch Praktikantin bei Tim Pargent, Abgeordneter der Grünen im Bayerischen Landtag. Sie eifert eine ganze Minute über die EU und den drohenden „Dexit“, den ein von der AfD anvisierter „Bund Europäischer Nationen“ bedeuten würde. Eine Frage hat sie eigentlich nicht.
Judith Wolff lässt nichts auf die EU kommen.Alice Weidel benennt ihr Hauptproblem mit der EU, das „Demokratie-Defizit“, eine Kommission, ein ungewähltes Gremium, das über die Köpfe der gewählten nationalen Parlamente Entscheidungen trifft. Judith Wolff redet sich wieder in Rage (0:40 Min.), sie sieht das nicht so, Weidel ignoriere dies und das ... – ein einziger lauter, feindseliger Wortdurchfall, dann ist die Zeit um.
Auch die junge Frau Wolff ist politisch einschlägig imprägniert.
Geschlagene 10 Minuten dauerten die politischen Monologe (nicht Fragen!) der vier Zuschauer zusammengenommen, Sievers‘ Unterbrechungen nicht mitgezählt. Klar ist: Hier ging es nicht um Erkenntnisgewinn nach dem Motto „Was hat die AfD vor?“, sondern um die Bestätigung der Narrative des Establishments: „Wir brauchen Migration und Fachkräfte“, „Die Energiewende ist gut und macht den Strom billiger“, „Europa steht über deutschen Interessen“. Nicht als solche vorgestellte Aktivisten verbreiteten Propaganda und stahlen wertvolle Sendezeit, um eine Oppositionspolitikerin bloßzustellen. Für keine ihrer Antworten gab es Beifall, stattdessen verschränkte Arme, Kopfschütteln und lautstarke Bekundungen des Missfallens.
Die andauernde Kritik am Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk wird mit solchen schauprozessähnlichen Inszenierungen nur befeuert, aber entweder wird das dort nicht verstanden oder man setzt sich einfach darüber hinweg, weil man sich, mit zehn Milliarden Euro Rundfunkbeitrag jährlich wohlig ausgestattet, am längeren Hebel wähnt. Der Glaubwürdigkeit schaden Veranstaltungen wie diese mehr als es der Gegenwind auf Social Media jemals könnte.
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