
Die Mehrheit der Deutschen wünscht sich die Atomkraft als Energiequelle zurück. Das geht aus einer am Freitag veröffentlichten Umfrage des Vergleichsportals Verivox hervor. Während 22 Prozent die Wiederinbetriebnahme von bereits stillgelegten Meilern befürworten, fordern demnach 32 Prozent sogar die Errichtung neuer Kernkraftwerke in Deutschland.
Das deckt sich auch mit den Plänen von CDU und CSU. Während sich die Parteien in den Koalitionsverhandlungen von der SPD unter den Tisch diskutieren lassen und zahlreiche Wahlversprechen bereits verworfen haben, geht es in der Atomfrage in die andere Richtung. In einem internen Papier fordert die Union jetzt sogar die Wiedereinführung der Kernkraft in Deutschland.
Sollte die Wirtschaftlichkeit einer Inbetriebnahme stillgelegter Meiler in einer Überprüfung als sinnvoll bewertet werden, so „werden die Betreiberunternehmen aufgefordert, sich hierzu zu positionieren“, heißt es in dem am Dienstag vom Handelsblatt zitierten Papier. Dafür käme notfalls auch eine „Bundesgesellschaft als Neueigentümer“ infrage, wenn die hiesigen Betreiber um RWE, E.On und EnBW die Kraftwerke nicht weiterbetreiben wollen würden.
Auch im Verhandlungspapier der Arbeitsgruppe Energie und Klima findet sich eine Reaktivierungsklausel – allerdings in eckigen Klammern und somit als parteiinterne Position der Union. Die SPD hat zwar keinen Gegenvorschlag vorgelegt, die Ablehnung der Kernkraft durch die Sozialdemokraten ist aber parteiübergreifend bekannt.
Auch die Grünen und die noch amtierende Umweltministerin Steffi Lemke, die in ihrer Position für die Reaktorsicherheit zuständig ist und den Atomausstieg begleitete, hält eine Wiederinbetriebnahme der dazu noch fähigen Reaktoren in Deutschland für abwegig. „Die Überlegungen der Union werden immer realitätsferner“, kommentierte die Grünen-Politikerin am Mittwoch gegenüber dem Spiegel.
Den Staat notfalls als Eigentümer der dann zu betreibenden Meiler einzusetzen, sei eine „irrwitzige Idee“, urteilte Lemke. Ihre Behörde hatte in Reaktion auf den Vorstoß der Union einige Argumente zusammengetragen, die gegen eine erneute Laufzeit der Reaktoren sprechen sollen. „Es ist davon auszugehen, dass in den Atomkraftwerken wesentliche Teile bereits technisch nicht mehr funktionsfähig sind oder irreversibel durch Rausschneiden abgebaut sind und somit ersetzt werden müssten“, argumentieren Mitarbeiter des Umweltministeriums da.
Für die Behörde ist das Thema eine heikle Angelegenheit. Nach dem russischen Einmarsch in der Ukraine musste Deutschlands Energieversorgung evaluiert werden, das Wirtschafts- sowie das Umweltministerium sollten gemeinsam eine Laufzeitverlängerung der drei verbleibenden Kernkraftwerke über 2022 hinaus evaluieren. Letztlich gingen die Meiler im April 2023 vom Netz – in der Folge wurde den Behörden vorgeworfen, nicht ergebnisoffen geprüft zu haben.
Zu diesem Schluss kam auch ein großer Teil des Atom-Untersuchungsausschusses, der von der CDU nach der Veröffentlichung der internen Dokumente zum Atomausstieg durch das Magazin Cicero einberufen worden war. Eine Laufzeitverlängerung soll von Anfang an kritisch betrachtet worden sein. Und trotz der Zweifel am Atomausstieg und des wiederkehrenden Zuspruchs für die Kernenergie wird eine Rückkehr von Grünen und SPD weiter abgelehnt.
Bei dem vom Umweltministerium angebrachten Argument der aufgrund des Rückbaus fehlenden Funktionsfähigkeit der Meiler geht es vermutlich auf die Primärkreis-Dekontamination zurück, ein Prozess, bei dem ein Reaktor gereinigt wird und bei dem es aufgrund gründlicher Reinigungsmethoden – die für den Rückbau notwendig sind – zu irreversiblen Schäden kommen kann, so betonen es immer Behördensprecher und Vertreter der Grünen.
Ob wirklich alle infrage kommenden Kraftwerke davon betroffen sind, ist fraglich. Der Kernenergiebetreiber Nukem hatte Anfang März erklärt, für Investitionen in Höhe von einer bis drei Milliarden Euro pro Meiler wieder Atomstrom bereitstellen zu können. „Wenn es eine politische Entscheidung dafür gibt, kann Deutschland schon ab 2030 von günstigem und sicherem Strom profitieren“, erklärte der Vorsitzende Thomas Seipolt (Apollo News berichtete).
Die Einschätzungen decken sich derweil mit den Ergebnissen einer Untersuchung der amerikanischen Radiant Energy Group. Diese hatte im Dezember verkündet, Deutschland könne neun abgeschaltete Meiler für Investitionen in Höhe von 20 Milliarden Euro reaktivieren (Apollo News berichtete). Nach der Bundestagswahl ist also klar: Eine Rückkehr der Atomkraft könnte offenbar bewerkstelligt werden, zumindest gibt es dafür Interessenten – in der Politik, aber auch in der Wirtschaft.
Was aus der Verivox-Umfrage aber auch hervorgeht: Die Mehrheit der Deutschen steht nicht nur der Atomkraft positiv gegenüber. 57 Prozent der Befragten sprachen sich auch für einen Ausbau der erneuerbaren Energien aus. Während beide Energiequellen für die Bevölkerung also kein Widerspruch zu sein scheinen, wird diese Idee politisch bekämpft und vor allem von Grünen und SPD abgelehnt.