
Die Süddeutsche Zeitung berichtet über eine Professorin, die nicht nur an „Long Tagesschau“ leidet, sondern vor allem an ihrem Ehemann, der freie Medien konsumiert. Das kann ja nur ein abgehängter Loser sein!
Man liest es immer wieder, gern kurz vor Ostern oder Weihnachten: „Hilfe, mein Onkel ist ein Schwurbler! So bleibt Weihnachten trotzdem friedlich“ (Hamburger Morgenpost), „Verschwörungsmythen – Was tun, wenn Familie und Freunde abdriften?“ (SWR), „Was Sie tun können, wenn der Freund auf Abwegen ist“ (Focus), „Hilfe, mein Kollege ist ein Querdenker!“ (GQ), „Verschwörungsmythen – Was tun, wenn Familienmitglieder abdriften?“ (Deutschlandfunk), „Leben mit Verschwörungsgläubigen – Hilfe für Freunde und Angehörige“ (nochmal Deutschlandfunk), „Der Verschwörungstheoretiker in meinem Bett“ (NZZ), „Was Sie tun können, wenn der Freund auf Abwegen ist“ (t-online).
Experten aus dem Juste Milieu erläutern dann, wie man es aushält, dass jemand im nahen Umfeld eine andere Meinung hat, und warum diejenigen, die sich nicht nur von Tagesschau und Zeit beschallen lassen, psychologische Hilfe benötigen. Nur eine Frage wird nie gestellt: Wäre das nicht ein Anlass, die eigenen Einstellungen zu hinterfragen? Zumindest die Möglichkeit – rein theoretisch – zuzulassen, dass man selbst auf dem falschen Dampfer ist?
Ganz heiße Story: Frau leidet unter politisch „abgedriftetem“ Ehemann.
Nicht in der Süddeutschen Zeitung, die mit der Story „Mein Mann, der Schwurbler“ ein Paradebeispiel für Selbstgerechtigkeit bietet. Sie handelt von einer Akademikerin (Professorin in Berlin), im Text mit dem Pseudonym Janne Kern versehen, denn dass ihr Mann „Blubber-Medien“ konsumiert statt des Staatsfunks, ist ihr furchtbar peinlich.
„Kerns Mann glaubt an den großen Bevölkerungsaustausch. Er hasst die EU. Er liebt Donald Trump. Er leugnet den Klimawandel. Er sagt ‚die da oben‘. Er glaubt, dass die Mauer an der US-Grenze die Mexikaner schützen wird. Er denkt, dass Corona im Labor entstanden ist.“
Während „Janne“ in ihrem akademischen Elfenbeinturm in Berlin immer noch nicht mitbekommen hat, dass die abenteuerliche Geschichte von der nicht durchgegarten Fledermaus auf dem Wildtiermarkt von Wuhan längst abgehakt ist. Ihr Mann hingegen gleicht die Wirklichkeit mit der offiziellen Erzählung ab und stellt fest: Man holt tatsächlich Millionen ins Land, die nicht integrierbar sind, und vergrault die Einheimischen. Er findet nicht, dass alles an Trump unmöglich ist – so wie mehr als die Hälfte der Amerikaner auch. Die Brüsseler Regulierungswut und Geldverschwendung will er ebenso wenig toll finden wie die Entmündigung der gewählten nationalen Parlamente.
Nichts als die Wahrheit: Das Corona-Virus kommt natürlich nicht aus dem Labor!
Und das, wo er doch „eigentlich ein Linker“ ist, wie seine Frau sagt. Auch noch nach 2015 und dem Erstarken der AfD haben sie gemeinsam Arte-Dokus über Faschismus angeschaut, so ist zu lesen. Aber ungefähr ab jener Zeit merkte er was, was sie nicht merkte. Was genau, das fragt sich weder „Janne“ noch die SZ.
Womöglich hat er mitgekriegt, dass Corona gar keine tödliche Seuche war? Und die Impfungen nicht „sicher, wirksam und nebenwirkungsfrei“? Dass die zufällig super ausgebildeten „Flüchtlinge“ den Fachkräftemangel nicht behoben haben, dafür aber die Kriminalitätsstatistik bereichert? Hat er sich gefragt, ob ein Reichsbürger-Prinz in Cordhosen wirklich kurz davor war, das System zu stürzen? Ob der Klimawandel an der Randale in Freibädern schuld sein kann und Schlepper, die illegale Migranten nach Europa verbringen, wirklich „Seenotretter“ sind?
Das sind schließlich alles seltsame Wahrheiten, die den Konsumenten der etablierten Medien täglich vorgesetzt werden, weshalb Jannes Mann, skeptisch geworden, sich nach weniger trüben Informationsquellen umsah und bei „rechten, zum Teil populistischen Online-Magazinen wie Apollo-News, NIUS und Tichys Einblick“ fündig wurde, die die offiziellen Narrative hinterfragen. Eine intellektuelle Leistung, die Professorin Janne noch nicht hingekriegt hat, weshalb daheim in Leipzig jetzt ständig dicke Luft herrscht.
Nichts als die Wahrheit II: Was nach dem Gong kommt, stimmt. Immer!
In den „teils populistischen Online-Magazinen“ werde „gegen Migranten gehetzt, gegen das Gendern, gegen die links-grüne Wokeness und gegen die EU“, erfahren wir aus der SZ, die jeglicher Hetze abhold ist, unliebsame Kritik aber gern als solche einordnet. Noch schlimmer: „So entstehen Echokammern. Wenn Menschen immer die gleichen Informationen aufnehmen, egal ob sie falsch oder richtig sind, dann fangen sie irgendwann an, diese zu glauben. In der Sozialwissenschaft nennt sich das Illusory Truth Effect.“
Immer die gleichen Informationen aufzunehmen, wenn der öffentlich-rechtliche Rundfunk sie im Verein mit den etablierten Printmedien verbreitet, hat allerdings denselben Effekt, wie man sieht. Was Ingo Zamperoni in den Tagesthemen verkündet, wird ja von so vielen Leuten für die reine Wahrheit gehalten, dass die Mehrheit glaubt, die Demokratie sei bedroht und man sollte die Opposition verbieten. Doch das wäre schon zu viel des kritischen Gedankens, jetzt muss erst einmal Jannes Mann psychologisiert werden. Irgendwas stimmt ja mit dem nicht. Zieht sich abends in seine Kammer zurück und zieht sich die Alternativmedien heimlich rein wie Honecker das West-Radio.
„Mein Mann ist ein Wende-Verlierer“, sagt Kern. Seine Eltern hätten in der Bundesrepublik nie richtig Fuß fassen können. Ein Ossi! Das hat man sich schon fast gedacht. Schwierige Kindheit, keine abgeschlossene Ausbildung, Gelegenheitsarbeiter. Aber trotzdem eine gescheite Existenz, das muss man sagen, der Begriff Islamisierung sagt ihm was. Seiner Frau nicht, islamistischer Terror, Kalifat-Demos und Halal-Essen hin oder her. Und wenn die Tochter nach Polen zum Campen will, stellt er korrekt fest, dass es dort mittlerweile sicherer ist als hier, woraufhin es dann wieder Krach am Abendbrottisch gibt.
Wie wird man so wie der Schwurbel-Papa, der mutmaßlich auch eine von der Kanzlerin rückgängig gemachte Wahl eines Ministerpräsidenten nicht prickelnd findet? Dazu wird jetzt, so will es das ungeschriebene Gesetz der Branche, ein Experte befragt. Roland Imhoff, Professor für Sozial- und Rechtspsychologie an der Gutenberg-Universität, bemüht die auch schon öfter gehörte Erklärung: „Wenn Menschen an Verschwörungserzählungen glauben, dann haben sie ganz automatisch das Gefühl, über eine Art Geheimwissen zu verfügen.“ Schwierige Situationen seien „multidimensional, komplex und überfordernd“, deshalb verlangten unterkomplexe Gemüter nach einfachen Erklärungen.
Aus den Nachrichten über die Weltläufe unterschiedliche Schlüsse zu ziehen, hält Prof. Imhoff für gefährlich: „Wenn wir uns über die Fakten nicht mehr einig sind, dann funktioniert Demokratie nicht mehr. Dann gibt es nichts mehr, worüber wir streiten können.“ Aber macht denn nicht gerade der Streit über die Interpretation von Fakten die Demokratie aus? Keine Frage, die Prof. Imhoff interessiert, der die monokausale Erklärung kultiviert: „Irgendwann komme jeder Verschwörungsideologe an seine Grenzen. Im Idealfall fange dann die kritische Selbstreflexion an.“ Allerdings nicht in seinem Milieu.
Nichts als die Wahrheit III: Wer auf seine Grundrechte pocht, ist nach rechts abgedriftet.
Zur Sicherheit zieht die SZ noch eine weitere vermeintliche Expertin heran, zur noch größeren Sicherheit in Person der systemischen Beraterin und Politikwissenschaftlerin Sonja Marzock. Die hat das Portal „entschwört“ 2021 mit aufgebaut und seither schon „mehr als 260 Menschen“ beraten. Das Petz-Portal fordert die Leute auf, Familienmitglieder zu denunzieren, die „rassistische Verschwörungserzählungen“ glauben, „krude Videos“ teilen oder gefährliche „Alternativmedien“ lesen. Ob sie auch „Janne Kern“ helfen kann, die sich schon mit Trennungsgedanken trägt und eine Familientherapeutin eingeschaltet hat?
„Ich bin mir sicher, dass er das alles nicht wirklich so meint. Das ist nicht sein Herz, das ist ein Virus“, sagt „Janne“, die ihren Mann offenbar für krank hält. Und die Ursache in den freien Medien sieht, die ihm nicht die Augen geöffnet, sondern sein Hirn infiltriert haben. Dieses Virus ist dann schon menschengemacht.
„Jannes“ Mann hat ja „zwei Gesichter“, ist eigentlich ein Lieber, kümmert sich nach der Arbeit um die Kinder, ist warmherzig und intelligent, sagt sie. Ohne seinen „Blubber-Medien“-Konsum wäre die Beziehung richtig gut, dann könnte man weiter gemeinsam Hitler-Dokus und „Jean-Jacques Bidet tanzt die Lottozahlen“ auf Arte sehen. Was könnte um 2015 herum passiert sein, das ihn auf die vermeintlich schiefe Bahn geraten ließ? Und warum hat seine Ossi-Sozialisation sich nicht schon vorher bemerkbar gemacht, schließlich kennen sich die beiden „seit mehr als zehn Jahren“?
Nichts als die Wahrheit IV: Wer an Trump irgendetwas positiv findet, ist ein Faschist. Mindestens.
Das erfährt der SZ-Leser leider nicht, schließlich geht es darum, die „Blubber-Medien“ zu schelten, die nicht in erster Linie Trump, Orbán oder Meloni kritisch beäugen, sondern vor allem die eigenen Politiker, insbesondere die Regierung. Die fragen, wofür eine Billion Steuergeld ausgegeben wird, wie es jenseits der verordneten Willkommenskultur mit der Integration von Millionen Migranten aussieht und mit welchen Mitteln gerade versucht wird, die größte Oppositionspartei aus „unserer Demokratie“ zu verbannen.
Was „Jannes“ Mann wohl gewählt hat? Man ahnt es. Eigentlich müsste er dringend zu „ent-täuscht“ geschickt werden, ein „Aussteigerprogramm für Anhängerinnen und Anhänger von Verschwörungsmythen“, um von seinem verhängnisvollen Irrweg des Skeptizismus abzukommen. Aber das ist in Niedersachsen, nicht in Sachsen. Und wahrscheinlich hat er keine Lust, sich von linken Aktivisten vollsülzen zu lassen.Die SZ-Leser bei Instagram raten „Janne“ mit überwältigender Mehrheit, den skandalös selbstständig denkenden Gatten rauszuschmeißen, so blöd das für ihre siebenköpfige Patchwork-Familie auch sein mag. Oder sie muss erstmal weiter damit leben, dass er die Tagesschau meidet und Westfernsehen guckt. Es ist aber auch immer schwierig mit diesen Ossis.
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