
Achwas, die Autoindustrie wird überbewertet, Mercedes brauchen wir nicht. Das sagt ausgerechnet der Minister eines Bundeslandes, in dem Mercedes-Benz und die Autozulieferindustrie zu den wichtigsten Industriezweigen gehört. Bis zu 400.000 Beschäftigte arbeiten bei Automobilherstellern und ihren Zulieferbetrieben in Baden-Württemberg, in dem Land, in dem das Automobil entwickelt wurde.
Dort hat Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) gegenüber der Stuttgarter Zeitung die Verlagerung von Arbeitsplätzen nach Ungarn mit den Worten kommentiert: „Die Abwanderung von Jobs schmerzt mich nicht!“ Hermann ist seit 2011 Verkehrsminister des einstigen Autolandes, eine ziemlich lange Zeit. Doch Autos sind ihm ziemlich egal, soweit es sich nicht um seine Dienstwagen dreht.
Hermann zog 1984 mit den ersten Grünen in den Stuttgarter Landtag ein, war dann im Bundestag als Vorsitzender des Verkehrsausschusses, bevor er nach Baden-Württemberg zu Winfried Kretschmann ging. Seine Zielrichtung: gegen das Auto und gegen die individuelle Mobilität. Mobilität solle nachhaltig sein, predigt er, was auch immer das heißt.
Der alte Parteikader von Bündnis90/Die Grünen war früher mal Lehrer und leitete den Bereich »Gesundheit und Umwelt« einer Volkshochschule, ist seit 2011 Verkehrsminister in Baden-Württemberg und verkündete „Weg mit dem Diesel“ und „Mut zur Veränderung“: „Schlüsselelement sind Flottengrenzwerte auf europäischer Ebene. Ohne eine deutliche Absenkung werden wir nie die Klimaschutzziele erreichen.“ Er fand für die Vernichtung von horrenden Vermögenswerten die Formulierung, alte Autos „auszuphasen“.
Seine Pläne: Die Infrastruktur ökologischer machen, den Verkehr auf ökologischere Verkehrsmittel verlagern: „Wege vermeiden – Stadt der kurzen Wege“. Radfahren empfiehlt er jedem, unabhängig davon, ob immer mehr Ältere noch radfahren können oder nicht. „Jeder Landrat freut sich, mit mir eine Radtour zu machen“, glaubt er und redet immer wieder vollmundig: „Wichtig ist, dass wir als Landesregierung die Automobilwirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft einladen zu einem siebenjährigen Transformationsprozess der Automobilgesellschaft hin zu nachhaltiger klimafreundlicher Produktion.“ Kein Fünfjahres-Plan wie bei Mao, sondern er gestattet sieben Jahre.
Mit Unsinn kennt sich Hermann ebenfalls aus. Bis Jahresende 2024 fuhren im badischen Murgtal im Landkreis Rastatt elektrische Lastwagen an einer Oberleitung. Dann war Schluss mit dem Unsinn E-Laster, die wie Straßenbahnen an Oberleitungen fahren. Das Oberleitungsgestrüpp wird abgebaut. Hermann bedauert das Ende der Teststrecke der Oberleitungslastwagen: „Es wäre ein starkes Signal gewesen, wenn der Bund diese vielversprechende Technologie hier weiter fördern würde, um auf einer längeren Teststrecke weitere Praxiserfahrungen zu sammeln“. Der „Winne“ stilisierte die Oberleitungstechnik sogar zu einer vielversprechenden Möglichkeit hoch, den Straßengüterverkehr energieeffizient und klimafreundlich zu gestalten.
In „Radschnellwegen“ sieht er ein „geeignetes Instrument, um entlang wichtiger Achsen des Alltags- und Pendlerverkehrs die Nutzung des Fahrrads über größere Entfernungen zu fördern“. Die sollen zu einem „wichtigen Baustein“ des künftigen Wegenetzes werden.
Das Schienenverkehrsangebot solle kontinuierlich ausgeweitet werden, wollte Hermann. Doch die geplagten Pendler in Ballungsräumen erleben immer häufiger, dass S-Bahnen ausfallen, weil entweder kein Personal mehr in Stellwerken vorhanden ist oder die verbliebenen Lokführer häufig ab Oktober bereits freimachen müssen, um bis Jahresende Überstunden abzubauen.
Außer Geschwätz ist nicht viel für die Eisenbahn herausgekommen. Noch immer scheitert das zentrale Infrastrukturprojekt im europäischen Schienenverkehr an den Verhältnissen in Baden-Württemberg. Dieser Rhein-Alpen-Korridor soll die Nordseehäfen in Rotterdam mit dem Mittelmeerhafen in Genua verbinden. Die Strecke erstreckt sich auf baden-württembergischer Seite über etwa 200 Kilometer von Mannheim über Karlsruhe und Freiburg bis nach Basel. Das Vorhaben umfasst den viergleisigen Ausbau bestehender Streckenabschnitte sowie den Neubau von Trassen, um die Kapazität und Geschwindigkeit zu erhöhen. Während die Schweiz mit dem 57 Kilometer langen Gotthard-Basis-Tunnel ein technisches Meisterwerk pünktlich und auch noch im Budget-Rahmen realisiert hat, tut sich nichts im Hoheitsgebiet von Hermann.
Bereits seit 2016 fahren in der Schweiz Züge durch den Tunnel, während die Strecke von Mannheim nach Basel durch das flache Oberrheintal immer noch nicht fertig ist. Dabei hat sich Deutschland im Vertrag von Lugano völkerrechtlich verpflichtet, die Zulaufstrecken zum Gotthard-Tunnel rechtzeitig bereitzustellen. Das bremst den gesamten europäischen Nord-Süd-Verkehr aus. Kein Wunder, dass die Schweiz genervt ist. Immerhin hat Hermann zuletzt betont, den Ausbau der Rheintalbahn müsse zügig vorangetrieben werden. Das war im November 2021. Gut, es spielt auch der Bund eine wesentliche Rolle, doch Hermann ist gut genug vernetzt, um entsprechenden Druck auszuüben.
Dafür überreicht er stolz den Siegerkommunen im Wettbewerb „Blühende Verkehrsinseln“ die Auszeichnung „Goldene Wildbiene“.
Kurz: An dem scheidenden Verkehrsminister drückt sich Fluch und Elend grüner Verkehrspolitik aus. Außer Geschwätz, ein paar Radwege, die man einweihen kann, und blühende Verkehrsinseln kommt nicht viel. Und der Satz, Arbeitsplätze in der Autoindustrie interessierten ihn nicht, zeugt nur von der unverschämten Arroganz, für die die Grünen zu Recht eine Niederlage nach der anderen einkassieren.