Mercedes erodiert elektrisch durch Luxusstrategie

vor 28 Tagen

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Bildquelle: Tichys Einblick

Mercedes befindet sich im Frühjahr 2025 mitten in einer Phase der deutlichen Verschlechterung aller Geschäftskennzahlen – Absatz, Umsatz, Ergebnis –, die das Zeug hat, sich zu einer ernsthaften Unternehmenskrise auszuwachsen. Zwar könnten Mercedes-Aficionados sich mit dem Hinweis beruhigen, sämtliche deutschen Autohersteller, ob Premium-, ob Massemarkt, hätten im 1. Vierteljahr 2025 erhebliche Verluste gemacht, so eben auch Mercedes. Und der China-Markt bricht bei allen Herstellern ein, so auch bei Mercedes.

Der Unterschied ist nur, bei Mercedes hält die Schwächephase schon seit zwei Jahren an, droht aus der Verlustentwicklung ein Abwärtstrend zu werden. Die von Mercedes-Chef Ola Källenius verfolgte Luxus-und „electric-only“-Strategie hat das Zeug, sich zu einer ernsthaften Unternehmenskrise auszuwachsen. Durchaus vergleichbar mit jener, in die CEO Jürgen Schrempp den behäbigen Nobel-Autokonzern aus Stuttgart Ende der 90er Jahre mit der Übernahme des US-Autokonzerns Chrysler – von vielen bereits damals als „Hochzeit des Grauens“ bezeichnet – zur Welt AG transformieren wollte. Als Schrempp ging, waren die Kassen leer, sein Nachfolger Dieter Zetsche konnte 2005 ff. eine Insolvenz – wie später bekannt wurde – gerade noch so abwenden.

Diesmal steht im Zentrum der Krise der deutschen Ikone des Baus von Nobelautos wiederum der CEO, nämlich Ola Källenius, der 2019 sein Amt antrat. Zum Teil ist Källenius, das sei der Fairness halber gesagt, als ein von widrigen wirtschaftlichen Rahmen- und Marktbedingungen Getriebener. Zum größeren Teil aber wird er gegenwärtig durch die Folgen seiner verkorksten Elektro- und vor allem Luxusstrategie in die Enge getrieben. Zwei Kommentare spiegeln die Lage: „… es ist kein zyklischer Rückgang, es ist ein Absturz mit Ansage: China läuft nicht, ‚Electric only‘ läuft nicht, USA läuft nicht“ (Aktionär Kronenberg auf der jüngsten Hauptversammlung: Mercedes: Aktionäre hinterfragen die Luxusstrategie | Automobilwoche.de). Und: „Luxusstrategie von Mercedes: Viel bleibt Källenius nicht mehr, um sie zu retten“ (Automobilwoche.de)

Natürlich sieht Mercedes-Chef Källenius sein Unternehmen nach wie vor gut aufgestellt. Alles andere wäre auch in personam als Konzernverantwortlicher fatal. „Wenn man sieht, was in der Branche los ist, ist das Quartal sehr robust gewesen. Es bringt uns in die Lage, die Innovations- und Produktstrategie mit ruhiger Hand weiterzuverfolgen.“ (Großer Vergleich: So lief das erstes Quartal für Deutschlands Autobauer | Automobilwoche.de). – An letzterem wird mehr und mehr gezweifelt. Was ist geschehen?

Als Folge der Luxusstrategie, die CEO Källenius 2021 mit der öffentlich verkündeten Aufgabe der unteren Marktsegmente und Ersatz durch generelle Höherpositionierung der Marke Mercedes im Luxussegment, ebenso wie als Folge der 2024 verkündeten „electric-only“-Strategie durch totale Aufgabe der Verbrennertechnologie ab 2030, gerät Mercedes-Benz zunehmend ins Abseits. Die traditionelle Führungsrolle im Auto-Luxussegment wandert peu à peu von Stuttgart nach München. Ziel der Luxus-Strategie von CEO Källenius war, den Anteil von Luxus-Autos deutlich zu steigern, um die Gewinnmarge nach oben zu treiben und höhere Gewinne zu erzielen. Nach dem Motto: lieber mehr teure Autos verkaufen statt billige!

Das Gegenteil trat ein: Gegenüber 2023 schrumpfte der Absatz der S-Klasse um rund 25,7 Prozent, während jener der kleineren C-Klasse als einzige im gesamten Mercedes Portfolio noch um +15,8 Prozent wuchs. Der Anteil der Luxus-Klasse am ohnehin rückläufigen Mercedes-Gesamtabsatz schrumpfte auf 14 Prozent, nachdem er in 2021 noch bei 16 Prozent gelegen hatte.

China ist ein Sonderfall, aber eben kein kurzlebiger. In China betrug der Absatzrückgang im ersten Quartal 2025 sieben Prozent, weltweit 3,6 Prozent (446.300 Einheiten). Der unerwartet intensive Wettbewerb im Reich der Mitte zwingt Mercedes zu starken Preisnachlässen, alles zulasten der Marge. Die operative Umsatzrendite, Gradmesser für die Profitabilität, lag in der Pkw-Sparte bei 7,3 Prozent und damit im ohnehin abgesenkten Korridor von sechs bis acht Prozent für das gesamte Jahr. Sollte der Zollkrieg zwischen USA und China bestehen bleiben, droht eine Halbierung der bisher erwarteten Rendite.

Hand in Hand mit der Luxusstrategie ging ab 2024 die Källenius-Strategie, den Verbrennungsmotor, Begründer des Mercedes-Mythos, ab 2030 völlig aus dem Modellplatte zu streichen und durch Elektroautos zu ersetzen. Die Luxusstrategie von Mercedes-Benz sieht vor, dass E-Autos ein integraler Bestandteil des Portfolios sind und die Marke in den Luxushimmel positionieren.

Zu diesem Zweck plante Ola Källenius für Mercedes eine Änderung der Designsprache bei Elektroautos. Konkret sollen Mercedes-E-Autos ab 2026 ein klassischeres Design erhalten und sich wieder stärker am traditionellen Mercedes-Design orientieren. Die bisherigen E-Autos der EQ-Familie haben sich schlechter verkauft als erwartet, und mit Änderung der Designsprache ab 2026 sollen neue Mercedes-E-Autos ein Design erhalten, das wieder stärker an traditionelle Mercedes-Modelle erinnert, mit mehr Chrom und dem Stern auf der Haube.

Inzwischen kam es aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung in China zu einem Abbruch der Nachfrage für Luxusautos in der Mercedes-Preisklasse. Die Chinesen wollen Luxus, aber billiger, Luxus ist weiter gefragt, aber in den unteren Klassen.

Folgend seiner – irrigen – Wachstums-Philosophie baut Ola Källenius das Elektro-Luxus-Segment unverdrossen weiter aus zulasten der unteren Brot-und-Butter-Einstiegsklassen, wie zum Beispiel der CLA-Klasse. Die strategische Källenius-Marschrichtung bis heute lautet: Günstige Modelle in den unteren Klassen „rollen“ aus dem Programm, im oberen Segment wird ausgebaut. Und alle Verbrenner werden durch Elektroautos ersetzt. Dazu zwei Beispiele:

Anmerkung am Rande: Selbst dieser neue Vierzylinder-Motor wird nicht im Schwabenland, sondern in China bei Großaktionäre Geely gebaut. Autostrategen mutmaßen, die Chinesen wollten sich so in Verbrennertechnik – die sie (noch) nicht beherrschen – fit machen, um künftig den europäischen Markt auch mit Verbrennern „unter die Räder“ zu nehmen – die ja nicht mit EU-Einfuhrstrafzöllen belastet sind. Die Hybrid-Welle rollt bereits an – ohne Zollbarrieren.

Der Mercedes-CEO setzt also erkennbar weiter auf Wachstum im Luxus-Segment. Obwohl die Kunden bisher nicht mitspielen.

Fakt ist, dass Mercedes mit dem Vision V sein Top-End-Segment noch mal ausbaut. Für die Automobilwoche ist der China Van „Der letzte Luxus Trumpf“ (Automobilwoche, Nr. 10, Mai 2025). Wobei die Absatzstatistiken über die Reise am Automobilmarkt klare Trends erkennen lassen. Bei Mercedes-Benz schrumpfte der Absatz 2024 gegenüber 2023 bei S-Klasse-Modellen um minus 26 Prozent, während im Gegensatz dazu die Verbrenner-C-Klasse-Modelle um 15 Prozent zulegen konnten – und so das Geschäftsjahr retteten.

Die strategische Källenius-Marschrichtung lautet also auch im Frühjahr 2025 noch unverdrossen: Günstige Modelle fliegen aus dem Programm, im oberen Segment wird ausgebaut. Und alle Verbrenner werden durch Elektroautos ersetzt. Denn: „Wir werden die wertvollste Luxus-Automarke der Welt stärken und in eine neue Ära führen“, kündigte er auf der Automesse in Schanghai selbstbewusst an (Automobilwoche, Nr. 10, Mai 2025). Die Automobilwoche fragt indessen besorgt: „Rettet der Mercedes-Chef mit der neue V-Klasse seine Strategie? (Retten Luxus-Vans die Strategie von Ola Källenius? | Automobilwoche.de). – Spötter meinen eher Kopf und Kragen.

Im Gegensatz zu Ola Källenius hält sein schärfster Wettbewerber Oliver Knipse bei BMW in München weiter an seiner technologieoffenen Strategie fest. Sehr erfolgreich. BMW und der scheidende AR-Vorsitzende Norbert Reithofer haben vor zehn Jahren mit dem Vorpreschen bei der E-Mobilität mit dem i3 und i8 ausreichend Erfahrungen gesammelt, dass man viele Verbrennerautos verkaufen muss, um sich als Hersteller Elektroautos leisten zu können.

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