Wie Merkel Europa mit Hilfe aus Brüssel an den Rand des Untergangs trieb

vor 2 Tagen

Blog Image
Bildquelle: Tichys Einblick

Zuletzt ist Innenminister Dobrindt fast an der Dublin-Verordnung der EU gescheitert und hat dabei ein paar Hindernisstangen gerissen. Drei Somalier klagten mit Erfolg auf Einlass nach Deutschland – den sie eigentlich gar nicht mehr brauchten, weil sie längst in Berlin angekommen waren und dort bald ins staatlich geduldete Kirchenasyl wanderten. Ihre NGO-Anwälte aber klagten, weil den drei aus Polen kommenden Somaliern ein Dublin-Verfahren zustehe, und wollten so ein Signal gegen Dobrindts Grenzkontrollen senden.

Bei Dublin-Verfahren geht es darum herauszufinden, welches Mitgliedsland für das Asylverfahren eines Migranten verantwortlich ist. Und obwohl klar war, dass die drei Somalier aus Polen gekommen waren, nutzten die Anwälte das EU-Verfahren dazu aus, um ihren Klienten ein Bleiberecht in Deutschland zu verschaffen. An diesem Punkt kann man sehen, wie EU-Recht, nationales Unvermögen und eine „NGO“-Justiz zusammenwirken. Und die Kirchen schwenken ihren Weihrauch darüber.

Jenes so arg missbrauchte Dublin-Verfahren ist aber am Ende nur nötig, weil die zugehörige Verordnung kategorisch festlegt, dass jeder Asylantrag eines ankommenden Migranten in der EU von irgendeinem Staat geprüft werden muss – obwohl weder internationale Verträge noch einzelstaatliche Gesetze die Mitgliedsländer dazu nötigen. Es handelt sich um einen jener Papiertiger aus Brüsseler Produktion, der aber sehr reale Auswirkungen auf das konkrete Leben in der EU hat.

Die EU-Regeln für den Migrantenaustausch untereinander taugten dabei nie so viel, wie sie auf dem Papier von sich behaupten. Auch das System eines Hotspot-Kranzes an den Außengrenzen, vor allem am Mittelmeer, konnte niemals funktionieren. Aufgrund dieses scheinbar effizienten, logischen Systems stehen Italien und Griechenland, später auch Spanien und Polen immer wieder kurz vor der Überlastung. Das gilt sogar in dem Fall – den das PiS-Polen illustrieren mag –, in dem eine Regierung willens ist, alle Migranten abzuweisen, zumindest wenn sie aus Belarus kommen.

Die Dublin-Regeln tun zweierlei: Sie widersprechen grundsätzlich dem Wunsch nach einem EU-Außengrenzschutz (siehe oben), und sie machen ihn faktisch undurchführbar, weil durch die verpflichtenden Verfahren Lücken im System entstehen, die widerrechtlich einreisende Migranten und die mit ihnen verbrüderten Anwälte und „NGOs“ ausnutzen. Es bleibt bei der Grundschwierigkeit: Der Wanderungssog aus dem Norden und Westen – vor allem aus Deutschland – bleibt groß. Und so baden die Grenzländer auch das saturierte deutsche Sozialsystem aus. Am Ende landet ein großer Teil der Migranten tatsächlich in Deutschland.

Dublin funktioniert aber auch aus der anderen Perspektive nicht, wie die Bundesregierung seit vielen Jahren erlebt. Nur ein verschwindender Anteil der illegal eingereisten Migranten in Deutschland kehrt in die Ersteinreiseländer zurück. Es ist, wie man an der EU-Türkei-Erklärung sehen kann und wohl auch an der kommenden Abmachung zwischen Großbritannien und Frankreich sehen wird, immer eine Krücke und mit erheblichen Schwierigkeiten behaftet, wenn man illegale Migration, die einmal ihren Weg genommen hat, wieder rückgängig machen will. Den einen Staat kümmern die Gesetze des anderen herzlich wenig. Er hat seine eigenen zu wahren, die eigene öffentliche Ordnung und das eigene Recht. Und das gilt nicht nur für Nachbarn wie die Türkei, das gilt trotz aller Lobeshymnen und Schwüre auch innerhalb der EU.

Aber vielleicht kann es auch ein Gedankenspiel geben, in dem das Dublin-System seinen Teil zu einer Ordnung der Migration in Europa beiträgt. Es würden die Migranten in das Land und letztlich an jene Grenze zurückgebracht, von der sie gekommen sind. Letztlich könnte dann die Abschiebung in ein Nicht-EU-Land stehen. Und wenn man Dublin so versteht und eigentlich schon idealisiert, dann hätte Merkel-Deutschland ganz sicher seinen Teil dazu beigetragen, dass dieses europäische System nicht zur Anwendung kam.

Deutschland hat seit Merkels bewusst irreführenden Worten und Bildern, die den „Wir-schaffen-das-Übermut“ und die unbegrenzte Aufnahmefähigkeit der deutschen Gesellschaft global bewarben, einen Migrationsmagneten angeknipst und ihn nie wieder ausgeschaltet. Einen Magneten, der illegale Migranten in rauhen Mengen nach Europa und in die EU saugt, in der begründeten Hoffnung, dass sie am Ende einen Aufenthaltstitel gleich welcher Art in Deutschland gewinnen können. Es ist eine große Lotterie, und fast alle Lose gewinnen. Noch fehlt jeder Beweis, dass sich daran unter Merz/Dobrindt etwas prinzipiell ändern wird.

Gedacht war das offenbar von Anfang an als Lösung des sogenannten „demographischen Problems“ der ausbleibenden Geburten. Die Wirtschaft verlangt angeblich nach billigen Händen (wirklich?), die Sozialpolitiker bangen um die Einzahler in das immer maroder werdende Rentensystem, mehrere Branchen erfreuen sich an den neuen, vom Staat erhaltenen Konsumenten. Es war und ist ein wildes Remmidemmi, das vielleicht sogar eine kleine – staatlich finanzierte und teuer erkaufte – Konjunkturwelle ausgelöst hat.

Geschleift wurde auf dem Weg dorthin nicht nur das Grundgesetz, das keine Asylanträge nach Einreise aus einem sicheren Land (zum Beispiel Österreich) zulässt, sondern auch die EU-Regeln, die einen Rest von Vernunft enthielten. Die Chronik von „Dublin“ beginnt 1990 mit dem ersten Übereinkommen zwischen den damaligen EG-Mitgliedern, das aber erst 1997 in Kraft treten sollte. Flankierend kam das Schengener Durchführungsabkommen dazu, das die an sich offenen Binnengrenzen und etwaige außerordentliche Grenzkontrollen regelte.

2003 wurde das Dublin-Übereinkommen durch die Dublin-II-Verordnung ersetzt. Aus einem völkerrechtlichen Vertrag wurde eine EU-Verordnung mit – angemaßtem! – Vorrang vor dem Grundgesetz. Gleichzeitig wurde die europäische Datenbank EURODAC eingeführt, die bis heute der Identifizierung von Migranten und ihren Wanderungswegen dienen soll. Es gibt also durchaus Instrumente, die auch die Bundespolizei nutzen könnte (und sehr gerne würde), was aber zu wenig geschieht oder zumindest kaum Erfolg abwirft. Und während es im ursprünglichen Abkommen darum gegangen war, dass jeweils ein bestimmtes Land für die Asylanträge zuständig war, schuf man 2013 in der zweiten Dublin-III-Verordnung das „Selbsteintrittsrecht“ einzelner EU-Staaten.

Es dauerte nicht einmal zwei volle Jahre, bis dieses neue „Recht“ benutzt wurde. Als erstes und einziges Land machte allein Deutschland davon seit dem Sommer 2015 Gebrauch. Nachdem das Merkel-Kanzleramt die Kapitulation an den Grenzen beschlossen hatte, wollte die Bundesregierung zunächst „nur noch bestimmte Flüchtlinge“ neu verteilen, später gar keine mehr. So verstrichen die Jahre 2015 und 2016 mit der Aussetzung der Dublin-Verfahren. Später streikten wiederum die Südländer in punkto Rücknahme, vor allem Italien, was aber auch kein Wunder war: Die vorausgehenden Berliner Entscheidungen hatten die Masseninvasion der südlichen EU-Grenzen weiter ermutigt, statt abweisende Signale zu senden. Der Druck blieb und bleibt daher hoch.

Es wurde also nie so recht etwas mit dem ordentlichen Dublin-System, das zugleich der erste konkrete Schritt zum gemeinsamen EU-Asylsystem (GEAS) war, und das soll in diesen Jahren ja noch ausgebaut werden. Doch das Dublin-System war im Grunde noch vor dem fatalen Jahr 2015 krachend gescheitert und riss das Schengen-System mit sich. Seit einem Streit zwischen Silvio Berlusconi und Nicolas Sarcozy war auch Schengen praktisch Makulatur. Italien sah sich angesichts des „arabischen Frühlings“ nicht in der Lage, die gestiegenen Migrationsströme aufzunehmen und vergab Touristenvisa an die Neuankömmlinge. Frankreich reagierte mit Kontrollen an der gemeinsamen Grenze, die seither nie wieder aufgehoben wurden. Fast gleichzeitig begann Dänemark damit, seine Südgrenzen zu kontrollieren – um sich vor der deutschen Laxheit zu schützen.

Im April 2015 forderte Innenminister Thomas de Maizière die Anwendung des geltenden Rechts (was auch immer er darunter verstand), außerdem EU-weite Unterbringungsstandards für illegal Eingereiste (sehr ehrenwert und geradezu vorausschauend), eine Angleichung der Anerkennungsquoten sowie irgendwelche „Kriterien zur Rückführung“, auf die sich wiederum alle betroffenen EU-Länder hätten einigen sollen. Das war aber alles genauso illusionär wie heutige Forderungen nach einer Wiederbelebung der Dublin-Verfahren. Das Herumgeschiebe von Migranten in einem immer einheitlicheren Rechtsraum mit offenen Grenzen hat wenig Sinn. Die griechische Regierung hat noch am ehesten Recht, wenn sie zwischen den Zeilen sagt, dass es Rückführungen in Drittländer, nicht in andere EU-Länder brauche. Das ist schon aus dem Hintergrund der offenen Binnengrenzen klar.

Außerdem ist die Bundesregierung seit Jahren phänomenal erfolglos bei der Rücküberstellung von Migranten in die Erstankunftsländer. Zudem kommen aus Griechenland inzwischen anerkannte „Flüchtlinge“, die nun vor fehlenden Sozialleistungen in dem Mittelmeerland ins vermeintlich reiche Deutschland ‚fliehen‘. Aber Deutschland tut sich immer noch schwer damit, irgendwie wirksame Maßnahmen in Sachen der Asyl-Afghanen aus Griechenland zu ergreifen. Das ist eines der Bilder für die deutsche Ohnmacht – die aber nur eine heimliche Macht und einen festen Entschluss gewisser Kreise verbirgt, die diese Asylkrise nicht enden lassen wollen.

Und so bleibt die Frage: Was soll uns eigentlich diese EU in Sachen Migration bringen, die doch – von der Leyen hat es klar gesagt – unwillig ist, an ihren Außengrenzen feste „Mauern“ und Barrieren zu errichten, die illegale Einreisen ein für alle Mal beenden würden? Zurückweisungen auf hoher See, die in Brüsseler Links-Kreisen gerne als „Pushbacks“ verunglimpft werden, müssten allerdings fest dazugehören. Dublin galt einigen ‚Konservativen‘ als Versprechen und Weg, um das selbstgeschaffene Problem der Deutschen auf andere abzuwälzen. Aber das hat weder in der Vergangenheit funktioniert, noch wird es das in Zukunft tun. Nur eine EU als Bund selbstbewusster Nationalstaaten wird das Dublin-Schengen-Elend beenden und den Migrationsmagneten abschalten. Aber dazu muss wohl vor allem Deutschland noch um einiges mehr in die Enge geraten.

Publisher Logo

Dieser Artikel ist von Tichys Einblick

Klicke den folgenden Button, um den Artikel auf der Website von Tichys Einblick zu lesen.

Weitere Artikel