Merkel setzte bei der US-Wahl auf Kamala Harris

vor 5 Monaten

Blog Image
Bildquelle: NiUS

Kanzlerin a. D. Angela Merkel gehört indirekt zu den Verlierern der Präsidentschaftswahl in den USA. „Ich wünsche mir von Herzen, dass sich Kamala Harris, die ich während meines letzten Besuchs als Bundeskanzlerin in Washington im Juli 2021 bei einem gemeinsamen Frühstück kennenlernte, bei der Präsidentschaftswahl gegen ihren Mitbewerber durchsetzt und zur ersten Präsidentin der Vereinigten Staaten von Amerika gewählt wird“, schreibt Merkel in ihren Erinnerungen („Freiheit“. Kiepenheuer & Witsch, 746 Seiten, 42 Euro), aus denen die Zeit vorab zitiert.

In dem vorab veröffentlichten Auszug berichtet Merkel auch über ihr schwieriges Verhältnis zu Donald Trump, der ihr wenige Tage vor dem G20-Gipfel in Hamburg 2017 mitteilte, dass er aus dem Pariser Klimaabkommen aussteigen werde. Ein heftiger Rückschlag für Merkel, die das Klima-Thema auf dem Gipfel zu einem Schwerpunkt machen wollte. Am Ende gab es ein Abschlussdokument von 19 zu 1 mit einem Sondervotum Trumps, der sich von den anderen Teilnehmern absetzte.

Inhaltlich erfährt der Leser zumindest der ersten zugänglichen Passagen wenig Neues. Merkel und ihre Koautorin, die langjährige Büroleiterin Beate Baumann, erzählen strikt entlang der auch bisher öffentlich bekannten politischen Vorgänge. So schildern sie etwa die ungewöhnliche protokollarische Distanz, mit der die Kanzlerin Trump zu seiner ersten Wahl gratulierte:

„Zu seiner Wahl am 9. November 2016 sprach ich Donald Trump in einem Statement im Kanzleramt nicht allein meinen Glückwunsch aus, sondern betonte zudem, dass unsere beiden Länder durch gemeinsame Werte wie Demokratie, Freiheit, den Respekt vor dem Recht und der Würde des Menschen unabhängig von Herkunft, Hautfarbe, Religion, Geschlecht, sexueller Orientierung oder politischer Einstellung verbunden waren. ,Auf der Basis dieser Werte' bot ich ihm eine enge Zusammenarbeit an.“ Diese Art der Belehrung polarisierte allerdings schon damals. Im Merkel-kritischen Lager wurde es als transatlantische Bevormundung und moralische Herablassung verstanden, während die Kanzlerin aus dem amerikakritischen, linksliberalen Millieu Beifall erhielt.

Merkel mit Biden, Trump, Obama, Bush

„Vier Monate später, am 17. März 2017, besuchte ich ihn in Washington“, schreibt Merkel. „Den Besuch hatte ich akribisch vorbereitet, rief er doch großes Interesse in Deutschland hervor, zum Teil auch in den USA.“ Wie sich Merkel damals vorbereitete, schildert sie im Buch leider nicht näher. Tatsächlich hatte sie schon zum Jahreswechsel und vor der Inauguration ihren außenpolitischen Berater Christoph Heusgen nach Washington entsandt, um Informationen über den erratischen Unternehmer zu sammeln. Eine der Botschaft, die Heusgen mitbrachte, lautete: Lass es im Gespräch immer so aussehen, dass er Recht und die Oberhand behält. Merkel hatte sich zudem über die Feiertage zum Jahreswechsel mehrere Folgen von Trumps TV-Show „The apprentice“ (Der Lehrling) angesehen, um nähere Aufschlüsse über sein Temperament zu erhalten. Trumps Unberechenbarkeit verunsicherte Merkel sichtlich.

Bei der Schilderung ihres Antrittsbesuches im Weißen Haus beschreibt sie eine Szene, die damals in der Tat für Furore sorgte: „Als ich am Weißen Haus eintraf, begrüßte mich Donald Trump an der Tür in Anwesenheit von Pressevertretern mit einem Handschlag. Vor unserem Vieraugengespräch im Oval Office präsentierten wir uns ein zweites Mal den Medien. Als Journalisten und Fotografen einen weiteren Handschlag forderten, ignorierte er dies. Anstatt die Szene stoisch durchzustehen, flüsterte ich ihm zu, dass wir uns noch einmal die Hände schütteln sollten – beim Besuch von Japans Ministerpräsident Shinzō Abe hatte er es neunzehn Sekunden lang getan, ohne dass sich Abe wehren konnte. Kaum hatte ich das gesagt, schüttelte ich innerlich über mich selbst den Kopf. Wie konnte ich vergessen, dass Trump genau wusste, welche Wirkung er erzielen wollte. Folgerichtig ging er auf meinen dezenten Hinweis auch nicht ein. Er wollte durch sein Verhalten Gesprächsstoff kreieren, während ich so getan hatte, als hätte ich es mit einem sich normal verhaltenden Gesprächspartner zu tun.“

Merkel und Trump 2019 in England.

Trumps Verhältnis zu Merkel war zwiespältig. Er achtete die Tatsache, dass sie es geschafft hatte, ihre Partei, Deutschland und Europa mit ihrem Einfluss zu prägen und er verachtete gleichzeitig die inhaltliche Ausrichtung ihrer Politik. Vor allem die Migrationspolitik hielt er für einen schweren Fehler. Aber er hielt und hält auch nichts von ihrem internationalistischen Ansatz, wonach Nationen ihre eigenen Interessen zurückstellen müssten, wenn übergeordnete, multinationale Verabredungen dies erforderten. In den Augen Trumps setzt sich jeder Regierungschef zuerst für sein eigenes Land ein und macht allenfalls Deals zum gegenseitigen Nutzen.

Eine Weltsicht, die aus dem gnadenlosen Geschäftsleben entlehnt ist und Trumps Faszination für starke Regenten erklärt. „Im Vieraugengespräch tasteten wir uns langsam vor“, schreibt Merkel. „Donald Trump stellte mir eine Reihe von Fragen, so auch nach meiner ostdeutschen Herkunft und meinem Verhältnis zu Putin. Der russische Präsident faszinierte ihn offenbar sehr. In den folgenden Jahren hatte ich den Eindruck, dass Politiker mit autokratischen und diktatorischen Zügen ihn in ihren Bann zogen.“

Mehr NIUS:

Publisher Logo

Dieser Artikel ist von NiUS

Klicke den folgenden Button, um den Artikel auf der Website von NiUS zu lesen.

Weitere Artikel