Merz beschwert sich über Zwietracht in der Gesellschaft – und klingt wie die späte Merkel

vor etwa 2 Stunden

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Friedrich Merz mag keine Kritik. Der Kanzler hat ein dünnes Nervenkostüm. Abweichende Meinungen nimmt er persönlich. In der gestrigen Generaldebatte im Bundestag verteidigte Merz, was kaum zu verteidigen ist: die Bilanz seiner in sämtlichen Umfragen abgestraften schwarz-roten Koalition.

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Für deren geringes Ansehen machte er keineswegs die eigene Performance verantwortlich. Nein. Es gäbe da „politische Kräfte“ im In- und Ausland mit einem finsteren Ziel: Diese Kräfte wollten die Bundesregierung „auseinanderdividieren“. Das klingt wie eine Verschwörungs-Erzählung. Als beleidigte Leberwurst aber wird Merz das Vertrauen, um das er ständig wirbt, nicht zurückgewinnen.

Das Volk nimmt Merz die Beteuerungen nicht ab, bald werde sich alles zum Guten wenden. Viele Bürger sehen in Friedrich Merz einen Bruder Leichtfuß, den man besser nicht nach dem Weg zur nächsten Tankstelle fragt. Merz sollte sich darüber nicht beschweren. Er ist es, der Wahlversprechen brach. Merz aber beschwert sich. Er meint offenbar, das gehe alles nicht mit rechten Dingen zu. Er spekuliert über dunkle „politische Kräfte“.

Interessant. Merz beklagt, dass „unser Zusammenhalt“ offen infrage gestellt werde. Wo aber bitte schön gibt es jenen von der Regierung erwünschten „Zusammenhalt“, der offenbar ein Tarnbegriff ist für Kritiklosigkeit? Schon Vorgänger Scholz wünschte sich Zusammenhalt und meinte Applaus.

Die Gesellschaft wiederum muss gar nicht „auseinanderdividiert“ werden. Es ist der Normalzustand, dass eine freie Gesellschaft kein monolithischer Block ist. Und schon gar nicht hat eine Regierung das Recht, von scharfer Kritik verschont zu bleiben. Wenn sich ein Kabinett von Kritik auseinanderdividieren lässt, war es ein zerstrittener Haufen von Anfang an.

Doch Merz lässt es bei den Vorwürfen nicht bewenden. Die Regierung werde handeln. Wo auch immer, wer auch immer „Zwietracht“ säe – das waren die Worte des Kanzlers –, da habe die Regierung ein Gegenmittel parat: den Konsens, sogar den „neuen Konsens der Gerechtigkeit in unserem Land“. Konsens also statt Zwietracht: das ist die Devise von Merz.

Friedrich Merz war offenbar abwesend, als die Grundlagen der parlamentarischen Demokratie vermittelt wurden. Es kann nicht Aufgabe einer demokratisch gewählten Regierung sein, einen Konsens, also eine gesellschaftliche Übereinkunft zu begründen.

Davon abgesehen, dass ein solcher Konsens, eine solche Einheit der Überzeugungen, in freien Gesellschaften illusorisch ist: Regierungen sind nicht der Souverän des Landes. Regierungen müssen den Willen des Souveräns umsetzen.

Der Souverän ist das Volk. Eine Regierung, die einen gesellschaftlichen Konsens begründen könnte, hätte sich aus der Demokratie verabschiedet.

Merz will Konsens statt Kritik, die er Zwietracht nennt. Er will neuen Zusammenhalt, um ruhig regieren zu können.

Eine Gesellschaft hält dann einigermaßen zusammen, wenn die Bürger sich ernst genommen fühlen. Und wenn die Regierung tut, wofür sie gewählt worden ist. Bürger müssen sich nicht vorhalten lassen, sie täten zu wenig für den Zusammenhalt – oder sie gingen ominösen „politischen Kräften“ auf den Leim, die Zwietracht säen.

Ich fürchte: Merz ging bei Merkel in die Schule. Die Langzeitkanzlerin beklagte Spaltungen, zu denen sie selbst beitrug. Sie floh in Illusionen von Gemeinsinn und Zusammenhalt.

Ein neuer Zusammenhalt: den wünschte sich die Kanzlerin Merkel, den fordert Kanzler Merz. Merkel erreichte das Gegenteil dessen, was sie sich 2018 vorgenommen hatte. Sie hinterließ ein polarisiertes, ein massiv gespaltenes Deutschland – dank ihrer Politik.

Bei Merz werden noch Wetten angenommen. Als beleidigter Konsens-Kanzler aber, dem niemand folgt, wird er scheitern.

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