Merz‘ Entlastungsprogramm: Kaum mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein

vor etwa 15 Stunden

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Bevor wir uns den bislang vorgestellten Reformplänen von Bundeskanzler Friedrich Merz und Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) widmen, ein paar „Hard Facts“: Deutschland befindet sich im dritten Rezessionsjahr, die Privatwirtschaft schrumpft im Rekordtempo, die Sozialkassen leeren sich schneller als gedacht und eine Insolvenzwelle rollt durchs Land, die allein in den letzten vier Jahren 320.000 Menschen ihre Jobs gekostet hat. Seit 2017 stagniert die Produktivität der Ökonomie, Jahr für Jahr wird Kapital in Milliardenhöhe vom Standort Deutschland abgezogen. Allein 2023 waren es unterm Strich 94 Milliarden Euro an Direktinvestitionen – Unternehmer und Investoren haben den Daumen über der deutschen Politik gesenkt.

Soweit die kurze Bestandsaufnahme. Deutschland blutet wirtschaftlich aus. Überbürokratisiert, mit Energiekosten jenseits von Gut und Böse, macht es die Politik der Wirtschaft schwer, auf internationaler Ebene im Spiel zu bleiben. Die Großen ziehen sich zurück, Wertschöpfungsketten werden neu geordnet und der Mittelstand steht mit leeren Händen da. Bundeskanzler Friedrich Merz präsentierte als Antwort auf die Krise ein Entlastungsprogramm, das neben der Wiedereinführung der degressiven Abschreibung auch eine Entlastung der Wirtschaft bei der Steuer vorsieht.

Bis 2029 soll die Wirtschaft auf diese Weise um 46 Milliarden Euro, oder 1,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, entlastet werden. Das wären 11,5 Milliarden Euro im Jahr – ein Scherz, bedenkt man, dass die Abgabenquote in Deutschland mit 47 Prozent 13 Prozent über dem OECD-Durchschnitt liegt. In den USA liegt sie sogar nur bei 27 Prozent, in Großbritannien bei 33 Prozent – hier findet sich das wahre Feld für wirtschaftspolitische Reformen. Sich hier zu engagieren, hieße, ans Eingemachte zu gehen, die Sozialetats genauso zu begrenzen, wie die illegale Migration unter Kontrolle zu bringen, die zum Senkblei der deutschen Wohlfahrtsillusion geworden ist.

Friedrich Merz‘ „großer Wurf“ ist in Wahrheit ein kleiner Hüpfer, bedeutungslos auf dem geoökonomischen Schachbrett, da er nicht den Mut aufbringt, die Wurzel des Problems, die gescheiterte Energiepolitik, mit Stumpf und Stiel aus dem Boden zu reißen.

Und was macht die Bundeswirtschaftsministerin? Auch Katharina Reiche adressiert die Krise der deutschen Wirtschaft und wird in zwei Fragen erstaunlich konkret: Der sich auftürmenden Rentenkrise will sie mit einem höheren Renteneintrittsalter begegnen. Geht es nach der Ministerin, soll zunächst einer der SPD-Favoriten, die Rente mit 63 eingestampft werden. Immer mehr Menschen im Alter von 60 bis 64 Jahren gehen vorzeitig in Rente. Der Druck auf die Rentenkasse und die Beitragssätze steigt, weshalb Reiche einen schnelleren Hochlauf des Renteneintrittsalters von 67 Jahren fordert.

Allerdings stehen die Sozialdemokraten zwischen Reiche und einer längst überfälligen Reform der Rente. Sie sehen die Gelegenheit, einer der Wählerhochburgen ihres Koalitionspartners, den über 20 Millionen Rentenbeziehern, weitere Breschen ins Mauerwerk zuzufügen. Neben dem Aus der Rente mit 63 fordert Reiche eine zügigere Anhebung der Lebensarbeitszeit, um die Rentenkassen zu stabilisieren. Frühverrentungen sollen der Vergangenheit angehören, die Anhebung des Renteneintrittsalters schneller vollzogen werden. Längere Maloche, anstatt eines Rückbaus des Sozialstaats – auch Reiche bringt nicht den Mut auf, die fundamentalen Probleme des Landes an ihrer Wurzel anzupacken.

Überraschendes kam dann aber von der Energiefront. Reiche schwebt eine Offensive im Bereich der Gaskraft vor. Auf eine Gesamtleistung von 20 Gigawatt will sie die Gaskraft hochfahren – 32 Milliarden Euro würden für diese kleine Energiewende innerhalb der Wende fällig, die dem Wackelstrom der Erneuerbaren den notwendigen Backstop sichern soll. Immerhin: Es scheint, man habe in Berlin die Ursache der beschleunigten Deindustrialisierung des Standorts ausgemacht und versucht nun, erste Korrekturen vorzunehmen.

Das wird umso entscheidender, da man sich in Brüssel darauf verständigt hat, den Gasimport aus Russland bis Ende 2027 vollständig zu unterbinden. Deutschland stünde dann zunehmend im Regen seiner grünen Transformation, mit Industriestrompreisen, die der deutschen Wirtschaft den Rest geben.

Reiches Energiepolitik bleibt dem Geist der zentralen Planung treu. Der Staat plant ergänzende Gaskraftwerkskapazitäten zur Absicherung der Energiewende und weicht kein Jota von seiner grundsätzlichen Linie der zunehmend staatlich organisierten Energiewirtschaft ab. Ein weiteres Projekt, der subventionierte Industriestrompreis für energieintensive Betriebe, wird wohl von der EU-Kommission als unerlaubte Beihilfe aus dem Spiel genommen – eine Demütigung, wenn man bedenkt, dass Deutschland seine industrielle Basis im Namen der grünen Agenda dieser Organisation opfert.

Was die Bundesregierung als großen Befreiungsschlag für die Wirtschaft feiert, entpuppt sich bei genauer Betrachtung als zu klein gedachtes Stückwerk und substanzlose Augenwischerei. Die angekündigten Entlastungen sind angesichts der erdrückenden Steuer- und Abgabenquote nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein. Der Aufbau des im weltweiten Maßstab größten Sozialstaats führt die öffentliche Hand in die fiskalische Falle. Und auch die Reformpaketchen der Regierung Merz werden keine Linderung verschaffen, ganz im Gegenteil: Die zwingend notwendige Sozialstaatsreform ist von der politischen Agenda endgültig verschwunden.

Austerität kennt man nur im Bereich der Privatwirtschaft, die letzten Endes für jedes sozialpolitische Projekt geradesteht. In den kommenden Monaten wird die Staatsquote die symbolträchtige Marke von 50 Prozent überschritten haben. Hinter ihr verbergen sich die gravierenden strukturellen Probleme der deutschen Wirtschaft. Der wuchernde Staatsapparat, sein lähmendes Sozialwesen, werden von der Bundesregierung mit keinem Wort adressiert. Die politische Prosa, mit der sich Bundeswirtschaftsministerin Katharina Reiche dem Bürokratieabbau zuwenden will, kennen wir aus der Vergangenheit: Nichts wird geschehen.

Staatliche Institutionen und Bürokratiekörper führen, gleich sozialen Organismen, ein Eigenleben. Sie kämpfen um ihre Existenz und streben nach Expansion, ihre Budgets wachsen. Und Kanzler Merz konterkariert auch hier wieder seine vollmundigen Versprechen vom Bürokratieabbau und bläht die Ministerialverwaltung des Bundes als ersten Akt um 200 Beamte weiter auf, während Reiche noch im Mai von einem Personalabbau im Wirtschaftsministerium von 25 Prozent sprach – doch da nahm Schuldenkönig Merz seiner Kollegin ziemlich schnell den Wind aus den Segeln.

Nein, Bürokratieabbau wird es nur dann geben, wenn der Staat zahlungsunfähig ist. Der Weg dorthin ist noch weit, aber wir kennen seine letzte Etappe: Sie wird begleitet von einem deutschen Javier Milei, der buchstäblich die Kettensäge einsetzen wird, um den Bürokratie-Dschungel zu roden. Dass es nicht Friedrich Merz sein wird, der die Kettensäge zur Hand nimmt, hat er mit seiner dreisten Täuschung der Wähler, die Schuldenregeln einhalten zu wollen, mit Nachdruck unterstrichen.

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