
Friedrich Merz kann es nicht. Der Bundeskanzler mag das Urteil als ungerecht empfinden. Aber die meisten Bürger sehen es so. Auch die Wirtschaft lässt kein gutes Haar an der neuen Regierung. Noch bevor das Merz-Kabinett am Donnerstag 100 Tage im Amt sein wird, lautet das Zeugnis aus fast allen Richtungen: Mangelhaft. Fünf. Klassenziel verfehlt.
Merz bleibt nicht nur meilenweit hinter den Erwartungen zurück, die er als Oppositionspolitiker geweckt hat. Auch die Vorgaben, die er sich als Kanzler gesetzt hat, blieben bisher Illusion. Sein Scheitern ist groß und fatal. Es zeigt: Wer kein Rückgrat hat und keinen Kompass, verfehlt sämtliche Ziele.
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Die Startbedingungen der Kanzlerschaft des Friedrich Merz waren eindeutig. Die Union wollte einen Schlussstrich ziehen unter das Ideologieprojekt der Ampel. Merz war als programmatischer Gegenentwurf zu Scholz, Habeck und Baerbock angetreten. Er gefiel sich in der Rolle des konservativen Bierzelt-Redners. Er versprach die Rückkehr zur politischen Vernunft.
Heute sehen wir: Links ist keineswegs vorbei. Die Union lässt sich von der SPD, einer in Umfragen auf bis zu 13 Prozent geschrumpften Kleinpartei, am Nasenring durch die politische Arena ziehen. Das linke Umerziehungsprogramm namens „Demokratie leben“ wurde nicht eingestellt. Die Reform des Bürgergelds lässt auf sich warten. Eine wirkliche Ausschaffungsoffensive für Ausländer ohne Bleiberecht gibt es nicht.
Wohl aber gibt es ein teures Rentenpaket, das die SPD erfreut, Wirtschaftsexperten aber in die Verzweiflung stürzt. Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm erklärt die ersten 100 Merz-Tage für verlorene Tage und fordert: „Die CDU darf sich von der SPD nicht weiter vor sich hertreiben lassen. Das hat schon angefangen, als man sich noch vor den Koalitionsverhandlungen ohne jedes Augenmaß in zusätzlichen Schulden verstrickt hat.“ Sonst verliere Deutschland seine Wettbewerbsfähigkeit. Sagt Veronika Grimm.
Links ist also nicht vorbei. Vorbei aber sind die Hoffnungen, die Merz in seiner ersten Regierungserklärung am 14. Mai geweckt hat. Mit einem präzisen Zeitrahmen:
Der Sommer ist da, die Wende zum Besseren ist es nicht. Der wirtschaftliche Niedergang setzt sich fort. 68 Prozent der von der „Wirtschaftswoche“ befragten privatwirtschaftlichen Entscheider und Leitenden Angestellten sagen: Wir sind sehr oder eher unzufrieden mit der Arbeit der Bundesregierung. 68 Prozent – das sind mehr als zwei Drittel der Entscheider.
In der Gesamtbevölkerung erklären derweil 59 Prozent, sie seien mit der Arbeit des Kanzlers unzufrieden. Vorgänger Scholz hatte zum entsprechenden Zeitpunkt lediglich eine Unzufriedenheits-Quote von 41 Prozent. Merz ruiniert die Hoffnungen und Erwartungen rekordschnell. Er ist der Mann, auf den niemand einen Pfifferling setzen mag.
Links ist nicht vorbei, die Wirtschaftskrise nicht, das Stimmungstief nicht – wohl aber vorbei ist die unverbrüchliche Solidarität mit Israel. Sie hatte Merz in seiner ersten Regierungserklärung beschworen.
Wer so redet wie Merz am 14. Mai, der darf nicht wie Merz am 8. August verkünden, Deutschland werde Israel künftig Rüstungsgüter vorenthalten. Nach der Wirtschaft, den Bürgern und den Wählern hat Merz jetzt weite Teile der jüdischen Gemeinschaft und auch der eigenen Fraktion gegen sich aufgebracht. Damit steht es 5:0 gegen Merz. Keinem Bundeskanzler vorher ist diese allseitige Entfremdung derart schnell gelungen.
Merz wurde gewogen und für zu leicht befunden. Sein kompassloser Zickzack-Kurs, seine Mischung aus kleinlauter Unterwerfung und schriller Großmannsucht schadet Deutschland. Ja, seine Kanzlerschaft wird sich vermutlich noch einige Monate dahinschleppen. Aber er ist ein Untergeher, der den eigenen Untergang bewohnt.
Merz ist der Mann, dem niemand mehr traut, und insofern ist es mit ihm vorbei.