
Seit 50 Tagen ist die schwarz-rote Regierung am Mittwoch im Amt. Die Hälfte der Schonzeit von 100 Tagen, die eine neue Regierung erhält, ist dann folglich vorbei. Die Zwischenbilanz des Kabinetts Friedrich Merz (CDU) fällt gemischt aus. Seine Ministerriege ist einige Probleme angegangen. Doch die Regierung ist in Widersprüche und Fehlentwicklungen verwickelt, die vier Amtszeiten Angela Merkel (CDU) und eine von Olaf Scholz (SPD) hinterlassen haben.
Auf der Haben-Seite der Regierung Merz steht die Bereitschaft, Probleme offener und mit deutlicheren Worten anzusprechen, als es unter Merkel, SPD, Grünen und FDP üblich war. Besonders Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) in der Frage der illegalen Einwanderung. Aber auch Merz im Schwerpunkt seiner Kanzlerschaft: der Außenpolitik. An dem Tag, an dem sein Kabinett den Entwurf für den Haushalt verabschiedet, hält er eine Regierungserklärung im Bundestag: zum Nato-Gipfel und zum EU-Rat. Den Haushalt erwähnt Merz nur in einem Punkt. Der Punkt, der ihm wichtig ist: Bis 2029 gibt der Bund jährlich rund 150 statt wie bisher 50 Milliarden Euro jährlich für die Armee aus. 3,5 Prozent des Bruttoinlandproduktes. Einige Jahre früher, als es die Nato-Partner vereinbart haben.
Merz ist der Bundesaußenkanzler und er will auch der Musterschüler in EU und Nato sein. Er rühmt seine Regierung: “Deutschland ist zurück auf der internationalen Bühne.” Das Land stehe vor der Aufgabe, seine “Interessen aktiv und unmittelbar zu vertreten” und seine “geopolitische Umgebung nach Kräften mitzugestalten”. Merz will Deutschland zur Großmacht machen und sagt das offen. Auch wenn dann ein Drittel aller Bundesausgaben für das Militär draufgeht. Merz will Großmachtkanzler sein. “Whatever it takes”.
In der jetzigen Außenpolitik spielt Deutschland nur die Rolle des Beobachters. Mal mit wohlwollend klaren Worten: Etwa, wenn er sagt, dass es das Staatsziel des Irans ist, die Existenz Israels zu vernichten. Und danach betont: “Unsere Staatsräson ist die Verteidigung des Staates Israel in seiner Existenz.” Umso erstaunlicher sind diese deutlichen Worte des Regierungschefs, da Deutschland in Frank-Walter Steinmeier (SPD) offiziell ein Staatsoberhaupt hat, das als Außenminister das Land diplomatisch in die Nähe des Irans geführt hat und als Bundespräsident den Mullahs zum Jahrestag ihres islamistischen Putsches gratuliert hat. Angeblich versehentlich.
Doch Steinmeier ist Staatsoberhaupt. Seine Partei, die SPD, ist Merz Koalitionspartner. Das verstrickt Merz in die Widersprüche und Fehlentwicklungen seiner Vorgänger. Die haben dafür gesorgt, dass Deutschland in den Vereinten Nationen immer wieder Resolutionen gegen Israel zugestimmt hat – während Terrorregime wie eben der Iran so gut wie nie Thema waren. In dieser Tradition sagt Merz in Richtung Tel Aviv: “Wir erlauben uns, kritisch nachzufragen, welches Ziel Israel im Gaza-Streifen erreichen will. Der Moment ist gekommen, Waffenstillstand für Gaza zu fordern.” An der Stelle ist es ganz gut, dass Merz derzeit international nur ein Beobachter und Kommentator ist.
Die Hamas hat Israel überfallen. Die Hamas hat Israel mit Morden an Kindern überzogen. Mit Vergewaltigungen und mit Leichenschändungen. Friedrich Merz sagt: “Es ist nicht die friedensschaffende Lösung der Aggression nachzugeben.” Er sagt diese Worte allerdings im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg. Er hat recht, wenn es um die Ukraine geht. Aber er kann nicht erklären, warum es für Israel eine “friedensschaffende Lösung” sein soll, wenn es der Aggression nachgibt.
Immerhin. Der Blackrock-Mann hat den Zusammenhang erkannt, zwischen internationalem Rang einer Nation und ihrer Wirtschaftsstärke. Und die Notwendigkeit, die eigene Wirtschaft wieder auf die Beine zu bringen. Eine Erkenntnis, die er großen Teilen seines Koalitionspartners SPD und den Reserve-Regierungsparteien Grüne und Linken voraushat. Merz will die Wettbewerbsfähigkeit der EU sicherstellen und das mit der Forderung, dass Europa deutlich weniger Regulierung brauche. So weit so richtig.
Doch auch hier ist Merz den Fehlern und Widersprüchen seiner Vorgänger verhaftet. Vor allem dem größten Fehler Merkels: Die CDU-Frau Ursula von der Leyen zur starken Frau in der EU zu machen. “Wir brauchen einen umfassenden Bürokratie-Rückbau in der EU”, sagt Merz treffend. Nur, was er weglässt: Brüssel und Berlin reden zwar viel darüber, die Folgen der Regulierungswut zurückzubauen. Doch in der real existierenden Politik hat diese Regulierungswut nicht um ein Jota nachgelassen und produziert immer neuen bürokratischen Irrsinn.
Also folgt Merz in der Wirtschaftspolitik faktisch dem, was seine Vorgänger gemacht haben. Wofür die SPD wie keine andere Partei steht. Und was seine Parteifreundin Ursula von der Leyen wie keine andere Frau vertritt: Der Staat sammelt über hohe Steuern, Abgaben und kaum rückzahlbare Schulden Fantasiesummen, um diese über der Wirtschaft auszuschütten – in der immer wieder enttäuschten Hoffnung, dass die Wirtschaft in Folge solcher staatlichen Investitionsstürmen erblüht. Das ist auch der Geist, den der tatsächlich vorliegende Haushaltsentwurf verströmt.
Zwar sagt Merz auch – durchaus richtig – dass seine Regierung das Bürgergeld reformieren muss. Dass es das Ziel sein muss, den Zustand wieder herzustellen, dass sich mehr Leistung auch mehr lohnt. Doch während es für die gigantischen Investitionsorgien mittlerweile konkrete Zahlen gibt, sind es bei richtigen und wichtigen Maßnahmen wie der Reform des Bürgergelds nur lose Absichtserklärungen, ohne konkrete Idee der Umsetzung. So fällt die Zwischenbilanz der schwarz-roten Regierung zwar gemischt aus, tendiert aber stärker ins Negative.