
Merz oder Klingbeil oder wer? Stellen Sie sich bitte vor. Im ersten Wahlgang verfehlt CDU-Merz die Mehrheit, weil einzelne SPD-, CDU- und CSU-Abgeordnete ihn nicht wählen. Es ist eine geheime Wahl.
Bis zur und bei der Kanzler-Wahl im Bundestag bleibt es spannend. Die künftige Politik ändert es leider nicht. Stephan Paetow hat gestern aufgezeigt, wie bei der Kanzlerwahl im dritten Wahlgang SPD-Klingbeil eine relative Mehrheit erreichen könnte. Was aber, gäben schon im zweiten Wahlgang ausreichend viele einzelne AfD-Abgeordnete ihre Stimme Merz, doch nicht so viele, dass dieser Grund für die Mehrheit – geheime Wahl! – eindeutig wäre? Dann träte ein Merz als Kanzler an, der angesichts der grünen Journalisten-Mehrheit fortan sein AfD-Abgrenzungsritual noch einmal verschärfen müsste. Wollte die AfD die Kanzlerwahl zum öffentlichen Scherbengericht für die Union machen, wählten so viele von ihren Abgeordneten Merz im zweiten Wahlgang, dass dies offensichtlich wäre. Dann käme Merz wohl nicht daran vorbei, diese Wahl nicht anzunehmen. Und der Fall Paetow – siehe oben – träte ein, Kanzler Klingbeil im dritten Wahlgang mit relativer Mehrheit. Aber Merz will unbedingt Kanzler werden, setzt er sich also im Ernstfall auch über seine Brandmauer hinweg? – Dass außer Merz und Klingbeil noch andere Kandidaten ohne jede Vorankündigung während der Kanzler-Wahl vorgeschlagen werden können – auch ohne Mitglied des Bundestages zu sein, sei der Vollständigkeit halber angemerkt.
Schriftlich festgehaltene Ergebnisse von Sondierungsgesprächen sind eine Art Vor-Koalitions-Vertrag – oder? Die Schuldenbremse bremsunfähig zu machen, 500 Milliarden Infrastruktur-Sonderschulden sind schlimmste Wählertäuschung, laut Ex-CSU-Chef Seehofer „Wortbruch“. Doch, werte Leser, hören Sie sich um in ihrem Bekannten- und Freundeskreis, die Leute sagen, aber das ist doch notwendig. Dahinter tritt zurück, dass die Asyl-Einwanderung weiter geht, NGOs der Geldhahn nicht abgedreht wird, die Unterdrückung der Meinungsfreiheit anhält, kurzum – wie Alexander Heiden im Wecker sagt, Merz genau da weiter macht, wo Habeck aufgehört hat.
In Alteuropa klammern sich die Woken unter den Herrschenden an die Welt vor Trump-Vance. Italiens Premier Meloni schickt sich an, für Europa bei der neuen US-Regierung zu sprechen. Die meisten europäischen Regierungen erkennen nicht, wie die alte Weltordnung vor ihren Augen zerbricht. Trump sagt Japan, die Zeit unseres Protektorats, das dem stolzen Nippon ein eigenes Militär verboten hat, ist vorbei. Trump sagt den Nachbarn Israels, helft uns, Gaza und Westjordanland auf gesunde Beine zu stellen und mit Wirtschaftsaufschwung in der Region zu stabilisieren. Den Ayatollahs im Iran sagt er, lasst uns bilateral über Sanktionsende statt Atomwaffen verhandeln. Die Premiers von Japan und Indien waren nicht zufällig bei den ersten Gästen im Oval Office. Aus Taiwan Chip-Produktion nach Amerika zu holen ist wirtschaftlich ebenso nützlich wie geostrategisch bedeutend. Trump baut für den Tag vor, an dem China Taiwan „heimholt“. Auf den UN-Apparat kommt die unvorstellbare Lehre zu, dass Trump-Vance angefangen haben, ihre internationale Politik nicht über sie, sondern nur noch mit nationalen Regierungen bilateral zu machen.
Und dann bitte nicht übersehen. Trump setzt auf Krypto-Währungen als strategische Geld-Reserve der Vereinigten Staaten. Die Welt der Kommunikation entzieht sich Satelliten-gestützt der territorialen Kontrolle der meisten Regierungen. Indem Trump nun den Verkauf von Bitcoin-Beständen in Staatsbesitz gestoppt hat und sie als nationale Währungsreserven halten will, rückt eine weitere grundlegende Änderung näher: das Ende des Regimes der Zentralbanken.
Während sich gestrige Europapolitiker, Journalisten und „Experten“ moralisch über Trumpas „Verrat“ an der NATO erregen, stellt Trump in den Raum, 35.000 der 80.000 US-Soldaten in Kontinentaleuropa aus Deutschland nach Ungarn zu verlegen. Den bevorstehenden Verhandlungen mit der Ukraine in Saudi-Arabien gibt Trump mit auf den Weg: Wenn ihr euch mit Putin auf kein Ende des Krieges veständigen wollt, dann tragt das bitte unter euch, aber ohne uns aus.
Das zweitgrößte NATO-Land ist die Türkei, nicht Deutschland, schrieb Marco Gallina: „Das gilt sowohl für die Gesamtbevölkerung als auch für die Armee. Recep Tayyip Erdoğan hat diese Fakten eher vor Augen als manche Europäer, die eine Abkopplung von den USA mit der Ambition eigener Wehrfähigkeit verwechseln.“
„Die Wissenschaft“ hat den Türkeibeitritt zur EU schon mal lichtblau vorgefärbt. Zu „Mittel- und Südosteuropa“ könnte die Türkei erst zählen, nachdem die Nachfahren der zwangsislamisierten Griechen in den christlichen Kulturkreis zurückgekehrt wären. „Osteuropa und Zentralasien“ als Weltregion? Wo hört da Europa auf und fängt Asien an?
Werte Leser, die Unfähigkeit der deutschen Funktionärsklasse ist erschreckend. Die grundlegenden Veränderungen global sind vielen unheimlich. Doch sie bringen auch das festgefahrene Deutschland und Westeuropa in Gang, davon bin ich überzeugt.