Friedrich Merz: Es wird niemals keine Steuererhöhungen nicht geben!

vor etwa 4 Stunden

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Nach diesem Fernsehauftritt ist klar: Man möchte Friedrich Merz nicht als Chef haben. Und erst recht nicht als Kollegen auf derselben Hierarchieebene. Wenn er schon auf sachlich fundierte, wenngleich harte Fragen einer freundlich-bestimmten Moderatorin derart harsch reagiert – wie unerträglich muss dann erst eine direkte Zusammenarbeit sein? Er beschwert sich schon, nur weil Diana Zimmermann dreimal nachhakt, ob es nun Steuererhöhungen gibt oder nicht.

Weil er eben nicht klar antwortet.

Friedrich Merz will offenbar die anstehenden Kommunalwahlen für die CDU retten. In seinem Heimat-Bundesland Nordrhein-Westfalen werden am 14. September allerlei Kreistage, Stadträte, Gemeinderäte, Bezirksvertretungen sowie das Ruhrparlament (Regionalverband Ruhr) gewählt. Die AfD erlebt seit Monaten einen Höhenflug. Und die seit Wochen anhaltende Diskussion um mögliche Steuererhöhungen könnte die Union weitere Stimmen kosten. Sollte die CDU dem Bürger noch tiefer in die Tasche fassen, könnte das erhebliche negative Folgen für die Wahlergebnisse haben.

Merz will die Diskussion daher möglichst nonchalant aus der Welt schaffen, doch bei Diana Zimmermann ist das nicht ganz so leicht, wie er es sich vorstellt. Das Problem: Zu einem klaren, eindeutigen und unmissverständlichen Satz wie „Nein, es wird keine Steuererhöhungen geben“, kann sich Merz trotz hartnäckiger Nachfragen einfach nicht durchringen. Stattdessen antwortet er viel- und nichtssagend zugleich – ähnlich wie sein Kanzleramtsminister kürzlich bei Markus Lanz. Merz: „Wir haben einen Koalitionsvertrag, und wir haben uns in diesem Koalitionsvertrag darauf verständigt, dass die Steuern nicht erhöht werden. Und dieser Koalitionsvertrag gilt.“

Zimmermanns Insistieren ist nachvollziehbar. Die ganze Republik kennt Merz seit der Wahl zum Kanzler als Umfaller, der A verspricht und dann B tut. Nicht von ungefähr gilt Merz seit seiner erst im zweiten Durchgang knapp geglückten Wahl als Kanzler der gebrochenen Wahlversprechen und CDU-Herzen. Alle wesentlichen Punkte seines Wahlprogramms verkehrte er, kaum im Amt angekommen, ins exakte Gegenteil. Und das vielleicht Bedrückendste dabei ist: Im Zweifelsfall behauptete er dreist, er habe nie etwas anderes gesagt, etwa beim Thema Schuldenbremse.

Die jetzt frisch entflammte Diskussion um Steuererhöhungen ist Gift für die anstehenden Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen. Nicht nur Lars Klingbeil (SPD), Vizekanzler und Finanzminister, hatte in den vergangenen Tagen Steuererhöhungen gefordert. Sogar aus den Reihen der CDU war der Ruf laut geworden. So hatte etwa der Bundestagsabgeordnete Andreas Mattfeldt vorgeschlagen, die Reichensteuer im Tausch für Sozialreformen zu erhöhen.

Die Union ist in Erklärungsnot, und Merz kommt im Sommerinterview ins Schwimmen. Kanzleramtschef Thorsten Frei hatte erst vergangene Woche bei Markus Lanz herumlaviert und sich minutenlang mit ausweichenden Antworten lächerlich gemacht, die das Schlimmste befürchten lassen. „Ein Koalitionsvertrag ist kein Gesetzbuch“, sagte Frei. Und auf mehrfache Nachfrage, ob Steuererhöhungen denkbar seien, kam die Spitzfindigkeit: „Ich halte es für falsch.“

Das Thema Migration wird im Sommerinterview gestreift, aber nicht vertieft. Stichworte wie Messergewalt oder Bürgergeld für Nichtbürger kommen nicht zur Sprache. Merz kann sich hier leicht herauspalavern. „Wir haben jetzt in den letzten vier Monaten die Probleme, die uns in den letzten zehn Jahren entstanden sind, zum Teil jedenfalls gelöst“, behauptet er, und pflegt das bekannte Mantra: „Wir haben den Kurswechsel eingeleitet in der Migrationspolitik.“ Neue Flugzeuge mit Afghanen – das Thema hat beim ZDF keine Starterlaubnis.

Bei dem von Merz versprochenen, aber noch immer ausbleibenden Stimmungswandel in der Wirtschaft und dem angekündigten „Herbst der Reformen“ wird er dann ungehalten. Vor allem, weil Zimmermann die Koalition kritisiert: „Schon jetzt clasht es an allen Ecken und Enden“, sagt sie. Merz wird sauer. „Zunächst einmal: Ich bin mit der Beschreibung nicht einverstanden. Es clasht nicht. Wir haben in dieser Koalition einige Dinge, die zurechtgerüttelt werden müssen.“ Ob er denn weitere Schulden ausschließen könne, will die Moderatorin wissen. Merz: „Frau Zimmermann, wir haben einen Koalitionsvertrag.“ Sie setzt mit einer hübschen Spitze nach: „Schließen Sie das so aus, wie Sie es noch zwei Tage vor der Wahl ausgeschlossen haben, weitere Schulden zu machen?“

Schon wieder sind seine gebrochenen Wahlversprechen das Thema. Merz’ Stimmung hebt das nicht. Während er sich mit dem alten Märchen von der plötzlich veränderten Weltlage zu erklären versucht, unterbricht sie ihn munter: „…entgegen dem, was Sie gesagt haben.“ Bäm! Merz: „Es hat nun allerdings auch die Lage dramatisch geändert…“ – sie schüttelt außerhalb des Kamerabildes offenbar den Kopf – „…doch, es hat sich die Lage dramatisch verändert auch in den Wochen um die Bundestagswahl!“. Seine Laune ist unter dem Kellerboden angekommen.

Die Schuldenorgie verteidigt er wie gewohnt, in dem er sich zum Helden stilisiert. Mit der Bereitschaft zu einem exorbitanten Rüstungsetat habe er den NATO-Gipfel in Den Haag gerettet. Und damit das ganze Bündnis. Denn ohne „wäre diese NATO wahrscheinlich an diesem Tag auseinandergefallen“, so Merz.

Dass die Rente mit 70 kommt, auch das macht dieses Sommerinterview klar. „Wir müssen in diesem Land wieder mehr und effizienter arbeiten“, sagt Merz: „Wir müssen eine höhere volkswirtschaftliche Leistung erbringen.“ Deutschland habe zu viele Fehltage, die Krankenstände seien zu hoch, die Menschen würden 200 Stunden weniger arbeiten als die Schweizer und die Arbeitskosten seien zu hoch. Der entscheidende Satz: „Wir müssen, ja, die Lebensarbeitszeit verlängern.“

Die Aktivrente zum 1. Januar 2026 mache ihn „optimistisch, dass es auf der Basis von Freiwilligkeit und Einsicht geht und nicht auf der Basis von Zwang und Regulierung“. Wieder so ein Satz, der misstrauisch macht: Denn die Stichworte Zwang und Regulierung sind damit zumindest schon einmal gefallen. Bei einem Merz kann das später einmal entscheidend sein.

Dass die Stimmung in der Wirtschaft nicht besser wird, redet er sich schön. Es gebe „ein gemischtes Bild“. Das Handwerk sei sicher „in einer sehr schwierigen Situation. Die können nicht ins Ausland ausweichen. Die haben lebenslänglich Deutschland gebucht.“ Aber in der Industrie sei die Stimmung lediglich „durchwachsen, zum Teil ganz gut“.

Als es um die Gefolgschaft der eigenen Partei geht, ist seine eigene Stimmung wieder im Keller. Zimmermann zählt einige Punkte auf, „Abstimmungen, Stromsteuer, Israel“ und vor allem die leidige Causa Brosius-Gersdorf. „Sind die Fliehkräfte stärker geworden, oder warum schaffen Sie es nicht, die Fraktion richtig mitzunehmen?, fragt die Moderatorin. Merz wird ungehalten: „Ich weiß nicht, welche Welt Sie da in Berlin wahrnehmen, Frau Zimmermann“, sagt er und setzt in völlig weltfremder Kühnheit nach: „Es gibt nicht einen Fall, es gibt nicht einen Fall, wo die Bundestagsfraktion in einer Abstimmung den Vorschlägen der Bundesregierung nicht gefolgt ist, nicht einen.“ Außerdem sei jede Abstimmung natürlich immer eine Gewissensentscheidung. Es nervt ihn sichtlich, „dass wir hier minutenlang über dieses Thema sprechen“.

Dass er bei künftigen Abstimmungen im Zweifel dann wieder auf die Linken zugehen wird, schließt er allerdings nicht aus. Er sieht darin auch gar kein Problem, Unvereinbarkeitsbeschluss hin oder her. Merz: „Dass man im Parlament unter den Fraktionen miteinander redet, ist doch völlig normal.“

Ein bisschen Oberwasser bekommt Friedrich, der Kriegstüchtige, erst wieder beim Thema Ukraine. „Soviel Diplomatie in Sachen Ukraine wie in den letzten Wochen hat es in den letzten drei Jahren nicht gegeben“, posaunt er, ohne allerdings Trump für seine diesbezügliche Initiative auch nur im Nebensatz zu würdigen. Im Gegenteil: Er selbst, Merz, sei der Zampano auf internationaler Bühne: „Wir sind im engen Dialog mit der amerikanischen Regierung, ich im engen Dialog mit allen Europäern. Wir wollen hier vorankommen mit den Amerikanern.“

Er drängt weiter darauf, dass es zunächst einen Waffenstillstand geben müsse, denn eine militärische Niederlage oder auch nur eine „Erschöpfung“ sehe er „im Augenblick weder für Russland noch für die Ukraine“. Feldherr kann er also auch.

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