Merz sucht den Weg zurück in die Einheitspartei

vor 3 Monaten

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Bildquelle: Tichys Einblick

Ein Gespür für Dramaturgie hat Carsten Linnemann nicht gerade. Die Höhepunkte des Parteitags sollen die Reden der Vorsitzenden sein – so der Plan des Generalsekretärs. Zuerst Markus Söder (CSU) und dann Friedrich Merz. In einer guten Dramaturgie beginnt alles etwas gemächlich. Auf dem Weg zum Höhepunkt nimmt das Tempo dann zu. Linnemann baut erst einen massiv zähen „Talk“ mit „Promis“ wie dem Sohn von Iris Berben ein, dann eine Debatte über die Satzung der CDU.

Dann tritt endlich Söder auf. Der alte Mikro-Rocker. Linnemann lässt dazu im Hintergrund Smooth Jazz laufen. Das könnte „Something Happened on the Way to Heaven“ von Phil Collins sein. Schwer zu sagen, so weichgespült, wie das Stück ist. Aber der Überleitung halber wollen wir mal stehen lassen, dass es der Schlager des Hit-Monsters aus Großbritannien sei: weichgespült, schwer zu erkennen – und „etwas ist auf dem Weg zum Himmel passiert“ – das sind die Stichworte, um die es auf dem CDU-Bundesparteitag geht.

Etwas ist auf dem Weg zum Himmel passiert. Friedrich Merz schien schon wie der unvermeidbare zehnte Bundeskanzler, dem das Land in den Schoß fällt. Doch das ist seit vergangener Woche aufgeputscht. Bisher steuerte der Anteil der potenziellen Nichtwähler auf ein Rekordhoch zu. Nach der vergangenen Woche ist das Land emotionalisiert. Merz hatte mehrere Anträge in den Bundestag eingebracht, die gegen illegale Einwanderung und ihre Folgen wirken sollten. Ein Show-Antrag erhielt dank der Stimmen der AfD eine Mehrheit, eine reale Gesetzesinitiative jedoch nicht. Denn rund ein Zehntel der CDU-Abgeordneten drückte sich vor der Abstimmung – in der FDP waren es sogar über ein Viertel.

Wie auf Bestellung sorgte die staatlich finanzierte „Zivilgesellschaft“ unmittelbar für organisierte Volkswut gegen die Union. All die wissenschaftlichen Mitarbeiter, Parteibeamten, Aktivisten von „NGOs“ und politischen Vorhofgesellschaften kündigten an, „unsere Demokratie“™ gegen Merz verteidigen zu wollen – wobei es oft genug um ihre Dienstwagen-Privilegien ging. Wie sich der Protest und die Reaktivierung der Nichtwähler auf die Wahl auswirken, ist noch unklar. Auch weil Meinungsforscher allzu oft mit ihren Zahlen eher Politik als Wissenschaft betreiben.

Eins hat die vergangene Woche jedenfalls bewirkt: Der vermeintliche Protest hat die Union nach innen geeint. Merz hatte die Chance, sich nach drei Jahren endlich gegen die Merkelianer in seiner Partei zu stellen. Auch weil „Mutti“ der teils gewalttätige Protest gegen „ihre Partei“ egal war – während sie Gesetze gegen illegale Einwanderung im Duktus einer Grünen verurteilte und ihrer Partei den Dolch in den Rücken stieß. Zum wievielten Mal eigentlich?

Es ist etwas passiert auf dem Weg zum Himmel. Merz hat es jetzt in der Hand. Oder vielmehr: Er hätte. Der Smooth Jazz ist nur ein metaphorischer Vorgeschmack. Doch die Reden der Vorsitzenden sind genauso weichgespült. „Wir dürfen unser Land nicht der AfD überlassen“, sagt Söder. Und: Die deutsche Linke sei „kein Schutzwall“ gegen die AfD. Hört, hört. Im Übrigen sage er „Nein, nein, nein“ zu jeder Form der Zusammenarbeit mit dieser AfD. Das klingt nicht nach Rock ’n’ Roll. Das ist übelster Smooth Jazz.

Der organisierte Volkszorn gegen die CDU wird folgenlos bleiben. Im Lager um Merz sprechen einige Anhänger zwar von einer Minderheitsregierung, weil eine Mehrheit mit SPD und Grünen nicht mehr denkbar sei – nachdem Rote und Grüne die teils gewalttätigen Proteste gegen die Union organisiert haben. Bisher wirkte die Union wie eine Arbeitsgruppe der Einheitspartei SPD-Grüne-Linke-BSW-FDP-CDU-CSU. Jetzt will sie sich unterscheiden. Das ist nicht so einfach. Die Union werde sich nie wieder von den Grünen in einen Unsinn wie den Atomausstieg treiben lassen. Schönes Versprechen. Nur halt falsch. Das waren zuallererst nicht die Grünen, sondern Angela Merkel. Eine Christdemokratin. Nominell. Aber ist okay, da kann man schon mal durcheinanderkommen.

Ihr Kandidat wird die Hoffnungen seiner Anhänger enttäuschen. Wie schon so oft. Wachsweich wie Smooth Jazz. Und schwer zu identifizieren, wie das, was auch immer die Band vom Parteitag da gespielt hat. Das gemeinsame Kuscheln mit den Grünen auf der Partei des gescheiterten CDU-Kanzlerkandidaten Armin Laschet gibt einen Vorgeschmack darauf, wie empört die Christdemokraten wirklich wegen der gewalttätigen „Proteste“ sind. Halt gar nicht. Theaterdonner.

In seiner Rede sagt Merz: Die Union werde die Bundestagswahl gewinnen. Er steigt mit einer langatmigen historischen Erzählung ein und sagt dann in seiner ersten wirklichen Festlegung: „Wir werden mit der Partei, die sich Alternative für Deutschland nennt, nicht zusammenarbeiten.“ Das kommt nach minutenlangem Eingelulle. Nichts ist passiert. Merz rudert zurück, ohne dass es wie Zurückrudern aussieht – was es aber einfach ist.

Merz sagt, die Verteidigung der Freiheit sei eine der größten Aufgaben der nächsten Jahre. Wer sie denn angreife? Das sagt er lieber nicht. Es könnten die Russen sein. Die Nazis. Gott bewahre, Islamisten oder die Erfinder des Selbstbestimmungsgesetzes, also seine künftigen Koalitionspartner. Da legt sich der Herr Kandidat lieber nicht fest. Es gibt Fahrstuhlmusik und Anrufbeantworter, die mehr Ecken und Kanten haben als Friedrich Merz.

Den organisierten Volkszorn in Geschlossenheit und Stimmen zu münzen, aber sich gleichzeitig von der AfD zu distanzieren – das wird die Doppelstrategie der nächsten 20 Tage sein. Man mache jetzt „einen Unterschied“, sagt etwa Schattenminister Jens Spahn. Das hört sich gut an, wird aber letztlich so verwechselbar sein wie die Musik auf dem Parteitag. Auch so wachsweich. In Wirklichkeit zeigt der Parteitag: Merz und die CDU wollen nach der vergangenen Woche wieder in der Einheitspartei aufgenommen werden. Am Ende ist auf dem Weg zum Himmel nicht viel passiert – es hat sich nur die Strategie geändert, nicht aber die Inhalte.

Nachtrag: Söders Song soll „I’m Sorry“ gewesen sein. Der zweitwichtigste Politiker marschiert 20 Tage vor der Wahl mit einer Entschuldigung im Hintergrund auf die Bühne. Tatsächlich. Kein Witz. Das ist zu viel der Metaphern. Zu einfach. Das sollen morgen, übermorgen und am Donnerstag weniger begabte Autoren abräumen. Es ist etwas passiert auf dem Weg zum Himmel. Das muss reichen.

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