
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hat beim CDU-Landesparteitag in Niedersachsen eine auf den ersten Blick klare Botschaft gesendet: „Mit dieser Bundesregierung unter meiner Führung wird es eine Erhöhung der Einkommensteuer für die mittelständischen Unternehmen in Deutschland nicht geben.“ Diese Botschaft war ihm so wichtig, dass er sie auch als eigenständigen Tweet auf X veröffentlichte:
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Mit dieser Formulierung wollte Merz wohl Forderungen aus der SPD nach Steuererhöhungen zurückweisen – insbesondere nach einem Vorstoß von Vizekanzler und Finanzminister Lars Klingbeil, der zuletzt höhere Abgaben für Spitzenverdiener und Vermögende nicht ausgeschlossen hatte.
Doch Merz‘ Ankündigung wirft aus mehreren Gründen Fragen auf – vor allem, weil sich die Äußerung des Kanzlers spätestens beim zweiten Lesen als rätselhafter Nullsatz ohne jegliche Substanz entpuppt. Denn Unternehmen – egal, ob Groß- oder mittelständisches Unternehmen – zahlen in Deutschland überhaupt keine Einkommens-, sondern Körperschaft- oder Gewerbesteuer. Die Einkommensteuer wird lediglich von natürlichen Person entrichtet und ist die Steuer, die jeder Arbeitnehmer auf seine persönlichen Einkünfte aus Arbeit zahlen muss.
Ebenso interessant wie das, was er in Osnabrück zu sagen hatte, ist auch, was Merz nicht dort gesagt hat: Eine pauschale, eindeutige Absage an jegliche Form von Steuererhöhungen. Hätte er diesen frei heraus eine Absage erteilen wollen, hätte er schlicht sagen können: „Steuererhöhungen wird es mit mir nicht geben!“ Stattdessen beschränkte er sein Versprechen explizit auf den Mittelstand. Was will Merz mit seiner nur scheinbar sehr konkreten, letztlich aber inhaltsleeren Ankündigung, die Einkommenssteuer für mittelständische Unternehmen nicht erhöhen zu wollen, also zum Ausdruck bringen?
Die Tatsache, dass er die Erhöhung einer – außerdem nichtexistenten – Steuer nur in einem eng gefassten Bereich ausschließt, zeigt: Merz‘ gleichermaßen ominöse wie verräterische Ankündigung weist mit seiner bewussten Einschränkung im Subtext und zwischen den Zeilen schon implizit daraufhin, dass neue Steuererhöhungen in anderen Bereichen, etwa bei Besserverdienern, Vermögenden oder Verbrauchssteuern, keineswegs ausgeschlossen sind.
Merz, der in seiner kurzen Amtszeit schon mehr als einmal die eigenen Leute verprellt hat, will seiner Parteibasis mit dieser jüngsten Ankündigung einerseits Widerstandskraft gegen den unbeliebten Koalitionspartner demonstrieren und diesem andererseits wiederum signalisieren, dass er Steuererhöhungen nicht prinzipiell ablehnt. Und weil er schon eine Reihe zentraler Versprechen gebrochen hat, scheint er nun unklare, auslegungsbedürftige Ankündigungen Kommunikationsmittel für sich entdeckt zu haben.
Die Debatte um höhere Steuern ist Teil einer größeren Auseinandersetzung zwischen Union und SPD über die Finanzierung der Sozialsysteme und einer milliardenschweren Haushaltslücke, die trotz Rekordschulden bis 2029 172 Milliarden Euro umfasst (Apollo News berichtete). Auf dem CDU-Landesparteitag in Osnabrück hat Merz erklärt, der Sozialstaat in seiner aktuellen Form sei „nicht mehr finanzierbar“. Außerdem kündigte er einen harten Kurs gegen die SPD in der Frage der Sozialstaatsreform an. Dass Merz in der Steuerfrage gegenüber der SPD hart bleiben wird, wenn er schon vor den eigenen Leuten nicht zu klaren, unmissverständliche Formulierungen in der Lage ist, darf allerdings ernsthaft bezweifelt werden.