
Bundeskanzler Friedrich Merz hat am Mittwoch seine erste Regierungserklärung abgegeben. Am Mittag sprach Merz im Bundestag über die Vorhaben und Ziele seiner neuen Regierung und bemühte sich vor allem, Aufbruchstimmung und Zuversicht zu verbreiten.
„Wir wollen regieren, um unser Land aus eigener Kraft heraus wieder voranzubringen. Wir wollen regieren, um neue Sicherheit zu geben und vor allem, um unsere Freiheit entschlossen gegen ihre Feinde zu verteidigen. Wir wollen regieren, um das Versprechen vom ,Wohlstand für alle‘ zu erneuern“, begann der Bundeskanzler. Dafür müsse man an vielen Stellen umdenken.
Deutschland stehe vor vielen Herausforderungen – national, international, aber auch mit Blick auf die öffentlichen Finanzen, sagte Merz auch mit Blick auf die Schulden, die seine Regierung aufgenommen hat. Der Bundeskanzler lobte Deutschland als „starkes“ und „großartiges Land“, welches „die Herausforderungen unserer Zeit aus eigener Kraft bestehen“ könnte.
„Wir sind dem Gemeinwohl verpflichtet“, sagte Merz über seine neue Bundesregierung. „Und wir wollen die Probleme nicht beschreiben, wir wollen sie lösen, und zwar aus der demokratischen Mitte unseres Landes heraus.“ „Dass wir das können, haben wir in der vergangenen Woche bereits gezeigt“, behauptete Merz.
Der Kanzler schlug den großen Bogen in die Weltpolitik: „80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und im 35. Jahr der Wiedervereinigung Deutschlands wird unsere Freiheit durch die Gegner und Feinde unserer liberalen Demokratie so sehr angegriffen wie selten zuvor.“ Die Welt sei in Aufruhr, und die Entscheidungen in den kommenden Monaten und Jahren würden „prägend sein für das Leben unserer Kinder und unserer Enkelkinder. Aber unsere Entscheidungen werden und sollen auch Einfluss nehmen auf die Zukunft der freiheitlichen Welt.“
Vor diesem Hintergrund betont Merz „die Dimension der Herausforderung“. Dabei spricht er auch über den russischen Krieg in der Ukraine – dort stehe „nicht weniger als die Friedensordnung unseres ganzen Kontinents auf dem Spiel.“ In dieser historischen Entscheidungssituation müsse Europa „enger zusammenstehen denn je.“ Hier kündigt Merz Führung an: „Deutschland wird Initiativen ergreifen, um die europäische Idee der Freiheit und des Friedens neu beleben – damit Europa seinem Anspruch und seiner Bedeutung in der Welt gerecht wird.“
Die Zeiten, in denen sich Deutschland zurückzog und sich in europäischen Entscheidungen der Stimme enthielt, seien nun vorbei. „Wir bieten unseren Partnern und Freunden Verlässlichkeit und Berechenbarkeit an, vor allem durch eine Außen- und Sicherheitspolitik, die einem starken Europa dient, eine Außen- und Sicherheitspolitik, die sich vor allem von unseren Interessen und unseren gemeinsamen europäischen Werten leiten lässt.“
Der Kanzler betont das gute Verhältnis zu Frankreich, Polen und allen europäischen Partnern – und bekennt sich deutlich zur Unterstützung der Ukraine. Deutschland werde das angegriffene Land „kraftvoll“ unterstützen. „Dabei ist klar: Wir sind nicht Kriegspartei und wollen dies auch nicht werden. Aber wir sind eben auch nicht unbeteiligte Dritte oder neutrale Vermittler sozusagen zwischen den Fronten. Es darf kein Zweifel daran aufkommen, wo wir stehen: nämlich ohne Wenn und Aber an der Seite der Ukrainerinnen und Ukrainer.“
Vor diesem Hintergrund betont er auch die enge Abstimmung mit den USA und seine Gespräche mit Donald Trump. Einen Diktatfrieden dürfe es nicht geben – „wir hoffen und arbeiten hart daran, dass diese klare Haltung nicht nur überall in Europa vertreten wird, sondern auch von unseren amerikanischen Partnern.“ Darüber hinaus betont Merz auch die Verantwortung und Verankerung Deutschlands in der NATO.
Er will das Zeitenwende-Versprechen, das schon sein Vorgänger Olaf Scholz gab, umsetzen: „Die Bundesregierung wird zukünftig alle finanziellen Mittel zur Verfügung stellen, die die Bundeswehr braucht, um konventionell zur stärksten Armee Europas zu werden“, so der Kanzler.
Prägend für seine Ansprache war das Thema Wirtschaft – Merz verspricht ein ambitioniertes Sofortprogramm zur Stärkung des Standorts Deutschland. Wettbewerbsfähigkeit sei ab sofort der Maßstab der deutschen Politik. „Wir werden deshalb alles daransetzen, Deutschlands Wirtschaft wieder auf Wachstumskurs zu bringen. Indem wir investieren und reformieren. Beides gehört zusammen! Auch in der Wirtschaftspolitik bin ich deshalb der Überzeugung: Wir können aus eigener Kraft heraus wieder zu einer Wachstumslokomotive werden, auf die die Welt mit Bewunderung blickt.“
Das Sofortprogramm soll bis zum Jahreswechsel umgesetzt werden – gar schon im Sommer sollen die Menschen spüren, dass etwas „auf den Weg“ gebracht wird. Merz spricht über die versprochenen Abschreibungsmöglichkeiten für Unternehmen und lobt die Sonderschulden für Infrastruktur, findet aber auch kritische Worte zu der Massenverschuldung seiner Koalition: „Wir müssen mit diesen Möglichkeiten äußerst behutsam und vorsichtig umgehen, diese Schulden lösen Zinszahlungen aus und müssen auch wieder zurückgezahlt werden. Sie lassen sich daher nur rechtfertigen, wenn wir mit diesem Geld dauerhaft und nachhaltig den Wert unserer Infrastruktur steigern und das Leistungsvermögen unseres Landes insgesamt verbessern.“
Merz betont auch: Zu diesen Investitionen gehören Reformen zwingend dazu. „Wir brauchen vor allem einen beherzten Rückbau der überbordenden Bürokratie in unserem Land“, führt er aus. Einen „spürbaren“ Rückbau von Dokumentations- und Berichtspflichten, die für viele Unternehmen eine ernsthafte bürokratische Belastung darstellen, stellt der Bundeskanzler „schnell“ in Aussicht. „Als eine erste, sehr konkrete Maßnahme werden wir das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz abschaffen, das bei deutschen Unternehmen zum Inbegriff von Bürokratie und staatlichem Misstrauen geworden ist.“
Seine Regierung stehe für einen Paradigmenwechsel: Die neue Koalition wolle „unseren Unternehmen und ihren Beschäftigten nicht mit Misstrauen und Kontrollansprüchen begegnen, sondern mit Vertrauen und eben mit Verantwortung.“ Die Akteure der Wirtschaft, arbeitgeber- wie arbeitnehmerseitig, verdienten „einen Vertrauensvorschuss, sie verdienen mehr Freiheit und Unterstützung, statt Misstrauen und immer mehr Vorschriften.“ Die Botschaft an alle soll sein: „Leistung muss sich wieder lohnen.“
Auch im Sozialsystem kündigt Merz Reformen, aber auch „Sicherheit“ an. Das System solle gerade für die jungen Menschen „zukunftsfest“ gemacht werden. „Ich stehe auch persönlich dafür ein, dass die jungen Generationen nicht überfordert werden mit Aufgaben, für die ihre Eltern bisher nicht genügend Vorsorge getroffen haben!“, verspricht der Bundeskanzler. „Wir werden als Bundesregierung eine Rentenreformkommission einsetzen, die Vorschläge erarbeitet, wie wir die Alterssicherung für alleGenerationen gerecht ausgestalten können.“
Das Thema Migration spricht Merz in einer gewissen Zweischneidigkeit an: Er stellt fest, dass „die in weiten Teilen ungesteuerte Migration“ Deutschland „in den letzten Jahren überfordert“ habe. „Ich sage gleichwohl in aller Deutlichkeit: Deutschland ist ein Einwanderungsland – das war so, das ist so, und das bleibt auch so. Wir wollen ein freundliches und respektvolles Land bleiben, gerade gegenüber denjenigen, die zu uns gekommen sind und die bei uns leben und arbeiten. Sie sind ein fester und unverzichtbarer Teil unserer Gesellschaft und unseres Landes“, betonte er.
Dennoch hält er fest: „Wir haben zu viel ungesteuerte Einwanderung zugelassen und zu gering qualifizierte Migration in unseren Arbeitsmarkt und vor allem in unsere sozialen Sicherungssysteme ermöglicht. Wir ziehen jetzt die Schlussfolgerungen daraus. Wir ordnen Migration – mit mehr Begrenzung, mehr Zurückweisungen, mehr Steuerung, mehr Rückführungen.“ Er kündigt konkret „konsequente Zurückweisungen“ an den deutschen Grenzen an. „Gleichzeitig beginnen wir mit einer Rückführungsoffensive – auch in Herkunftsländer wie Syrien und Afghanistan.“
Merz verbreitet grundsätzlich Optimismus – und tritt mit einer Energie auf, die man von Olaf Scholz nicht mehr gewohnt war. Es dürfte vor allem dem „Zauber“ der ersten Regierungserklärung geschuldet sein. Er appelliert auch an die Menschen: „Was wir brauchen, ist nicht mehr und nicht weniger als eine gemeinsame Kraftanstrengung. Ich habe große Zuversicht, dass uns das in den nächsten Jahren gemeinsam gelingen kann.“ Gerade die jungen Leute ruft er auf – ihnen verspricht er einen „neuen Generationenvertrag“.
„Uns eint die Zuversicht, dass die Geschichte dieser Bundesrepublik Deutschland eine denkwürdige Erfolgsgeschichte ist, die wir fortschreiben können“, sagt Merz über seine neue Regierung. Man strebe „kein ideologisches Großprojekt zur Veränderung unserer Gesellschaft an. Wir wollen einen guten Rahmen setzen für das Zusammenleben der Menschen in Deutschland.“ „Ich möchte, dass Sie, die Bürgerinnen und Bürger, schon im Sommer spüren: Hier verändert sich etwas zum Guten, hier geht es jetzt voran!“