Klimaziele oder Wirtschaftswachstum? Merz’ „Wohlstand für alle“ kommt nicht, dafür das Erbe von Robert Habeck

vor 27 Tagen

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Deutschland hat seine Klimaziele für das Jahr 2024 nach offiziellen Angaben zwar formal erreicht. Doch das liegt nur am milden Winter und der seit Jahren schrumpfenden Wirtschaft. Und die Corona-Jahre haben mit Lockdown und Wirtschaftscrash dafür gesorgt, dass es bisher noch einen rechnerischen Puffer bei den Emissionen gab. Das ist jetzt vorbei. Der Expertenrat für Klimafragen der Bundesregierung warnt darum: Deutschland droht seine langfristigen Klimaverpflichtungen deutlich zu verfehlen. „Klimaneutralität 2045“ sei unmöglich – außer die Regierung ergreift drastische Maßnahmen. Das wäre aber das exakte Gegenteil von Merz’ Versprechen in seiner ersten Regierungserklärung vom „Wohlstand für alle“.

Der im Jahr 2024 verzeichnete Rückgang der Treibhausgasemissionen ist laut Expertenrat maßgeblich einem geringeren Energieverbrauch geschuldet, bedingt durch die angespannte Konjunkturlage. Insgesamt hat Deutschland rund 650 Megatonnen CO2 emittiert, ein Rückgang von 3,4 Prozent. Im Expertenrat für Klimafragen sitzen Professoren von staatlichen Universitäten und andere Vertreter von NGOs wie beispielsweise die Gründerin der Initiative Zukunft KlimaSozial (ZKS). Die Energiewirtschaft trug durch den Ausbau erneuerbarer Energien und die Stilllegung oder Sprengung von Kohlekraftwerken (wie beispielsweise das modernste Kohlekraftwerk Deutschlands in Hamburg Moorburg) wesentlich zur Emissionsminderung bei, lobt der Expertenrat.

Besorgniserregend für den Expertenrat bleibt jedoch die Entwicklung in anderen Schlüsselbereichen: In der Industrie stagnierten die Emissionen, während die Sektoren Gebäude und Verkehr ihre spezifischen Jahresziele erneut und sogar deutlicher als im Vorjahr verfehlten. Im Klartext: Die Deutschen fuhren zu viel und flogen zu viel und haben auch noch zu viel geheizt.

Rauchende Schornsteine bei Thyssenkrupp

Der Expertenrat bestätigte zwar die Emissionsberechnungen des Umweltbundesamtes für 2024, betonte jedoch, dass ohne den Puffer aus den Krisenjahren – bedingt durch die Corona-Pandemie und die schwache Wirtschaft – eine deutliche Überschreitung des nationalen Emissionsbudgets bis 2030 wahrscheinlich gewesen wäre. Hätte es also keinen Corona-Lockdown gegeben, hätte Deutschland (trotz Rezession im dritten Jahr!) die Klimaziele klar gerissen. Obwohl dieses Jahr noch kein akuter Handlungsbedarf für ein Sofortprogramm gesehen wird, da das Gesamtbudget bis 2030 voraussichtlich knapp eingehalten wird, sehen die langfristigen Aussichten seitens des Klimarats ganz anders aus.

Prognosen deuten darauf hin, dass Deutschland sein nationales Klimaziel für 2030, eine Reduktion der Treibhausgase um 65 Prozent gegenüber 1990, mit einer erwarteten Minderung von lediglich 63 Prozent verfehlen wird. Auch wenn das vom Klimarat, „Klimaaktivisten“, Umweltverbänden wie Greenpeace und den Grünen als Versagen hingestellt wird, ist es das faktisch ganz und gar nicht. Denn es bedeutet schließlich, dass es Deutschland geschafft hat, die Emissionen um knapp zwei Drittel zu senken und trotzdem noch zu den Top 5 Wirtschaftsnationen der Welt zu gehören. Das ging vor allem durch moderne Technologien und Kernkraft. Erst mit der brachialen „Energiewende“ von Robert Habeck drehte sich dann der Wind: Klimaschutz über alles, egal was mit der Wirtschaft passiert. Doch selbst das reicht nach Meinung des Klimarats nicht aus.

Denn die Einhaltung der europäischen Klimaziele bis 2030 sei gefährdet. Besonders kritisch bewerten die Fachleute des Klimarats die Perspektiven über das Jahr 2030 hinaus. Die klimapolitischen Ankündigungen der neuen Bundesregierung würden keinen nennenswerten positiven Impuls für die Zielerreichung bieten, da viele im Koalitionsvertrag formulierte Vorhaben noch unkonkret seien. Die Bundesregierung ist nun gefordert, bis Ende März 2026 ein umfassendes Klimaschutzprogramm vorzulegen, das die Ziele bis 2040 und die langfristige Perspektive der Klimaneutralität bis 2045 garantiert erreichen soll.

Deswegen fordert der Klimarat konkrete Maßnahmen von Bundeskanzler Merz, um das gesetzte Ziel erreichen zu können. Der Klimarat spricht von „strukturellen Defiziten in der deutschen Klimapolitik“. Das bedeutet nichts anderes, als dass nach Meinung des Klimarates die Auflagen, Vorschriften und Verbote noch nicht hart und drastisch genug sind, sondern verschärft werden müssen, um die „Strukturen“ in Wirtschaft und Gesellschaft auf Klimaneutralität 2045 zu trimmen.

Die Forderungen des Klimarats könnten Bundeskanzler Merz in die Bredouille bringen.

Diese Forderung steht im absoluten Gegensatz zu der Ankündigung von Friedrich Merz in seiner Regierungserklärung, künftig für „Wohlstand für alle“ zu sorgen. Merz hat angekündigt, die deutsche Wirtschaft wieder auf Wachstumskurs zu bringen und das möglichst schnell. Genau das würde aber bedeuten, dass die Emissionen auch wieder zunehmen werden. Denn klar ist, dass eine laufende Wirtschaft mehr Energie und mehr Rohstoffe braucht und das bedeutet eben auch mehr Emissionen. Insofern steht Deutschland nun am Scheideweg und die neue Bundesregierung muss entscheiden welche Richtung sie für Deutschland einschlägt.

Würde Bundeskanzler Merz den Vorgaben des Klimarates folgen, so müsste er sein Versprechen vom Wirtschaftswachstum sofort wieder einkassieren. Denn der Bericht des Klimarates zeigt ja gerade, dass eine Verringerung der CO2-Emissionen nur wegen der wirtschaftlichen Rezession stattgefunden hat und dass eine gute Konjunktur deswegen für höhere Emissionen sorgen muss und damit die Klimaziele völlig unrealistisch sind. Das gilt für die Industrie und die gesamte Wirtschaft in Deutschland. Aber eben nicht nur dort. Nach der Industrie sind jetzt Autos und Gebäude im Visier.

Dringender Nachbesserungsbedarf wird vom Klimarat in den Sektoren Gebäude und Verkehr gesehen. Diese beiden Sektoren haben es bisher noch nie geschafft, die vorgegebenen Klimaziele zu erreichen. Im Verkehrssektor liegt es daran, dass die Umstellung auf Elektromobilität krachend gescheitert ist. Auch die Träume von Wasserstoff als grünem und klimaschonendem Antrieb sind ausgeträumt, weil sie sich als Illusionen herausgestellt haben. Sowohl Elektromobilität als auch Wasserstoffantrieb sind viel zu teuer und ineffizient, als das irgendjemand darauf setzen würde. Der einzige Weg, der jetzt noch bleibt, besteht darin, auch die Kosten für das Fahren mit Verbrennerautos zu erhöhen. Das ist die alte grüne Politik, Menschen durch hohe Kosten dazu zu zwingen, auf ihre Gewohnheiten und auch Notwendigkeiten des Alltags zu verzichten.

Ex-Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am „Wärmepumpencampus“ der SHK Innung München im Oktober 2024

Das gleiche gilt auch für den Gebäudesektor. Auch hier sind die grünen Wunschträume an der Realität zerschellt. Berühmtestes Beispiel dafür ist das sogenannte Heizungsgesetz von Robert Habeck. Abgesehen davon ist es auch völlig unmöglich den gesamten Gebäudebestand in Deutschland bis 2030 oder auch selbst bis 2045 soweit zu modernisieren, dass die Emissionsziele erreicht werden könnten. In Deutschland gibt es alleine 43 Millionen Wohneinheiten. Dazu kommen noch andere Gebäude mit Büros, Handelsimmobilien, Lagerhallen, öffentliche Gebäude, Militärgebäude, Industriegebäude und viele andere Spezialbauten. Allein schon der Fachkräftemangel im Handwerk macht es unmöglich, diesen riesigen Bestand bis 2045 zu modernisieren. Über die entsprechenden Milliardenkosten haben wir da noch gar nicht geredet ...

Aber auch hier bleibt noch der Weg, die Kosten derart in die Höhe zu treiben, dass Menschen es sich nicht mehr leisten können, mit dem Auto zu fahren oder zu heizen. Das ist der Weg der sogenannten CO2-Bepreisung über den Emissionshandel in der Europäischen Union. Der EU-Emissionshandel (EU-ETS) ist das zentrale Klimaschutzinstrument der EU, das seit 2005 existiert. Er funktioniert nach dem „Cap & Trade“-Prinzip: Für energieintensive Industrien, die Energiewirtschaft, den innereuropäischen Luftverkehr (seit 2012) und den Seeverkehr (seit 2024) wird eine Obergrenze (Cap) für den Ausstoß von Treibhausgasen festgelegt. Unternehmen erhalten oder ersteigern Emissionsberechtigungen und können diese handeln (Trade), was einen Anreiz zur Emissionsreduktion schafft. Ab 2027 wird dieses System (dann EU-ETS 1 genannt) durch einen zweiten Emissionshandel (EU-ETS 2) ergänzt. Dieser neue Mechanismus wird speziell auf Brennstoffe für den Straßenverkehr und Gebäude abzielen, um auch in diesen Sektoren die Emissionen zu senken. Prognostiziert für 2027 wird ein CO2-Preis von etwa 120 Euro pro Tonne CO2, was sich in etwa 32,1 Cent pro Liter Diesel und 16,9 Cent pro Liter Superbenzin umrechnet. Für 2035 wird ein Preis von rund 205 Euro pro Tonne CO2 erwartet. Heute liegt der CO2 Preis noch bei 55 Euro.

Friedrich Merz steht damit vor einer doppelten Herausforderung. Und einem zweifachen Test, ob er sein Versprechen von Wirtschaftswachstum und Wohlstand für alle einhalten kann. Zum einen machen Klimaaktivisten, NGOs und Grüne massiv Druck, die Klimaneutralität 2045 auf Biegen und Brechen durchzudrücken. Das würde die Deindustrialisierung Deutschlands bedeuten und weitere Rezession. Zum zweiten wird der CO2 Preis in eineinhalb Jahren voll durchschlagen und die Kosten nicht nur für Wirtschaft und Industrie, sondern auch für Autofahrer und Mieter wie Eigenheimbesitzer massiv in die Höhe treiben. Auch das kann und wird ein empfindlicher Schlag für die Wirtschaft sein, von dem sie sich vielleicht nicht mehr erholen kann. Es sei denn Betriebe und Unternehmen flüchten aus Deutschland und gleich ganz aus Europa, weil sie woanders viel besser und vor allen Dingen günstiger produzieren können.

Das wäre es dann mit dem versprochenen Wirtschaftswachstum. Und auch für alle Bürger in Deutschland werden die grundlegenden Dinge des Lebens extrem teuer oder sogar unerschwinglich werden. Und das wäre es dann mit dem „Wohlstand für alle“.

Wir werden sehen, wer sein Versprechen halten wird: Friedrich Merz mit seinem „Wohlstand für alle“? Oder die vereinigte Klima-Lobby mit ihrem Versprechen der unbedingten Klimaneutralität bis 2045.

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