
Diesem Anfang wohnt kein Zauber inne. Die Ministerliste, die gerade die Union vorlegt, hat bereits für ordentlich Ärger in der Union selbst gesorgt. Laut Tagesspiegel rumort es in der niedersächsischen Union, weil der drittgrößte Landesverband der Partei bei der Vergabe der Ministerposten leer ausgeht. Merz habe „keine Ahnung von Politik, Partei und Proporz… – oder dass ihm das alles sogar egal ist“, heißt es dort.
Andere wollen eine Hoffnung darin erblicken, dass die Merkelianer leer ausgehen, doch hat sich Merz bisher als der getreueste aller Merkelianer gezeigt. In Sachsen-Anhalt dürfte man sich enttäuscht die Augen reiben, dass man keinen Ministerposten abbekommt, wo man doch im nächsten Jahr eine schwere Landtagswahl zu bestehen hat. Es ist zumindest nicht ausgeschlossen, dass die CDU nur in einer wie auch immer gearteter Kooperation mit dem BSW weiterregieren kann oder, dass die AfD den ersten Ministerpräsidenten stellen wird, wenn man nicht dem rumänischen Beispiel folgt und die Wahl annulliert, weil in China zwei Koalas mit einander getuschelt haben.
Aber der unangenehme Osten interessiert den Hobbyflieger aus dem Sauerland nicht. Es scheint zur Stunde sogar nicht ausgeschlossen, dass der neue Ostbeauftragte ein Westpolitiker als Merzens Ostaufseher wird, auch wenn der Mann womöglich seinen Wohnsitz in Brandenburg haben und der Brandenburg-CDU angehören mag.
Ansonsten scheint das Kriterium für Friedrich Merz für die Besetzung des neuen Kabinetts zu sein, möglichst unbekannte Politiker zu präsentieren. Der Mann trickst halt gern. Die einzig wirklich bekannte Politikerin, die der neuen Bundesregierung angehören wird, ist Daniel Günthers Fachfrau für Agitation und Propaganda, für die aus dem Familienministerium in der Tat ein Bundesministerium für Agitation, Propaganda und Volkserziehung unter dem Namen „Bundesministerin für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend“ gemacht werden soll. Von so einem Indoktrinationsministerium als Volksbildungsministerium, wie es Margot Honecker in der DDR einst schuf, scheint Karin Prien zu träumen, denn das Familienministerium soll sich nicht länger um die Familien kümmern. Was sind schon Familien? Nein, das Familienministerium hat zu einem modifizierten Volksbildungsministerium zu werden, laut Prien zu einem „Gesellschaftsministerium, in dem alle Themen rund um den gesellschaftlichen Zusammenhalt, Generationengerechtigkeit und Demokratiebildung angesiedelt sind“. Künftig hat es sich stärker als bisher, um die Erziehung zur „Normalität“ im rotgrünen Glauben zu kümmern und dafür wahrscheinlich noch intensiver und finanziell großzügiger NGOs zu fördern.
Der tiefe Staat hat weiter vertieft, die Gesellschaft der deutschen Bürger durch die Zivilgesellschaft der rotgrünen NGOs ersetzt zu werden. Priens Statement lässt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig, alle Zündworte für Volksaufklärung, Indoktrination und Ideologisierung sind gefallen. Aus Priens Sicht, mit der sie sich als entfernte Schülerin von Margot Honecker zu erkennen gibt, geht es nicht um den kritischen Diskurs, beileibe nicht um den demokratischen Wettstreit der Ideen und Konzepte, sondern um das, was Stalin das Monolithe genannt hatte, um die unverbrüchliche Einheit von normalem Volk und normalen Parteien, kurz Zusammenhalt genannt, darum zu verstehen, was Demokratie eigentlich ist, nämlich, volkstümlich ausgedrückt, stets und ständig „Ja, Herr Lehrer“, ja „Herr Habeck“, „Ja, Frau Dröge, „Ja, Frau Esken, ja Herr Klingbeil, „Ja, Herr Merz“, „Ja, Herr Günther“, „Ja, Frau Prien“ zu sagen, vorbehaltlos und gläubig sich gefragt und ungefragt, im Fühlen und im Denken, in der Familie, mit Freunden oder auch allein, Zuhause oder am Arbeitsplatz sich zur „wehrhaften Demokratie“, die früher einmal „sozialistische Demokratie“ hieß, zu bekennen. Aufgabe des Familienministeriums ist es längst, nach dem die CDU die Familie und die Ehe ihrer Stellung und ihres Wertes beraubt hatte, so früh als möglich die staatliche Indoktrination mit einer im Kern grünen Ideologie durchzustellen, dem auch kein Kind mehr entkommen darf, damit es zum allseitig zufriedenen Untertanen herangebildet wird.
Im hohen Norden stellen sich Günther und Prien die Untertanen der normalen Parteien wie die Heidschnucken vor, die sie sehen, wenn sie aus dem Fenster schauen, dorthin, wo sie die 300 Millionen Euro Steuergelder vor kurzem in den Sand oder die Heide gesetzt haben. Damit auch kein Kind Priens Volksbildung entkommt und vielleicht noch mit dem falschen Weltbild der Eltern kontaminiert werden könnte, führt sie weiter aus: „Wir wissen inzwischen, dass der Schlüssel für bessere Bildung im Bereich der frühkindlichen Bildung liegt.“ Vor allem geht es nicht mehr darum, unsere Kultur zu vermitteln, sondern sie aufzulösen: „Die große Kunst wird sein, die unterschiedlichen Kulturen, die es im Kita- und im Schulbereich gibt, miteinander zu versöhnen.“ Versöhnt müssen die unversöhnlichen Deutschen werden. Integration war gestern, heute geht es um die Desintegration der Deutschen, wie überhaupt deutsche Kultur und deutsche Geschichte zu Randerscheinungen werden, denn: „Das Ministerium sollte Impulse in Richtung Zusammenhalt und Generationengerechtigkeit aus der Mitte der Gesellschaft geben, vielleicht weniger von den Rändern und nur aus der Minderheitenperspektive, wie in den vergangenen Jahren manchmal der Eindruck entstand.“ Denn „unterschiedliche Kulturen“ zu versöhnen, bedeutet im Klartext, deutsche Kultur an den Rand zu drängen.
Zwar gab es in der DDR ein Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen, doch wurde es vom Volksbildungsministerium der Margot Honecker und von ihren Pädagogik-Beamten dominiert, wie es offenbar auch Prien vorschwebt, wenn sie der FAZ sagt: „Aber es wäre zumindest sinnvoll, die gesamte Bildungskette in den Blick zu nehmen bis zum Ende der beruflichen Bildung. Welches Ministerium für den Hochschulbereich zuständig ist, ist noch nicht abschließend geklärt.“ Dahinter verbirgt sich das Programm der weiteren Ideologisierung der Lehre und Forschung an den Universitäten und Hochschulen. Wahrscheinlich wird es dem Kabinett Merz gelingen, deutsche Universitäten weltweit an die Führungsposition in den Fächern Gender Studies, Rassismusforschung und Klimaapokalyptik zu bringen.
Prien ruft dazu auf, dass die sich selbst demokratisch nennenden Parteien eine Einheitsfront gegen die AfD bilden: „Alle demokratischen Parteien der Mitte haben Grund, ihre bisherige Strategie zu überdenken, weil sie offensichtlich nicht erfolgreich ist.“ Ihre originelle Forderung lautet: „Man sollte immer daran denken, dass diese Partei unsere liberale Demokratie verachtet und zerstören will. Daher kann unsere Haltung auch nur zivilisierte Verachtung sein!“ Ihr unterlief nur ein kleiner Fehler, eine geradezu klassische contradictio in adjecto: Verachtung hat nichts mit einer zivilisierten Haltung zu tun. Aber vielleicht gehört in der wehrhaften Demokratie, in Priens Block der demokratischen Parteien Verachtung, inklusive Hass und Hetze zu Höchstleistungen ihres Zivilisationsprozesses, denn Alice Weidel darf man eine Nazischlampe nennen, Robert Habeck einen Schwachkopf hingegen nicht. Es hat den Anschein, als applaudiert im ersten Fall die Justiz, während sie im zweiten Fall die Polizei schickt. Soviel zum Thema: „zivilisierte Verachtung.“ Soviel zum Thema Gewaltenteilung. Soviel zum Thema Demokratie. Soviel zum Thema des neuen Volksbildungsministeriums im tiefen NGO Staat. Soviel zum Kabinett Merz.