
An der Grenze zu Kroatien, einem EU- und Schengen-Mitglied, betreibt eine Bande von Afghanen ein neues kriminelles Geschäftsmodell – diese Gruppe, die unter anderem mit italienischen und deutschen Aufenthaltstiteln agiert, hat sich auf eine perfide Masche spezialisiert: Sie lockt Migranten in ihre Gewalt, foltert sie und erpresst von den Familien Lösegeld.
Eine mehr als vierwöchige Recherche des „Balkan Investigative Reporting Network“ (BIRN) hat diese kriminellen Machenschaften ans Licht gebracht, die durch Filmaufnahmen, Fotos, Zeugenaussagen und die bosnische Polizei bestätigt werden. Die Täter operieren in Bosnien-Herzegowina und verfolgen ein dreigeteiltes Geschäftsmodell: Zum einen schmuggeln sie Migranten gegen Bezahlung über die Grenze nach Kroatien. Zum anderen fangen sie Migranten ab, die auf eigene Faust nach Kroatien wollen. Diese werden dann überwältigt und gefoltert. Und das Schlimmste: Die erschütternden Szenen werden mit den Handys der Opfer aufgenommen. Diese Videos werden dann an die Familien der Opfer geschickt, verbunden mit der Forderung nach Lösegeld, das je nach den finanziellen Möglichkeiten der Familien variiert.
Besonders perfide: Migranten, die es bereits bis nach Kroatien geschafft haben, werden von der Polizei aufgegriffen und zurück nach Bosnien geschickt – nur um erneut in die Fänge der Bande zu geraten. Diese verlangt nun von ihren „früheren Kunden“ Lösegeld, wobei die Opfer inzwischen die Entführungsmasche durchleben. Filmaufnahmen, die BIRN zugänglich waren, dokumentieren die Grausamkeit der Täter: Mehrere Männer liegen entblößt auf dem Boden, während ein Täter mit einem Messer ihre Rücken verletzt und sie mit Stiefeln tritt. Diese Szenen, so der Bericht, betreffen Migranten aus Kaschmir, die über Bosnien, Kroatien und Slowenien nach Triest in Italien wollten – aber im abgelegenen Nordwesten Bosniens in einen Hinterhalt gerieten. Die Lösegeldforderungen beginnen bei 400 Euro, wobei es in anderen Fällen bis zu 6.000 Euro pro Person werden können. Besonders hohe Summen werden von Familien mit türkischen Staatsangehörigen verlangt.
Adnan Beganović, Sprecher der bosnischen Polizei im Kanton Una-Sana, bestätigte die Existenz der Bande. Sie ziele insbesondere auf Migranten aus finanzstarken Familien ab, indem sie diese übermächtige, misshandelt und zur Lösegeldforderung zwingt. Das Geld werde hauptsächlich auf türkische Konten überwiesen, aber auch auf Bankkonten in den Niederlanden und der Schweiz.
Laut Schätzungen gibt es bereits mehrere Tausend Entführungen. Auf einem Konto, das der Polizei als Bande zugeordnet werden konnte, wurden 70.000 Euro entdeckt. Ermittlungserfolge sind jedoch selten. Zwei Täter wurden in Bosnien zu 22 Monaten Haft verurteilt.
Interessanterweise besteht die Bande größtenteils aus Afghanen, die in europäischen Ländern Asylstatus genießen – darunter auch zwei Männer, die in Italien als Flüchtlinge anerkannt wurden, sowie ein weiterer mit deutschem Aufenthaltstitel.
Der Beitrag ist bei exxtra24.at erschienen.