
Tichys Einblick: Herr Urbaniok, Sie schreiben aus der Sicht eines forensischen Psychiaters in Ihrem neuesten Buch „Schattenseiten der Migration“ darüber, dass und warum Migranten aus bestimmten Kulturkreisen in der Kriminalstatistik weit überrepräsentiert sind. Dabei stützen Sie sich auf Ihre Berufserfahrung – und Statistiken. Wie fiel bisher die Reaktion auf Ihr Buch aus?
Frank Urbaniok: Es gibt mehrere Reaktionen. Zum einen: Es war ausgesprochen schwierig, das Buch überhaupt zu veröffentlichen. Die Idee dafür hatte ich schon Anfang 2024. Mein Literaturagent hatte auf der Leipziger Buchmesse das Konzept vorgestellt. Damals gab es sehr viel Interesse von Verlagen. Das waren zehn oder zwölf. Er ist ein alter Hase im Buchgeschäft und war ganz euphorisch. In vier Wochen haben wir fünf Angebote, war er überzeugt. Ich war eher skeptisch, weil ich dieses Thema schon in meinem vorletzten Buch behandelt hatte, und zwar mit 30 Seiten zum Thema Ausländerkriminalität.
Dort hatte ich unter anderem dieses Beispiel der Ausländerkriminalität als ein Zeichen für das genommen, was ich „weiche Zensur“ nenne: Unbequeme Wahrheiten werden, damit das Weltbild von bestimmten Leuten intakt bleibt, negiert, verzerrt und uminterpretiert. Die Reaktionen damals waren auch schon so, gerade aus Deutschland, dass ich in eine rechtsradikale Ecke gestellt wurde. Es gab Rezensionen, in denen es hieß, ich würde der Alt-Right-Bewegung aus den USA anhängen – was natürlich vollkommener Unfug ist. Ich wende mich vehement gegen alle radikalen Positionen.
Wie ging es nun mit Ihrem neuen Buch weiter?
Die Verlage sind abgesprungen. Die Verlagsleitungen sagten: Damit bekommen wir ein Imageproblem, einen Shitstorm, das ist zu gefährlich. Machen wir nicht. Es gab auch die originelle Begründung: Migration ist kein aktuelles Thema. Eine steile These. Und das zusätzliche Argument, mit dem Buch würde man die anderen Autoren des Verlags verschrecken.
„Es ist in Deutschland ausgesprochen schwierig, über das Thema Ausländerkriminalität zu sprechen. Man wird sofort in eine politische Ecke gedrückt.“
Schließlich entstand das Buch dann doch. Wie kam es dazu?
Dann habe ich einen Verlag in der Schweiz gefunden, den Voima Verlag. Der war sofort angetan. Die Verlegerin hat sich das einen Tag überlegt und eine Nacht drüber geschlafen. Eine willkommene Nebenwirkung ist, dass jetzt renommierte Autoren zu diesem Verlag kommen, die das gleiche Problem hatten wie ich, nämlich dass sie ihre Manuskripte in den „normalen“ Verlagen einfach nicht veröffentlicht bekommen.
Die Vorbehalte gegenüber Ihrem Buch bleiben trotzdem. Oder hat sich das geändert?
Es ist in Deutschland generell ausgesprochen schwierig, über das Thema Ausländerkriminalität zu sprechen. Man wird sofort in eine politische Ecke gedrückt. Ich kann nur zwei Beispiele nennen. Ich bin für eine Tagung angefragt worden für ein Referat zum Thema Migrationsprobleme. Dann wurde politisch interveniert und mir gesagt, das wäre zu heikel. Es ist aus dem Tagungsprogramm herausgestrichen worden. Gerade heute Morgen habe ich von einer Partei, die mich eingeladen hatte, gehört: Nein, ist doch zu heikel, wir wollen lieber nicht.
Wie steht es bisher um die Reaktion der Medien auf Ihr Buch?
Es hat immerhin viel mediale Berichterstattung in der Schweiz gegeben und ein Interview in der „Welt“. Aber sonst ist es bislang schwierig, was die Rezeption betrifft.
Ihr Buchtitel ist ja sehr untertourig gewählt: „Schattenseiten der Migration“. Eine generelle Migrationsfeindlichkeit kann man Ihnen also nicht ernsthaft vorwerfen.
Migration ist ein Thema mit guten und schlechten Seiten, mit Potenzialen und Nebenwirkungen. Und wie Sie richtig sagen: In meinem Buch geht es um die Schattenseiten der Migration. Meine Kritik lautet, dass man die Risiken, wie zum Beispiel die überproportionale Kriminalität bestimmter Herkunftsländer, vernebelt.
„Es gibt problematische und unproblematische Herkunftsländer. Bestimmt ostasiatische Länder, auch die alten EU 15 gehören zu den unproblematischen Ländern.“
Sie sprachen vorhin auch von einer anderen Art von Reaktionen auf Ihr Buch. Welche?
Seit das Buch herauskam, schreiben mir dauernd ganz normale Menschen. Sie bedanken sich – und berichten aus ihrem Alltag. Etwa der Bademeister, der schrieb: Ich kann hier nichts mehr sagen, damit die Baderegeln eingehalten werden, weil ich sofort als Rassist beschimpft werde – von meinem Vorgesetzten werde ich nicht gedeckt. Der Berufsschullehrer, der sagt: Ich sehe die Probleme hier, aber wir dürfen das nicht ansprechen. Ich bin deshalb froh, dass Sie das machen.
In Ihrem Buch stellen Sie fest, dass Menschen mit einem bestimmten kulturellen Hintergrund deutlich mehr zu Gewaltstraftaten neigen, was sich auch in der Kriminalitätsstatistik mit einer Überrepräsentation widerspiegelt. Wie lauten Ihre Hauptbefunde zu Quantität und Ursachen?
Wenn einen das interessiert, ob die Überrepräsentation von bestimmten Gruppen in der Kriminalstatistik ein Problem ist, dann müssen Sie machen, was ich gemacht habe: nationalitäten-spezifisch und deliktspezifisch die Quoten berechnen. Dabei habe ich mich auf Gewalt- und Sexualdelikte konzentriert, weil sich dort die Problematik akzentuiert zeigt.
Nennen Sie doch bitte einmal konkrete Befunde.
Die Kriminalquoten werden anhand des Bevölkerungsanteils der einzelnen Migrantengruppen berechnet und dann mit den Quoten der Inländer verglichen. Ich habe das für Deutschland, Österreich und die Schweiz, jeweils mit den Statistiken für Tatverdächtige (Polizeiliche Kriminalstatistik), Verurteilte und Strafgefangene, berechnet. Bestimmte Länder aus Osteuropa und dem Balkan sind deutlich überrepräsentiert. Bei nordafrikanischen, anderen afrikanischen und bestimmten arabischen Staaten explodieren die Zahlen. Da gibt es Überrepräsentationen von 500, 1000 und mehr Prozent. Das ist also eklatant.
Ist Migration einfach immer mit mehr Kriminalität verknüpft?
Eben nicht. Ich verwende mehrere Tabellen im Buch, in denen ich zeige: Es gibt problematische und unproblematische Herkunftsländer. Bestimmte ostasiatische Länder, auch die alten EU 15 gehören zu den unproblematischen Ländern. Manche Länder weisen sogar geringere Kriminalitätsquoten auf als Deutschland im Schnitt – was die Überrepräsentation von anderen Herkunftsländern ja noch akzentuiert.
Sie stützen sich aber nicht nur auf die Kriminalstatistik, sondern vor allem auf sehr viele Fälle, die Sie als Forensiker gesehen haben, darunter eben auch viele mit Migrationsgeschichte. Erzählen Sie von Ihren Erfahrungen.
In der Tat, meine Hauptinformationsbasis ist meine Arbeit, in der ich innerhalb von 33 Jahren mehr als 5000 Straftäter gesehen habe. Wenn ich ins Spiel komme, geht es immer darum, die Gründe für die Taten genau zu verstehen. Es ist also eine intensive Auseinandersetzung mit den Tätern und ihren Taten. Daher kenne ich nicht nur die Studien, sondern vor allem die Praxis und die Realität.
Warum sind bestimmte Länder so stark überrepräsentiert?
Bildet die islamische Religion den Kern der von Ihnen beschriebenen Probleme?
Es ist der Islamismus, aber diese religiöse Prägung ist längst nicht der einzige Faktor. Es geht bei einer bestimmten Klientel auch generell um die Einstellung zu Gewalt. Also: Wie schnell wendet jemand Gewalt an? Ist Gewalt ein Teil des Selbstbildes? Wie sind Rollen-Vorstellungen im Kontext von Frau und Mann? Denkt jemand: „Mir gehört die Frau?“ Es sind sehr starke patriarchale Verhältnisse, die viele aus ihren Herkunftsländern mitbringen und auch verinnerlicht haben, wenn sie hier zur zweiten oder dritten Migrantengeneration gehören.
Lassen sich die kriminalitätsfördernden Eigenschaften bei Tätern mit Migrationshintergrund verändern?
Das ist unterschiedlich. Es gibt Täter, die das wollen und die sich verändern. Das ist für alle ein Gewinn. Aber es gibt auch die Menschen, die nicht integrationsfähig und/oder nicht integrationswillig sind.
„Es gibt Personen, bei denen Gewalt ein schnell und intensiv eingesetztes Mittel ist, weil es bei ihnen viel stärker im Selbstbild integriert ist.“
Wie äußert sich das?
Die sagen zum Beispiel: Wir sind eigentlich die auf der richtigen Seite, ihr im Westen seid verweichlicht, wir haben die bessere Kultur, unsere eigenen kulturellen Normen sind wichtiger, eure Normen kommen erst als Nummer zwei. Das steht dann im scharfen Gegensatz zum Rechtsstaat und zu unseren Werten. Es gibt die Personen, bei denen Gewalt ein schnell und intensiv eingesetztes Mittel ist, verglichen mit dem Bevölkerungsschnitt, weil es bei ihnen viel stärker im Selbstbild integriert ist.
In zahlreichen Fällen, etwa bei dem Syrer, der in Aschaffenburg mit dem Messer auf Kinder losging, oder bei dem Asylbewerber, der 2024 in Wangen auf ein Kind einstach, lautete der Befund schnell: psychisch krank. Heißt das, es gibt auch eine Überrepräsentation psychisch kranker Täter unter Migranten aus bestimmten Ländern? Oder sind die Diagnosen oft voreilig und falsch?
Dazu muss man zwei Dinge sagen. Psychische Störungen und Gefährlichkeit sind zwei verschiedene Dinge. Wir haben die Tendenz zu sagen: Wenn jemand etwas Schlimmes tut, dann muss er wahrscheinlich psychisch krank sein. Das stimmt in den meisten Fällen nicht. Die meisten Täter sind nicht psychisch krank. Es gibt zwar auch psychisch kranke Täter, die aufgrund ihrer psychischen Erkrankung handeln. Aber die sind in der deutlichen Minderheit.
Wie sieht es in den Kliniken aus?
In Kliniken, die für psychisch kranke Straftäter zuständig sind, sind Patienten mit Migrationshintergrund stark überrepräsentiert. Das kann ein Indiz dafür sein, dass sie auch bei gefährlichen psychiatrischen Erkrankungen überrepräsentiert sind. Oder es bedeutet, dass man bei dieser Klientel mehr die Tendenz hat zu sagen: Hier haben wir es mit einer psychiatrischen Krankheit zu tun.
Was empfehlen Sie als Gegenmittel zu den Problemen, die Sie beschreiben?
Mein Konzept ist: Wir müssen von Migranten die Einhaltung unserer zentralen Werte viel mehr einfordern, als wir das bisher tun. Und diejenigen, die unsere gesellschaftlichen Normen nicht akzeptieren wollen, haben in unserem Land nichts verloren. Ich schlage ein Konzept mit 17 einzelnen Maßnahmen für eine umfassende Wende in der Migrationspolitik vor.
Was möchten Sie mit Ihrem Buch und generell Ihren Wortmeldungen erreichen?
Ich will das Thema Migration und die drängenden Migrationsprobleme aus den ideologischen Grabenkämpfen rausholen. Das wird bisher in der Sozialdemokratie, bei den Grünen und zum Teil bis in die politische Mitte hinein mit sehr spitzen Fingern angefasst – oder gar nicht. Ich habe aber auch bei Veranstaltungen mit Sozialdemokraten die Erfahrung gemacht, dass sich auch dort die Menschen von der Basis eine Veränderung wünschen. Sie sagen mir: „Sie haben recht, und wir würden uns wünschen, dass in unserer Partei das Thema aufgegriffen wird.“ Aber die Funktionäre wollen das nicht.
Sie setzen sich auch vehement mit den Strategien in Politik und Medien auseinander, das Thema Migrantenkriminalität kleinzureden oder am besten ganz beiseitezuschieben. Um welche Methoden geht es da?
Es gibt ein ganzes Bündel von Argumenten, das in der Politik und in den Medien gerne vertreten wird, um die Probleme kleinzureden und sie zuzudecken. Die Botschaft lautet: Alles nicht so schlimm, und Kriminalität hat nichts mit dem Migrationshintergrund der Täter zu tun. Denn die Ursachen seien soziale Faktoren oder es gäbe unter Migranten einfach mehr junge Männer, und die sind nun mal krimineller als der Schnitt.
Und das stimmt nicht?
Dazu gehört auch der Dauerbrenner der Abwiegler: Mohammed wird eben häufiger angezeigt als Moritz. Hinter der Überrepräsentation von Tätern mit muslimischem Hintergrund verbirgt sich also in Wirklichkeit pure Diskriminierung.
Es ist für mich erstaunlich, dass jemand damit jahrzehntelang durch die Talkshows tingeln kann, nämlich Christian Pfeiffer, der sozusagen das Urgestein aller Desinformationspropagandisten st. Wenn Sie die Studien angucken, auf die er sich bezieht, dann geht es dort gar icht um Gewaltkriminalität von Erwachsenen. Das ist der eine Punkt. Der zweite ist: Es gibt Delikte, bei denen Anzeigen gar keine Rolle spielen. Tötungsdelikte beispielsweise. Aber in all den Jahren kommt kein Journalist auf die Idee, einmal die Rückfrage zu stellen: Ist es dann bei Tötungsdelikten, bei denen es keine Anzeige braucht, anders? So viel zur kritischen Reflexionspotenz der Medien.
Sie sind ja Psychiater. Wie erklären Sie dieses Phänomen?
Die meisten Menschen wollen ihre Weltbilder und vor allem ideologische und politische Überzeugungen gerne konstant halten. Also ignorieren sie Fakten oder interpretieren sie so um, dass sie ihr Weltbild nicht verändern müssen. Das ist ein allgemein menschliches Phänomen. Wenn der Blick von Leuten ideologisch stark überformt ist, dann wird nicht die Ideologie geändert, sondern die Fakten werden so lange gebogen, bis sie hineinpassen.
Bei vielen Berufspolitikern und Medienmitarbeitern lässt sich die Ignoranz vielleicht auch zumindest teilweise damit erklären, dass es sich schlicht nicht um ihre Probleme handelt. Sie kommen in ihren Stadtvierteln nicht oder kaum vor.
Es stimmt, dass viele Bürger in ganz anderer Weise von den Problemen betroffen sind als die meisten Politiker und Medienvertreter. Und selbst wenn sie die Phänomene sehen, dann sagen sie: Wir haben uns zu wenig gekümmert, wir haben nicht genug für die Integration getan.
„Wenn der Blick von Leuten ideologisch stark überformt ist, dann wird nicht die Ideologie geändert, sondern die Fakten werden so lange gebogen, bis sie hineinpassen.“
Die Zunahme von Gewalt, gerade von Messer- und Sexualdelikten, wirkt sich in zweierlei Weise aus: Viele Normalbürger ziehen sich zurück, ein hoher Prozentsatz von Frauen meidet etwa abends öffentliche Verkehrsmittel in Großstädten. Manche meiden generell bestimmte Plätze, beispielsweise Schwimmbäder. Zum Zweiten hört man, dass sich auch Jugendliche ohne Migrationshintergrund ein Messer zulegen. Wie verändert das langfristig unsere Gesellschaft?
Wir sehen das ja nicht nur in Deutschland, sondern sehr ähnlich in allen westeuropäischen Ländern. Ich sage immer: Das schädigt unsere Gesellschaft im Kern. Wenn man das mit Abstand betrachtet: Wir haben früher, vor 15, 20 Jahren, in die USA geschaut – da wurden in manchen Vierteln Rettungssanitäter angegriffen, Polizisten, Feuerwehrleute, Krankenwagen. Das fanden wir ganz merkwürdig. Jetzt gewöhnen wir uns schleichend daran, dass das auch hier passiert oder dass es in Schwimmbädern, auf Notfallstationen und in Zügen Sicherheitskräfte braucht. Das Klima hat sich geändert, die Hemmschwellen sind extrem gesunken. Sie sehen das in Abstufungen in allen westeuropäischen Ländern. In Brüssel hatten wir beispielsweise in einem Jahr 90 Schießereien auf offener Straße. In Schweden ist dem Staat das Problem der Bandenkriminalität längst entglitten. Und wir sehen die Überrepräsentation in der Kriminalität auch in der zweiten und dritten Generation. Sie verschwindet nicht einfach.
Müssen wir mehr darüber sprechen?
Die drängenden Migrationsprobleme schädigen unsere Demokratien und Gesellschaften enorm. Sie führen zu einer Polarisierung der Gesellschaft. Menschen machen in ihrem persönlichen Alltag Erfahrungen, die sich in der politischen Diskussion und in vielen Medien nicht abbilden. Wenn die vernünftigen Kräfte das nicht aufgreifen, dann verlieren die Menschen ihr Vertrauen in die Handlungsfähigkeit des Staates. Sie verlieren das Vertrauen in unsere Gesellschaft. Sie fühlen sich nicht mehr repräsentiert. Die Vernünftigen im gesamten demokratischen Spektrum müssen die Probleme anpacken und lösen, denn der Umgang mit Migrationsproblemen ist eine Schicksalsfrage für unsere westlichen Demokratien. Wir leben in einer Demokratie von Fakten und offenen Diskussionen. Und nicht davon, dass wir sagen: Oh, manche Menschen könnten das missverstehen, also müssen wir es biegen und drehen und vertuschen.
Frank Urbaniok, Schattenseiten der Migration. Zahlen, Fakten, Lösungen. VOIMA Verlag, Paperbackausgabe, 282 Seiten, 29,80 €.
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