Migrationswende vor dem Ende: Friedrich Merz sitzt in der Falle und die Zeit läuft gegen ihn

vor etwa 1 Monat

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Er hat nur noch wenig Zeit – in einem Monat will Friedrich Merz Bundeskanzler sein. Sein Fahrplan zur Regierungsbildung („bis Ostern“) ist ambitioniert. Seit einer Woche, seit dem 13. März, laufen die Koalitionsverhandlungen. Sie sollen inhaltlich bereits am kommenden Sonntag, dem 23., grob abgeschlossen sein. Einen Monat später will Merz sich zum Kanzler wählen lassen. Bis dahin müssen noch Unstimmigkeiten ausgeräumt, die Ergebnisse zusammengefasst und ausgearbeitet und schließlich von den Parteiorganen (bei der CDU ein kleiner Parteitag, bei der SPD eine Mitgliederbefragung) verabschiedet werden.

Für CDU und CSU sieht es gar nicht gut aus. Bisher ist Friedrich Merz der grünste und sozialdemokratischste Kanzler jemals – und dabei ist er noch nicht mal formal gewählt. Die Union hat bisher zentrale inhaltliche Punkte ihres Wahlkampfes aufgegeben, ohne irgendeinen nennenswerten, inhaltlichen Erfolg verbuchen zu können. Beim Thema Finanzen und Schulden hat die Union der SPD so gut wie alles gegeben und nichts bekommen.

Das Sondervermögen Infrastruktur und die Aufweichung der Schuldenbremse haben den Bundestag passiert, die Zustimmung des Bundesrates kommende Woche gilt als sicher. Es steht schon 2:0 für die SPD, selbst die Grünen haben schon ein Tor gemacht. Will die Union noch Reste ihres Gesichts wahren, braucht es klare und handfeste Erfolge beim Thema Migration – doch auch, was das angeht, sieht es fortwährend schlecht aus.

Die Hoffnung mancher Parteimitglieder auf eine handfeste Migrationswende, die im Angesicht von Merz‘ Umfaller bei der Schuldenbremse intern noch wie eine Art Enttäuschungsbewältigungsmechanismus vorgeschoben wurde, bröckelt auch. Die zukünftigen Koalitions-„Partner“ lassen Merz zappeln. Die SPD blockiert in den Koalitionsgesprächen laut Bild aktuell und fortwährend die von der Union geplante Wende in der deutschen Migrationspolitik – konkret die Zurückweisungen an der deutschen Grenze, so heißt es unter Berufung auf Verhandlungskreise.

Die Union, heißt es, habe sich von der Härte der Sozialdemokraten völlig überraschen lassen – das Verhandlungsteam rund um die Spitzenleute von CDU und CSU hat die Eiseskälte der SPD in den Verhandlungen nicht erwartet. Vor allem, weil man schon so viel hergeschenkt hat. Zunehmend macht sich an der Basis eine Grabesstimmung breit, die sich auch in einer deutlichen Zunahme der Parteiaustritte niederschlägt (lesen Sie hier mehr). Die letzten Reste von Merz‘ politischem Kapital wären aufgebraucht, wenn bei Migration nichts mehr herumkommt.

Die SPD bleibt hart – und die Uhr tickt. Wie es im engen Zeitplan weitergeht: Der kleine CDU-Parteitag, der sogenannte Bundesausschuss, soll dem Entwurf des erwarteten Koalitionsvertrages am 10. und 11. April zustimmen. Die SPD will ihr digitales Mitgliedervotum in einem Zeitrahmen von etwa zehn Tagen abschließen, erklärte Generalsekretär Matthias Miersch. Wann genau das jedoch stattfinden soll, war zuletzt noch offen.

Und während die Zustimmung eines von Parteikadern besetzten Bundesausschusses bei der CDU erwartbar ist, nutzt die SPD ihren Mitgliederentscheid, um Druck auszuüben. Lehnen die SPD-Delegierten den Vertrag mit Merz ab, dann steht der Union-Kanzlerkandidat plötzlich ohne Regierungspartner da – und muss dann entweder kleinlaut und düpiert seine mit großen Worten aufgebaute Brandmauer zur AfD einreißen, oder sein politisches Scheitern akzeptieren und abtreten.

Doch die Sozialdemokraten lassen die Union bisher total auflaufen. Saskia Eskens Ansage von Anfang März, effektive Zurückweisungen an den deutschen Grenzen seien „brandgefährlich“, war eine klare Drohung an Merz und seine Leute: Sie werde „auch ganz klar dagegenhalten“, wenn „es weiter debattiert wird“. Auch Lars Klingbeil hatte öffentlich bereits einen Pflock eingeschlagen und angekündigt, die SPD werde „keine faktischen Grenzschließungen“ mitmachen. „Faktische Grenzschließungen“ – eine CDU-Formulierung, mit der die Partei im Wahlkampf eine Grenzschließung für alle illegalen Migranten bezeichnet hatte.

Klingbeil legt auch Wert darauf, dass die Formulierung des Sondierungspapiers zu Zurückweisungen – „in Abstimmung mit unseren europäischen Nachbarn“ – als Absage an Zurückweisungen ohne Zustimmung der deutschen Nachbarländer zu verstehen sei. Als Jens Spahn das Gegenteil behauptete, ließ Klingbeil ihn kühl auflaufen: „Wenn Herr Spahn das nicht gelesen hat, ist es sein Problem, nicht unseres“, watschte der SPD-Chef den CDU-Politiker ab. Für das unglaubliche Selbstvertrauen, mit der die SPD sich in den Verhandlungen gegen CDU und CSU stellt, haben die Unionsvertreter noch keine Handhabe gefunden. Merz selbst soll seine Verhandler schon aufgefordert haben, härter aufzutreten.

Auf beiden Seiten werde der Ton rauer, heißt es aus Unterhändler-Kreisen laut Münchner Merkur. Die SPD-Vertreter in der Arbeitsgruppe „Innen und Recht“ würden Merz‘ Migrationswende partout nicht mittragen. Merz ist ihnen in der Finanzpolitik nicht auf halbem Weg, sondern auf ganzer Strecke entgegengekommen – umgekehrt lassen die Sozialdemokraten ihn bei Migration jetzt im Regen stehen. Was auch immer er ihnen aus dieser Position noch abringen kann, wird zwingend nur ein halber Sieg sein – und damit vor allem eine halbe Niederlage.

In was für eine Sackgasse Merz und die Union sich verhandelt haben, zeigt auch ein Gedankenspiel, das in Berlin mancher durchexerziert: Die SPD, die aktuell alle Karten in der Hand hält, könnte Merz jetzt grundsätzlich auflaufen lassen und gar seine Kanzlerschaft noch verhindern. Dann wäre eine rot-grüne Minderheitsregierung weiter im Amt und könnte mit den genehmigten hunderten Milliarden Politik machen, bis es im Zweifel Neuwahlen gäbe (lesen Sie hier mehr).

Unwahrscheinlich – aber nicht unmöglich. Die Eiseskälte, mit der die SPD die Verhandlungen führt, würde zumindest genauso für dieses Szenario sprechen wie die Unbedarftheit von Merz und CDU/CSU, die bisher, vorsichtig formuliert, nicht gerade mit großem Verhandlungsgeschick auftreten. Jetzt drohen sie, auch bei Migration abgekocht zu werden.

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