
Deutschland befindet sich im dritten Jahr einer hartnäckigen Rezession. Allein im ersten Quartal des laufenden Jahres haben 5.200 Unternehmen Insolvenz angemeldet – ein Anstieg von 15 Prozent zum Vorjahr. Die Insolvenzwelle schlägt sich auch auf dem Arbeitsmarkt nieder: In den vergangenen fünf Jahren wurden in Deutschland über eine halbe Million Jobs gestrichen.
Die Probleme sind bekannt: Eine veritable Energiekrise, die die deutsche Industrie in die Enge treibt, verbunden mit der chronischen Überbürokratisierung der Wirtschaft. Sie belastet die Unternehmen am Standort Jahr für Jahr mit einer hohen Milliardensumme. Im letzten Jahr waren es nach Berechnungen des ifo Instituts 146 Milliarden Euro, die die Betriebe für die öffentliche Verwaltung und deren Regulierungsanforderungen aufbringen mussten. Die Folge: De-Industrialisierung und Abzug von Investitionskapital ins Ausland in Milliardenhöhe.
Mit einem breit angelegten Maßnahmenpaket will Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) nun die Schubumkehr erzwingen. Gezielte steuerliche Anreize sollen die Investitionsbereitschaft der deutschen Wirtschaft stärken. Kernstück dieses Vorhabens ist die Wiedereinführung einer degressiven Abschreibung von 30 Prozent für Ausrüstungsinvestitionen in den Jahren 2025 bis 2027. Diese Maßnahme ermöglicht es Unternehmen, die Anschaffungskosten für Maschinen, Geräte und betrieblich genutzte Elektrofahrzeuge (hier soll eine Abschreibung von 75 Prozent gelten) deutlich schneller steuerlich abzusetzen. Dadurch verbessert sich die Liquidität der Unternehmen unmittelbar nach der Investition, was insbesondere in einer von Unsicherheiten geprägten wirtschaftlichen Lage die Finanzkraft der Betriebe stabilisieren kann.
Der Investitionsbooster soll als eine Art Katalysator für das Wirtschaftsgeschehen wirken, der Investitionshemmnisse abbaut und die Modernisierung des deutschen Kapitalstocks beschleunigt. Die Maßnahme wird aller Voraussicht nach zeitlich begrenzt sein und soll von weiteren Reformen, wie der schrittweisen Senkung der Körperschaftsteuer ab 2028, flankiert werden. Diese soll in fünf jährlichen Schritten von 15 auf 10 Prozent sinken – ein symbolträchtiger Akt steuerlicher Entlastung, der jedoch an Schärfe verliert, da weder der Solidaritätszuschlag abgeschafft noch die belastende Gewerbesteuer angetastet wird. Hier kommen angesichts klammer kommunaler Kassen eher weitere fiskalische Lasten auf die Betriebe zu.
Insgesamt soll die Wirtschaft im Zuge der Investitionshilfen bis zum Jahr 2029 um 46 Milliarden Euro entlastet werden. Allerdings handelt es sich bei dem Abschreibungsvorteil lediglich um eine temporäre Vorverlagerung der steuerlichen Entlastung, die in den Folgejahren aufgebraucht sein wird, wenn die Unternehmen davon Gebrauch gemacht haben.
Simultan zum Investitionsbooster plant der Staat ein milliardenschweres Investitionsprogramm – finanziert auf Pump, im festen Glauben an die wachstumsstabilisierende Kraft öffentlicher Ausgaben. Es ist das alte keynesianische Rezept: Der Staat ersetzt die Zurückhaltung der Privatwirtschaft durch eigene Investitionen, als ließe sich eine blutleere Konjunktur durch Schulden dauerhaft beatmen. Doch wo der Markt zögert und der Staat zentralistisch interveniert, bleibt am Ende nur ein großer Berg neuer Schulden.
Der Schuss mit der Schulden-Bazooka kann das strukturelle Investitionsproblem am deutschen Standort nicht lösen. Die Kreditvergabe an Unternehmen in Deutschland gestaltet sich zunehmend schwierig. Zum Jahreswechsel berichteten laut der aktuellen KfW-ifo-Kredithürde 34,5 Prozent der Großunternehmen von erschwerten Kreditverhandlungen – ein neuer Höchstwert seit Beginn der Erhebung. Besonders betroffen ist das verarbeitende Gewerbe, wo sogar 40,4 Prozent der Betriebe mit Problemen im Kreditgeschäft zu kämpfen hatten.
Diese Entwicklung signalisiert eine strukturelle Störung im Kreditmechanismus: Banken verschärfen ihre Risikobewertung angesichts der anhaltenden wirtschaftlichen Unsicherheiten, steigender Zinsen und geopolitischer Risiken. Gleichzeitig zeigen sich viele Unternehmen trotz staatlicher Investitionsanreize zurückhaltend bei der Aufnahme von Krediten, da sie die wirtschaftlichen Perspektiven als grundsätzlich negativ einschätzen.
Der sogenannte Investitionsbooster der Bundesregierung weckt hohe Erwartungen, die er strukturell nicht erfüllen kann. Zwar mag der steuerliche Anreiz kurzfristig die Investitionsneigung stimulieren, doch bleibt unklar, ob es sich dabei nicht bloß um eine temporäre Vorverlagerung ohnehin geplanter Ausgaben handelt – ein statistisches Strohfeuer, das in den Folgejahren rasch verpufft. Nachhaltige Wertschöpfung kann auf diese Weise nicht entstehen.
Denn die tieferliegenden Probleme – insbesondere die verfehlte Energiepolitik und die Kosten durch die erdrückende Bürokratie – werden auch von dieser Bundesregierung nicht adressiert. Niemand wagt es, die heilige Kuh der Regulierung auch nur anzutasten. Ohne eine grundlegende Korrektur dieser Rahmenbedingungen entfaltet kein noch so gut gemeinter Investitionsimpuls die nötige Durchschlagskraft. Investitionen werden nicht durch Abschreibungsregeln, sondern durch Standortqualität und unternehmerische Perspektiven entschieden.
Zudem birgt das Paket das Risiko grundsätzlicher ineffizienter Allokation knapper Ressourcen: Es könnten Kapazitäten geschaffen werden, die weder marktseitig nachgefragt noch volkswirtschaftlich sinnvoll sind. Im Extremfall wird eine Überproduktion mit dem Steuergesetz erzwungen, die künftig in eine schärfere Rezession mündet, wenn es zum Abbau dieser künstlichen Überkapazitäten kommt. Anstelle einer ordnungspolitischen Wende, Deregulierung und dem Rückzug des Staats aus dem Wirtschaftsgeschehen erleben wir kurzfristige, dirigistische Impulse, die das Marktgeschehen zusätzlich verzerren.
Was fehlt, ist eine kohärente Strategie, die die Energie- und Bürokratielasten senkt, Vertrauen in den Standort stärkt und privatwirtschaftliche Initiative entfesselt. Der Booster wirkt daher weniger wie ein Sprungbrett für die Wirtschaft, sondern eher wie ein Strohhalm, an dem sich eine ratlose Politik klammert, um einer erschöpften Industrie kurzfristig Linderung zu verschaffen.