
Noch in diesem Monat entscheidet die Mindestlohnkommission über eine potenzielle Anhebung der Lohnuntergrenze. Die Kommission tagt dreimal jährlich und besteht aus insgesamt neun Mitgliedern. Jeweils drei davon vertreten die Arbeitnehmerseite, drei die Arbeitgeberseite. Die dritte und finale Sitzung, in der der Beschluss zur Anpassung des Mindestlohns gefasst wird, findet noch im Laufe dieses Monats statt.
Auch wenn in der Kommission bislang kein Konsens gefunden wurde, gilt eine Erhöhung auf 15 Euro als wahrscheinlich, da sowohl aus der Gesellschaft als auch von politischer Seite breite Unterstützung für diesen Schritt signalisiert wird. Derzeit liegt der Mindestlohn bei 12,82 Euro pro Stunde. Eingeführt wurde der gesetzliche Mindestlohn im Jahr 2015, damals lag dieser noch bei 8,50 Euro.
Auf politischer Ebene drängen vor allem die links-liberalen Akteure auf eine Anhebung des Mindestlohns. Besonders SPD und Die Linke fordern eine Erhöhung der Lohnuntergrenze. Auch politiknahe Organisationen wie Verdi unterstützen dieses Vorhaben. Auch wenn sich die CDU bislang nicht eindeutig für eine Erhöhung ausgesprochen hat, wird eine Anhebung unter der schwarz-roten Bundesregierung wohl ziemlich sicher Realität. Im Koalitionsvertrag von Union und SPD ist festgehalten, dass ein Mindestlohn von 15 Euro pro Stunde im Jahr 2026 „erreichbar“ sei. Die negativen Folgen, die eine solche Anhebung auslöst, werden dabei eiskalt ignoriert.
Vor allem der deutsche Einzelhandel schlägt Alarm: Eine Anhebung der Lohnuntergrenze würde die Branche finanziell stark unter Druck setzen, da die Personalkosten im Einzelhandel einen erheblichen Anteil an den Gesamtkosten ausmachen. Bei vielen Betrieben liegt die Personalkostenquote bei über 50 Prozent. Eine Anhebung des Mindestlohns ist daher ein harter Schlag, zumal viele Beschäftigte in der Branche den Mindestlohn oder nur geringfügig mehr verdienen. Dieses Bild zeigt sich übrigens in sämtlichen konsumnahen Branchen: von der Gastronomie über die Landwirtschaft, das Friseurhandwerk bis hin zur Gebäudereinigung und weiteren Dienstleistungsbereichen.
Da der Einzelhandel zudem unter steigenden Miet- und Energiekosten leidet, meist mit engen Gewinnmargen arbeitet, wird die Mindestlohn-Erhöhung für viele mittelständische Betriebe zum existenziellen Problem. Erschwerend kommt hinzu, dass Einzelhändler starkem Konkurrenzdruck ausgesetzt sind, insbesondere durch Online-Händler, die ihre Produkte deutlich günstiger anbieten können. Dadurch ist die Möglichkeit, gestiegene Kosten durch Preiserhöhungen an die Kunden weiterzugeben, begrenzt. Mit der Anhebung der Lohnuntergrenze drohen der Branche eine Insolvenzwelle sowie weitreichende Stellenstreichungen.
Der Präsident des Handelsverbandes Deutschland (HDE), Alexander von Preen, brachte die akute Notlage gegenüber ntv auf den Punkt: „Der Einzelhandel kann im dritten Rezessionsjahr in Folge angesichts enger Margen und geringer Rücklagen weitere Kostensteigerungen nicht mehr schultern.“ Er verwies auf eine Umfrage des Verbandes unter rund 550 Handelsunternehmen aller Größen, Branchen und Vertriebsformen. Demnach erwarten zwei Drittel der Unternehmen negative Folgen für die Beschäftigung bis hin zu Entlassungen, sollte der Mindestlohn deutlich steigen. „Wir brauchen deshalb eine Aussetzung der Mindestlohnanpassung, also eine Nullrunde“, ließ von Preen verlauten.
Neben den Mehrkosten, mit denen sich die Einzelhändler und andere konsumnahe Unternehmen durch die Mindestlohn-Erhöhung konfrontiert sehen, wird auch das eigentliche Ziel der Maßnahme – die Entlastung von Geringverdienern – verfehlt. Die Vorstellung, dass Lohnanhebungen automatisch die Kaufkraft stärken, ist ein Mythos. Denn die Erhöhung der Lohnuntergrenze setzt eine Entwicklung in Gang, die alles andere als eine Entlastung für die arbeitende Bevölkerung bedeutet: die Lohn-Preis-Spirale.
Die Lohn-Preis-Spirale ist ein komplexes wirtschaftliches Phänomen, bei dem sich Löhne und Preise gegenseitig antreiben. Höhere Löhne führen branchenübergreifend zu steigenden Produktionskosten, diese wiederum zu höheren Preisen, da Betriebe die Mehrkosten auf Verbraucher umlegen. Das führt dann zu neuen Lohnforderungen. Es entsteht ein selbstverstärkender Kreislauf, der die Inflation befeuert und sich immer weiter zuspitzt.
Im Endeffekt wird durch die Mindestlohn-Erhöhung also nichts Positives erreicht. Während eine echte Entlastung für Geringverdiener ausbleibt, wird dem Einzelhandel und anderen Konsumbranchen, die eine hohe Personalkostenquote haben, ein schwerer Schlag versetzt. Die Unfähigkeit der politischen Entscheidungsträger, vor allem auf der linksliberalen Seite, diese ökonomischen Zusammenhänge zu erkennen, ist erschreckend, wenn auch kaum überraschend. Besonders die Haltung eines Großteils der Bevölkerung gibt aber Anlass zur Sorge.
Eine neue repräsentative Befragung des Instituts Forsa im Auftrag des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) offenbart: Zwei Drittel der Deutschen (66 Prozent) befürworten eine Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns auf 15 Euro.
Auffällig ist dabei vor allem die Zustimmung unter Frauen: 71 Prozent unterstützen die Forderung nach einer höheren Lohnuntergrenze. Doch auch unter den Männern spricht sich mit 59 Prozent eine klare Mehrheit dafür aus. Regional betrachtet sind die Unterschiede moderat – im Westen liegt die Zustimmung bei 67 Prozent, im Osten bei 59 Prozent. Besonders stark fällt der Rückhalt bei den Jüngeren aus: Mit 82 Prozent ist die Zustimmung bei den unter 30-Jährigen besonders hoch.
Dabei dürfte inzwischen jedem, der rational denkt, einleuchten: Die Anhebung des Mindestlohns bietet keinerlei echte Entlastung für Geringverdiener. Um diese Menschen wirklich zu unterstützen, müsste die Bundesregierung andere Maßnahmen ergreifen. Ein möglicher Weg wäre unter anderem die gezielte Senkung von Steuersätzen.
Die Steuer- und Sozialabgabenbelastung ist gerade für Niedriglohnbeschäftigte überdurchschnittlich hoch. Genau hier muss der Staat ansetzen. Teilweise werden 75 bis 80 Prozent von Mehrverdiensten durch Abgaben aufgezehrt. Dieser Effekt wird als „Partizipationsbelastung‟ bezeichnet. Konkret bedeutet das: Wenn jemand mit niedrigem Einkommen mehr arbeitet oder verdient, bleibt vom Bruttomehreinkommen netto oft nur ein Bruchteil übrig, der Rest verschwindet in Lohnsteuer und Sozialabgaben. Ein Paradebeispiel für die staatliche Übergriffigkeit.
Auch beim Strompreis für Privathaushalte gäbe es erheblichen politischen Spielraum. Aktuell entfallen rund 32 Prozent des Strompreises auf Steuern und Abgaben, und das mit steigender Tendenz. Im Vorjahr lag dieser Anteil noch bei 29 Prozent. Auf diese Weise wird die Kaufkraft, insbesondere für Haushalte mit geringem Einkommen, zusätzlich geschwächt.
Ein weiterer Ansatzpunkt zur Entlastung wäre die Aussetzung der CO2-Steuer. Der nationale Emissionshandel, der die Sektoren Gebäude und Verkehr, also Heizen und Tanken betrifft, stellt eine enorme Zusatzbelastung für Haushalte mit geringer Kaufkraft dar. Die Kosten für Sprit und Heizenergie sind durch die schrittweise Erhöhung der CO2-Abgabe in den letzten Jahren massiv gestiegen. Laut Daten des ADAC hat die Anhebung der CO2-Steuer die Preise pro Liter Benzin bzw. Diesel jährlich um 7 bis 20 Cent verteuert. Für Pendler oder Vielfahrer wird der Weg zur Arbeit damit zum finanziellen Kraftakt.
Kurz gesagt: Um „Niedriglohnbeschäftigte‟ nachhaltig zu entlasten, müsste der Staat endlich seine Gier zügeln, den Bürger nicht länger bis auf den letzten Cent aupressen und aufhören, sich auf dessen Rücken zu bereichern – doch genau das wird wohl niemals geschehen.
Die Anhebung des Mindestlohns auf 15 Euro ist ein undurchdachtes Manöver, das jede wirtschaftliche Realität ignoriert. Für den Einzelhandel und andere konsumnahe Branchen, die bereits unter hohen Kosten leiden, bedeutet dieser Schritt ein Schlag ins Gesicht.
Währenddessen verkaufen SPD und Linke die Illusion sozialer Gerechtigkeit – dabei wird der Lohnzuwachs durch Inflation und Preisaufschläge wieder pulverisiert. Dass ausgerechnet die Regierung, die den Bürger durch CO2-Steuern, Strompreisabgaben und weitere Rekordlasten drangsaliert, sich nun als Retter der Geringverdiener aufspielt, ist zynisch. Nicht noch mehr Symbolpolitik in Form von Lohnanhebungen ist nötig – sondern ehrliche Entlastung der Geringverdiener, zum Beispiel in Form von Steuersenkungen.