
In deutschen Bundesbehörden möchte man sich nicht von seinen Faxgeräten trennen. Wie NIUS auf Nachfrage bei allen Bundesministerien erfuhr, bleibt das Fax ein zentrales Kommunikationsmittel. 837 Geräte mit Fax-Funktion sind bis heute bei den Ministern und deren Tochter-Behörden im Einsatz – die Dunkelziffer ist sogar noch höher!
Anfang April sagte der damals noch designierte Finanzminister Lars Klingbeil bei einer Pressekonferenz zusammen mit Saskia Esken, Markus Söder und Friedrich Merz:
„Wir müssen und wir wollen den Menschen, den Unternehmen mehr vertrauen. Nicht alles muss bis ins Kleinste geregelt werden. Die Bagger müssen arbeiten und die Faxgeräte in unserem Land müssen entsorgt werden. Unsere Wirtschaft muss wachsen, so sichern wir Arbeitsplätze, so stärken wir unser Land, so stärken wir unsere Industrie, so holen wir Zukunftsbranchen in unser Land. Made in Germany braucht Investitionen – mittelfristig auch Entlastung – und das in dieser Reihenfolge.“
Rückblick 9. April 2025: In einer Pressekonferenz mit Markus Söder, Friedrich Merz und Saskia Esken versprach Lars Klingbeil: Die Faxgeräte müssen weg! Oder waren seine Worte nur ein Bluff?
Eine klare Forderung, welche Wähler aus zahlreichen Parteien sofort unterschreiben würden. Doch zur Umsetzung kam die Merz-Regierung noch nicht. Entlastungen wurden auf ein Minimum in Form eines steuerfreien Überstundenzuschlags (nicht zu verwechseln mit „Überstunden steuerfrei!“) reduziert. Und die Faxgeräte? Hunderte davon verrichten auch in Behörden täglich ihren Dienst.
Die Behörde mit den meisten Faxgeräten ist das Außenministerium. Die Behörde mit rund 230 Auslandsvertretungen hat nach NIUS-Informationen etwa 300 Faxgeräte im Betrieb. Eine genaue Zahl konnte ein Sprecher gegenüber NIUS nicht bestätigen. Abschaffen will man die Geräte an vielen Standorten nicht – sie sind als Kommunikationsmittel unabdingbar, wenn andere Technologien ausfallen.
Bauministerin Verena Hubertz verlor in ihrem Wahlkreis Trier knapp den Bundestagsplatz als Direktkandidatin gegen ihren CDU-Konkurrenten Dominik Sienkiewicz. Doch wegen der neuen Wahlreform kam nur Hubertz über die Listenabsicherung ins Parlament.
Bauministerin Verena Hubertz hat in ihrer Behörde nach eigenen Angaben nur ein Faxgerät in Betrieb. Vier weitere sind in ihren Tochterbehörden im Einsatz. Ein Sprecher betont gegenüber NIUS, dass das Fax vor allem bei Fristsachen in juristischen Auseinandersetzungen genutzt werde. Darüber hinaus kommt es zum Einsatz, wenn das Behördenpostfach (beBPo) gestört ist. „Auch im Fall von Cyberangriffen oder Krisensituationen“ sei laut Sprecher das Faxgerät „ein redundanter Kommunikationsweg.“
Das Umweltministerium unter der Leitung von Carsten Schneider (SPD) beweist auf NIUS-Nachfrage besondere Transparenz. Ein Sprecher teilt mit: „Im BMUKN sowie den nachgeordneten Behörden sind insgesamt 115 Geräte mit Faxfunktion im Einsatz (Multifunktionsgeräte, Faxgeräte).“ Damit listet die Behörde auch Multifunktionsgeräte (Scanner, Drucker, Kopierer, Fax) auf, welche die Funktion beinhalten. Konkrete Pläne zur Abschaffung habe man zwar nicht, aber „die Faxinfrastruktur wird, wo möglich, kontinuierlich zurückgebaut“, so der Sprecher.
Das neu gegründete Digitalministerium verfügt noch über keine eigenen Faxgeräte. „Das BMI hat keine Faxgeräte mehr im Einsatz“, schreibt ein Sprecher des Innenministeriums auf Nachfrage von NIUS. In dieser Antwort wurde die Zahl der Multifunktionsgeräte und digitalen Fax-Anschlüsse geschickt ausgelassen. Auch die Bundespolizei als untergeordnete Behörde verfügt nach NIUS-Informationen über eine große Fax-Infrastruktur, welche das Innenministerium nicht aufdecken möchte. „Im Übrigen richten Sie Ihre Anfrage bitte direkt an die Geschäftsbereichsbehörden“, schreibt man auf NIUS-Nachfrage.
Das Bundeskanzleramt wollte trotz „Faxgeräte müssen entsorgt werden“ nicht auf die NIUS-Anfrage antworten. „Ich bitte um Verständnis, dass sich die Bundesregierung aus Sicherheitsgründen zur konkreten Ausgestaltung der IT und eingesetzten Kommunikationsmitteln der Bundesverwaltung grundsätzlich nicht äußert“, sagt ein Sprecher von Friedrich Merz.
Wie viele Faxgeräte hat eigentlich die Bundeswehr? „Eine Gesamtstatistik im Sinne Ihrer Fragestellung liegt nicht vor“, erklärt das zuständige Ministerium von Boris Pistorius und legt damit einen Schleier über die Faxgeräte.
Im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMLEH) sind derzeit 14 Faxgeräte im Einsatz. „Der Einsatz dieser Geräte ist aktuell weiterhin erforderlich“, sagt ein Sprecher. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hat in seiner Behörde noch circa 80 Faxgeräte in der Nutzung. Zu den untergeordneten Behörden, welche ebenfalls Faxgeräte nutzen, schweigt das Verteidigungsministerium.
Arbeitsministerin Bärbel Bas weiß genau, wie es um ihr Haus steht: „Im BMAS und den nachgeordneten Behörden (Bundesamt für soziale Sicherung, Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, das Bundesarbeitsgericht sowie das Bundessozialgericht) sind insgesamt noch 17 Faxgeräte vorhanden“, sagt ein Sprecher und widerspricht der Entsorgungs-Ankündigung von Lars Klingbeil: „Die Geräte im Ministerium, BAS und BAuA werden im Rahmen der Krisenbetrachtung weiterbetrieben.“
„Die Erreichbarkeit per Fax in den Gerichten ist neben der Krisenvorsorge auch rechtlich erforderlich, da nach aktueller Gesetzlage sowohl im arbeitsgerichtlichen als auch im sozialgerichtlichen Verfahren in bestimmten Fällen Rechtsmittel per Telefax eingelegt werden können“, verteidigt das Arbeitsministerium von Bärbel Bas (SPD).
Von Klingbeils Ankündigungen zeigt sich seine eigene Behörde unbeeindruckt und schreibt auf Nachfrage von NIUS: „Weiterhin gilt Fax als ein krisensicheres Kommunikationsmittel.“ Insgesamt sind im Finanzministerium noch 91 Faxgeräte im Einsatz. Hinzu kommen 16 Multifunktionsgeräte.
Das Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR) betreibt noch ein Faxgerät. „Dieses Faxgerät wird ausschließlich als Backup für einen eventuellen ‚Notfall‘ vorgehalten“, sagt ein Sprecher auf NIUS-Nachfrage. Im Gesundheitsministerium verkündet man gegenüber NIUS: „Es gibt keinen Verwaltungsvorgang im BMG, der sich auf die Verwendung von Fax abstützt. Im BMG-Ressort bestehend aus den fünf Behörden BMG, RKI, PEI, BfArM und BIÖG sind rund 165 Multifunktionskopiergeräte im Einsatz, die über eine eingebaute Faxfunktion verfügen.“
Das Verkehrsministerium erklärt gegenüber NIUS, dass man „kontinuierlich“ an der Digitalisierung von Verwaltungsdienstleistungen arbeite und damit dem „Onlinezugangsgesetz“ (OZG) folge. Das Gesetz wurde 2017 auf den Weg gebracht. Dennoch hat man noch 27 Geräte mit Faxfunktion im Einsatz, davon 12 reine Faxgeräte. Das Familienministerium unter der Leitung von Karin Prien (CDU) hat noch ein Faxgerät in der Poststelle im Einsatz und man hat keine Pläne, dieses abzuschaffen, heißt es. „Darüber hinaus ist ein Fax-Server mit einer kleinen Nutzerzahl in Betrieb“, sagt ein Sprecher.
Karin Prien hat in ihrer Behörde das Faxen digitalisiert. Ein Server mit verschiedenen Nutzern verwaltet die Technologie aus dem Jahr 1966.
Das Entwicklungsministerium unter der Leitung von Reem Alabali-Radovan (SPD) ignorierte die Anfrage von NIUS. Ebenso ignorierte das Justizministerium unter der Leitung der SPD-Frau Stefanie Hubig die NIUS-Anfrage.
Insgesamt hat also Lars Klingbeil in den eigenen Behörden viel zu tun, bevor die Faxgeräte im Rest des Landes entsorgt werden müssen. 837 Geräte sind aufgelistet – mit untergeordneten Behörden wie Polizeibehörden ist eher davon auszugehen, dass in deutschen Amtsstuben noch mit tausenden Geräten gefaxt wird. Digitalisierung könnte – zumindest als Anfang, falls die Trennung schwerfällt – der „Fax-Server“ sein.