
Die schwarz-rote Koalition macht auch Gutes. Meistens dann, wenn sie die Fehler der Ampel korrigiert. So wie nun Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU). Sie will den „Klinik-Atlas“ einstampfen, wie sie die Medien des RND wissen ließ. Dass sie diesen Erfolg nicht offen verkündet und für sich verbucht, sondern einem Medienbüro zuspielt, dessen wichtigster Kunde zum Teil der SPD gehört, ist bezeichnend. Denn selbst wenn Warken etwas richtig macht, darf sie das nicht als Erfolg verbuchen – der „Brandmauer“ zuliebe.
Lauterbachs Idee hinter dem Klinik-Atlas war, dass Patienten Daten im Netz erhalten, um sich die bestmögliche Behandlung aussuchen zu können. Doch zum einen nahmen die Versicherten den Service nicht an. Sei es, weil die zur Verfügung gestellten Daten für Laien zu kompliziert waren. Oder, weil eine Mutter nicht erst im Netz sucht, ob ein 1000 Kilometer entferntes Krankenhaus vielleicht besser darin ist, einen Knochenbruch zu heilen als das benachbarte Krankenhaus – wenn ihr Kind gerade die Treppe heruntergestürzt ist.
Zum anderen verschlechterte der Atlas die Behandlung. Denn obwohl in den Kliniken ohnehin Stellen unbesetzt sind, sch…üttete Lauterbach das verbliebene Personal mit einem Wust an Bürokratie zu. Jede Handlung musste für den Atlas dokumentiert werden – ganz egal, wie wenige Versicherte auf dessen Daten zurückgriffen. Neben der Arbeitslast entstanden den Häusern Kosten von 1,5 Millionen Euro im Jahr, wie die Krankenhausgesellschaft bereits nach Verabschiedung von Lauterbachs Idee mitteilte.
Es ist richtig, jede mögliche Summe im deutschen Gesundheitswesen zu sparen, da dessen Kosten davonlaufen, was zu Anstiegen des Beitrags für die Krankenkassen geführt hat – im Rekordtempo – unter Karl Lauterbach. Doch die 1,5 Millionen Euro bleiben eher ein Symbol, für die Kostenspirale der Kassen sind sie irrelevant. Da geht es nicht um Millionen, sondern um Milliarden.
Die Ausgaben der Kassen sind im ersten Halbjahr auf 166,1 Milliarden Euro gestiegen, wie der Dachverband GKV mitgeteilt hat. Das entspricht einem Anstieg von 7,95 Prozent im Vergleich zum Vorjahr – und liegt folglich fast um ein Vierfaches über der allgemeinen Inflationsrate. Um die Kosten im Gesundheitswesen zu senken, reformierte Lauterbach die Krankenhäuser und feierte das mit eigenen Worten als „Revolution“. Das Ergebnis: Im Bereich der Krankenhäuser sind die Kosten am stärksten gestiegen, um 9,6 Prozent. Auf nun 54,5 Milliarden Euro pro Halbjahr.
Die Ausgaben für Ärzte wuchsen ebenfalls an. Aber „nur“ um 7,8 Prozent auf nun 27 Milliarden Euro pro Halbjahr. Für Arzneimittel gaben die Versicherten 28,9 Milliarden Euro aus – sechs Prozent mehr als im gleichen Halbjahr 2024. Der Dachverband GKV warnt laut der Nachrichtenagentur DPA: „So kann es nicht weitergehen, solche Steigerungsraten hält kein Gesundheitssystem der Welt auf Dauer aus.“
Warken kämpft als Gesundheitsministerin gegen die Kosten an – und gegen den Koalitionspartner. Unter dem Sozialdemokraten Karl Lauterbach sind die Kosten explodiert, auch weil der als Gesundheitsminister ideologische Projekte wie die Gesundheitskioske anschob. Deren Idee: Wenn jemand aus kulturellen Gründen nicht zum Arzt will, kommt der Arzt zu ihm – auf Kosten der Versicherten.
Der Sozialdemokrat Lars Klingbeil rechtfertigt als Finanzminister seine Schuldenorgie unter anderem damit, dass er die Wirtschaft stärken wolle. Der nehmen Lohnnebenkosten von offiziell 41,9 Prozent die Luft zum Atmen. Doch in seinem Haushalt hat Klingbeil keine zusätzlichen Zahlungen an die Krankenkassen vorgesehen. Und das, obwohl der Staat den Kassen und damit ihren Versicherten jedes Jahr zehn Milliarden Euro schuldig bleibt für die Behandlung von Empfängern von Bürgergeld und anderen staatlichen Transfers. An die Kassen vergibt Klingbeil nur einen Kredit von weniger als drei Milliarden Euro im Jahr – ein Witz, im Vergleich zu Summen für ideologische Lieblingsprojekte der schwarz-roten Koalition.
Warken darf sich nicht gegen Klingbeils Ignoranz wehren – gegenüber den alle Leistungen in Deutschland erdrückende Lohnnebenkosten. Sie darf nicht einmal den Wahnsinn Lauterbachs als Wahnsinn benennen, den sie da nun zurückfährt. Die SPD hat ihre „absolute Killervariante“ zum Ausschussvorsitzenden wegbefördert. Die 13-Prozent-Partei kann auf keinen Wähler verzichten. Auch nicht die Masken-Paniker, für die Lauterbach eine Art Guru ist.
Also hält Warken still. Der „Brandmauer“ zuliebe. Sie müsste eigentlich die Pflege- und Krankenversicherung reformieren. Richtig. Nicht nur kosmetisch. Doch das kann die Christdemokratin gar nicht schaffen, solange sie auf die Sozialdemokraten Rücksicht nehmen muss, die für eine Union der einzig mögliche Koalitionspartner ist, solange diese den Erhalt der „Brandmauer“ höher wertet als die Notwendigkeit zu echten Reformen.