Sigmar Gabriel bei Miosga: USA verteidigen die „Nazi-Brut“

vor etwa 1 Monat

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Bildquelle: Tichys Einblick

Sigmar Gabriel, ehemaliger Aufsichtsratsvorsitzender von Thyssenkrupp und demnächst Aufsichtsrat bei Rheinmetall, kennt sich aus mit Krieg. Da sitzt er bei Caren Miosga goldrichtig, denn hier kennen sich mal wieder alle wahnsinnig gut mit allem aus. Eine Stunde lang wird debattiert und analysiert, werden Frontverläufe in der Ukraine gezeigt, Putins und Trumps Strategien offengelegt. Lauter Experten. Also fast wie immer.

Doch etwas ist anders an diesem Abend. Gabriel, ehemaliger SPD-Chef und ehemaliger Tausendsassa-Minister (mal Umwelt, mal Wirtschaft, mal Äußeres) schickt sich an, die Geschichte in ein neues Licht zu rücken. Anlass sind die jüngsten Entwicklungen. Wenn der Verfassungsschutz die größte Oppositionspartei AfD plötzlich als „gesichert rechtsextremistisch“ einstuft und aus den USA dazu kritische Töne kommen, fühlt sich Gabriel zu einer waghalsigen Geschichtsstunde berufen.

Dass Gabriel sich ausgerechnet als Chef der Atlantik-Brücke so weit aus dem Fenster hängt, dürfte in den USA nicht unbeachtet bleiben. Da hilft es wenig, dass er ganz Europa empfiehlt, die Friedensbemühungen der USA im Ukraine-Krieg zu unterstützen und „Trump auf diesem Weg zu bestärken“. Denn auch auf dieser Linie gerät Gabriel ins Schlingern. Zunächst versucht er lobende Worte: „Was immer man von Donald Trumps Vorgehen hält, wenn am Ende des Tages tatsächlich das Sterben ein Ende hat, dann sind alle froh. Dann ist auch egal, wer das gemacht hat und egal, mit welchen Mitteln.“ Doch egal ist ihm Trump keinesfalls, denn „eigentlich will er uns Europäer insgesamt loswerden. Es geht ihm ja nicht nur um die Ukraine. Wir stehen als Europäer quer im Stall in der internationalen Politik, und das nervt ihn.“

Transatlantische Verständigung auf neuen Wegen. Und Polit-Professorin Nicole Deitelhoff kennt den Grund: „Wir haben keine Transatlantiker mehr in dieser Administration“, sagt sie über die neue US-Regierung und analysiert messerscharf: „Wir haben eine ideologisch begründete Ablehnung von europäischen Werten und auch dem europäischen System.“ Deshalb habe in den USA auch Gabriels „Art von historischer Begründung an Relevanz verloren“.

Für Europa hat Gady gute Ratschläge: „Wir müssen vor allem unsere Hausaufgaben machen. Die Idee, dass wir unsere Sicherheitspolitik quasi an die USA auslagern, die ja nicht mehr an Europa interessiert sind, ist ein großer, großer Fehler. Und vor allem die Ukraine ist ja nur ein Symptom. Putin hat ja vor, quasi die gesamte Sicherheitsarchitektur Europas in gewisser Weise zu beeinflussen, zu verändern. Wir müssen hier proaktiver sein, strategischer denken eben ohne die Amerikaner. Ich glaub’, mental haben wir das noch nicht ganz geschnallt.“

Das grundsätzliche Problem Europas sei, so Gady, „dass wir versäumt haben, uns Grundsatzfragen zu stellen. Welche konkreten Interessen hat Europa? Sind wir gewillt, tatsächlich einen direkten, militärischen Konflikt mit Russland zu riskieren abseits moralischer Entrüstung?“ Selbst ein Friedensschluss wäre für Gady kein Ende des Krieges. „Keine der beiden Seiten hat Kriegsziele erreicht“, sagt er und warnt: „Wenn man sich die Militärgeschichte anschaut, ist es so: Wenn Parteien nicht ihre Kriegsziele erreichen, kommt es mit großer Wahrscheinlichkeit immer zu einem Nachfolgekrieg. Ein Krieg kommt selten allein.“

Was also tun? Europa aufrüsten! Doch Gabriel mahnt: „Das ist doch mindestens eine Dekade, die wir brauchen, um ansatzweise wenigstens wieder eine Territorialarmee zu haben, die ihren Namen verdient.“ Der Transatlantiker in ihm erwacht wieder: „Wir sind auch in der Zukunft auf die Vereinigten Staaten von Amerika angewiesen.“ Deswegen müsse man sich bemühen, „die Beziehung irgendwie am Laufen zu halten“.

Eine Wiedereinführung der Wehrpflicht sei nötig, darin sind sich die Drehstuhl-Strategen einig. Gabriel blättert noch einmal im Geschichtsbuch. „Ich bin bereit, mein Leben für deine Freiheit einzusetzen. Das meinte Kennedy mit ‚Ich bin ein Berliner‘. Das haben die Sowjets verstanden.“ Doch für die aktuelle Lage sieht Gabriel schwarz: „Bringen wir das eigentlich unseren Kindern bei? Sprechen wir diesen Satz aus? Ist das etwas, was in unserer Gesellschaft diskutiert wird? Ich würde sagen: nein.“

Apropos nein: Ob Saskia Esken nun doch noch ins Kabinett kommt, möchte Miosga zum Schluss wissen. Lars Klingbeil als Vizekanzler und Saskia Esken gar nichts – „ist das fair?“ Gabriel: „Nee, so ist das Leben in der Politik. Mich hat auch keiner gefragt, ob ich freiwillig gehe.“

Gelächter im Raum. Alle warten auf den Tag, an dem keiner mehr fragt, ob er kommt. Zum Beispiel in ein Fernsehstudio.

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