
Ein Gast kennt sich heute besonders gut aus: Norbert Röttgen. Der CDU-Politiker kennt Wladimir Putin wie sein Ziehkind und weiß: „Er hat eine historische Mission: Das russische Imperium wieder zu begründen. Er ist unter Druck geraten, weil die Europäer und Trump zusammen einen Druck ausgeübt haben, weil sie zusammen und gemeinsam agiert haben.“ Allein die Sprengkraft des letzten Satzes ist schier ungeheuerlich: unter Druck geraten, weil Druck ausgeübt wurde. Halleluja, wir sind alle froh, dass Röttgen heute mit am Tisch sitzt.
Ein Gast kennt sich heute besonders gut aus: Rüdiger von Fritsch. Er war von 2014 bis 2019 deutscher Botschafter in Russland und kennt Putin wie sein Ziehkind. Und mehr noch: auch den Chefunterhändler, der gerade in der Türkei für die russische Seite die Verhandlungen führte. Vladimir Medinski heißt der Mann, und Miosga reduziert ihn vorsorglich schonmal auf seine Funktion als „Chef des Schriftstellerverbandes“. Von Fritsch hält von Medinski nicht viel: „Er ist manches, aber sicher kein diplomatischer Unterhändler und vor allem kein politisches Schwergewicht.“ Medinski sei „einer der schlimmen Ideologen und Geschichtsfälscher der russischen Führung“. Und überhaupt, es gebe in Russland ein Sprichwort aus dem Sport: „Russen lieben nicht Fußball, Russen lieben den Sieg.“ Klar, dass mit solchen Leuten nicht zu verhandeln ist. Halleluja, sind wir froh, dass von Fritsch heute mit am Tisch sitzt.
Ein Gast jedoch kennt sich heute überhaupt nicht gut aus: Heribert Prantl. Der Kolumnist der darbenden Süddeutschen Zeitung will nicht so recht in die Runde passen. Er hofft doch tatsächlich, dass mehr geredet wird zwischen den Kriegsparteien und man die Verhandlungen „irgendwie leichter“ machen könnte, wenn man nicht sofort wieder mit dem 17. Sanktionspaket droht. Wir sind überhaupt nicht froh, dass Prantl heute Abend den Experten ständig Contra bietet. Halleluja, Heribert!
Während der Corona-Zeit war Prantl beachtlich blauäugig auf Regierungslinie unterwegs, und gewalttätige Migranten bezeichnete er schonmal als traumatisierte Opfer, die Betreuung brauchen. Heute Abend allerdings scheint er der Einzige zu sein, der den Ausweg aus dem Ukrainekrieg in der Diplomatie sucht. Alle anderen wollen zunächst Putin niederringen, Russland in die Knie zwingen und die Ukraine weiter aufrüsten.
Claudia Major pflegt ihr altes Mantra: „Wir sollten uns nicht der Illusion hingeben, wenn wir alles Russland geben, dass es dann einen Frieden gibt.“ Prantl hält dagegen: „Frau Major, das ist nicht meine Position. Ich will nicht Russland alles geben.“ Aber man wisse eben nicht, wie genau man diesen Krieg endlich beenden könne. Prantl: „Sie wissen es doch auch nicht.“
Falsch, einer weiß es: von Fritsch. „Doch!“, ruft der, „ich habe es fünf Jahre versucht in Russland. Es ist nicht seine Logik. Herr Prantl. Sie müssen in seiner Logik denken.“ Ach, wenn der Herr Prantl doch nur endlich einmal hören würde. Stattdessen sieht er in den Verhandlungen „den Einstieg in den Einstieg“. Man müsse es einfach probieren, „weil es keine anderen Möglichkeiten gibt“. Man könne doch die Sanktionen vielleicht auch mal als „Verhandlungsmasse“ nehmen.
Völlig falsch! Sagt Major. Sagt Röttgen, Sagt von Fritsch. Denn gerade die Sanktionen würden Wunder wirken. „Der Effekt ist ungeheuer! Der Effekt ist ungeheuer“, ruft von Fritsch. Und er ruft es gleich zweimal, denn es ist so wichtig. So wichtig. Die Lebensmittelinflation liege in Russland schon bei zwölf Prozent. Also fast so schlimm wie bei uns. Also fast so schlimm wie bei uns.
Die ganze Runde. Bis auf Prantl. Der kommt lieber mit so spinnerten Ideen wie etwa einem „stärkeren Mediator“ oder „psychologischer Friedensführung“, wenn doch die psychologische Kriegsführung offenbar nichts bringe. „Ich würde mir wünschen, dass man ein bisschen länger abwartet“, sagt Prantl, aber von Fritsch kontert. Motto: Nichts da, los geht’s, schließlich wolle Putin „die Welt zurückführen ins 19. Jahrhundert“. Das bedeute für den Westen dann also Hochrüsten und Frieden schaffen mit immer mehr Waffen, bilanziert Prantl. „Dann ist das nicht die Zukunft, die ich mir vorstelle.“
Für seine verkopften Beiträge muss sich der Herr Prantl selbstverständlich was anhören. „Vorsicht, Vorsicht, Herr Prantl“, ruft dann ein von Fritsch, der anscheinend gern mal Sachen zweimal ruft.
Der Angerufene wundert sich derweil: „Es sitzen viele Leute am Tisch, die ganz genau wissen, was Putin denkt.“