
Schon das Thema der Sendung macht deutlich, in welchen Untiefen sich die ARD mittlerweile auf Grund gesetzt hat. „Wann sind wir kriegstüchtig?“ will Caren Miosga wissen. Kriegsbereitschaft wird medial geradezu zur Kriegsgeilheit aufgeblasen, das Wort Frieden oder auch nur der Gedanke daran hat keinen Raum mehr.
Konsequenterweise ist Kriegsminister Boris Pistorius an diesem Abend auch der einzige Gast. Die Verfasser des SPD-Friedensmanifests etwa – darunter Ralf Stegner und Rolf Mützenich – sind zwar kurz Thema, doch es wird nur über sie geredet, nicht mit ihnen.
Dennoch ist Pistorius hoffnungsvoll: „Europa kann eine Rolle spielen und muss eine spielen. Davon bin ich fest überzeugt“. Wie er darauf kommt, muss er nicht weiter erläutern. Wir sind hier schließlich bei Miosga.
Dafür darf er weiter das Kriegsbeil polieren, wie er es seit Monaten tut. Bis 2029 müsse Deutschland kriegstüchtig sein, unbedingt und sowieso. Denn in Zeiten, da Meteorologen nicht mal das Wetter vom kommenden Mittwoch vorhersagen können, weiß Pistorius ganz genau: Bis 2029 werde Russland seine militärischen Kräfte wieder beisammen haben, „um dann in der Lage zu sein, einen Teilangriff auf Nato-Gebiet beispielsweise im Baltikum oder anderswo zu führen. Auf diese Situation muss man sich vorbereiten“. Denn „es gibt eine Bedrohung, wie es sie seit Anfang der 90er-Jahre nicht mehr gegeben hat“.
Nun gäbe es sicher genügend Kandidaten, die ihm bei dieser These Paroli bieten würden, aber die sitzen daheim, und es bleibt am Ende bei Miosga, Pistorius auf den Zahn zu fühlen. Das tut sie, so gut sie kann. Also gar nicht.
Um also diese vermeintliche Kriegsgefahr zu bändigen, will Pistorius die Bundeswehr attraktiver machen, den Soldatensold erhöhen und im Eiltempo neue Kasernen bauen, um all die neuen Soldaten, Reservisten und Wehrpflichtigen unterzubringen. Das brauche aber Zeit. „Alle erwarten, dass die Fehler und die Richtungsentscheidungen von 35 Jahren in nicht einmal drei Jahren korrigiert werden. Das funktioniert in keinem Laden dieser Größenordnung so schnell“, sagt Pistorius. Offenbar hat er noch nichts vom argentinischen Präsidenten Xavier Milei gehört, der in nicht einmal einem Jahr sogar ein ganzes Land umgekrempelt und vom drohenden Staatsbankrott auf Erfolgskurs gebracht hat.
Über das Friedensmanifest seiner SPD-Parteikollegen sagt Pistorius nicht viel, denn „diese Debatte führt zu gar nichts“. Immerhin gesteht er ihnen zu: „Die Unterzeichner dieses Manifestes äußeren einen legitimen Wunsch, nämlich nach Frieden und nach Diplomatie.“ Das Problem sei jedoch: „Putin ist revisionistisch, Putin ist imperialistisch.“ Und wenn man sich der Nato-Verpflichtung „Einer für alle, alle für einen“ nicht mehr verpflichtet fühle, „dann ist genau das das Signal, was Putin braucht, um zu glauben, diese Nato ist zu schwach, ich kann mir erlauben, den einen oder anderen daraus vielleicht anzugreifen“.
Richtig tief gräbt Pistorius seinen Schützengraben beim Thema Taurus aus. Hier blockt er komplett. Gerade wurde eine Stellungnahme Putins eingespielt, die es in sich hat: Nur deutsche Soldaten könnten den Taurus bedienen, sagt der russische Präsident und schlussfolgert: „Was ist das anderes als das Hineinziehen der Bundesrepublik in einen direkten, bewaffneten Konflikt mit der russischen Föderation? Wir wollen so eine Entwicklung nicht. Aber wenn die deutsche Regierung eine solche Entscheidung trifft, werden wir darauf reagieren. Das wird unseren Beziehungen natürlich sehr schweren Schaden zufügen.“
Pistorius hält es nicht für nötig, auf Putin einzugehen. Mehr noch: „Ich verstehe gar nicht, was er sagt“, behauptet er. „Erstens stimmt davon ein großer Teil nicht, objektiv nicht, ich lass das aber jetzt mal so im Raum stehen.“ Miosga: „Welcher stimmt nicht?“ Pistorius: „Das spielt keine Rolle. Zur Taurus-Frage ist wirklich alles gesagt. Und das müssen wir nicht weiter ausdiskutieren.“
Was Taurus-Lieferungen betrifft, antwortet Pistorius derart spitzfindig, dass wirklich alle Möglichkeiten offen bleiben. Will Deutschland die Raketen liefern, oder ist das ausgeschlossen? „Ich ziehe es derzeit nicht in Betracht, mehr gibt es dazu nicht zu sagen“, sagt Pistorius. „Was ist der Unterschied zwischen Ausschließen und nicht in Betracht ziehen?“ will Miosga wissen. Pistorius: „Ich hab’ nichts ausgeschlossen. Ich hab’ auch nichts zugesagt. Ich hab’ gesagt, ich ziehe das derzeit nicht in Betracht.“
Also: alles offen. Dem wortgewandten Pistorius ist zuzutrauen, dass er es nicht in Betracht zieht, weil die Raketen längst geliefert wurden, so wie bereits 2013 an Südkorea. Ob dort denn auch deutsche Ausbilder im Land seien, fragt Miosga. Pistorius: „Das beantworte ich Ihnen nicht.“ Wir sollten „endlich wieder lernen, mit militärischen, sicherheitsreavanten Geheimnissen auch wieder so umzugehen. Das konnten wir mal in den 60er-, und 70er- und 80er-Jahren. Wir haben uns das komplett abgewöhnt und glauben, jeder habe jederzeit das Recht, in der Öffentlichkeit über alles Bescheid zu wissen und nachfragen zu können. Dem ist aber nicht so, weil: Dann könnten wir die Information auch gleich per Mail an Putin schicken“.
Selten war eine Talkshow so nichtsagend und zugleich vielsagend.