
Der erste Rücktritt im Fall Stefan Gelbhaar: Nachdem bekannt wurde, dass die Belästigungs-Vorwürfe gegen den Berliner Grünen-Politiker möglicherweise frei erfunden sind, legte Shirin Kreße, Vorsitzende der Grünen-Fraktion in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) von Berlin-Mitte am Samstag ihr Mandat nieder und trat aus der Partei aus. Das berichtet der Tagesspiegel.
Zuvor war herausgekommen, dass eine der vermeintlichen Hauptzeuginnen hinter den Vorwürfen gegen Gelbhaar („Anne K.“) gar nicht die war, für die sie sich ausgab. Nach Tagesspiegel-Recherchen soll Kreße unter falscher Identität eine eidesstattliche Versicherung abgegeben haben, in der Gelbhaar sexuelle Belästigung vorgeworfen wurde.
Stefan Gelbhaar
Der rbb hatte die offenbar frei erfundenen Missbrauchsvorwürfe zuerst veröffentlicht. Mittlerweile geht der Sender zumindest davon aus, dass die drei Hauptvorwürfe „frei erfunden“ sein könnten. Wesentliche Vorwürfe seien nun nichtig, andere Vorwürfe hätten eine deutlich „geringere Fallhöhe“, so der rbb.
Der Berliner Bundestagsabgeordnete Stefan Gelbhaar hatte seine Kandidatur für die Landesliste der Grünen für die Bundestagswahl Ende Dezember zurückgezogen, nachdem der rbb auf Basis von eidesstattlichen Versicherungen über mutmaßliche Missbrauchsvorwürfe berichtet hatte. Gelbhaar selbst hatte beteuert, dass die Vorwürfe „gelogen“ seien. Nun teilt der öffentlich-rechtliche Sender mit, dass eine der Frauen, die Vorwürfe gegen Gelbhaar erhoben hatte – eine gewisse Anne K. – wohl gar nicht existiere. Eine Grünen-Politikerin hatte sich als Anne K. ausgegeben.
Audretsch mit seinem Chef Habeck.
Brisant zudem: Auch Robert Habecks Wahlkampfmanager, der Grünen-Politiker Andreas Audretsch, ist in den Belästigungsskandal, der nun offenbar in Teilen doch keiner ist, verwickelt – denn Audretsch ist Profiteur der Vorwürfe und der Folgen. Gelbhaar wollte nämlich eigentlich in einer Kampfkandidatur gegen Audretsch antreten, um den Listenplatz 2 der Berliner Grünen zu erhalten. Durch die Vorwürfe und Gelbhaars Rückzug schied Audretschs ärgster Kontrahent aus.
Audretsch zu Bild: „Ich weiß nicht, welche Frauen Vorwürfe erhoben haben und habe mit dem gesamten Vorgang nichts zu tun.“ Er habe „zu keinem Zeitpunkt Einfluss genommen“ auf die Entscheidungen zu Gelbhaars Aus. „Jeder Versuch, mich in eine solche Verbindung zu bringen ist unzulässig und unredlich.“
Kreße (1997 geboren) wurde 2021 erstmals Bezirksverordnete, stieg gleich in den Fraktionsvorstand auf, wurde Fraktionschefin in Berlin-Mitte. Zudem war sie Fraktionssprecherin für Gesundheit und Queerpolitik.
Die „Grüne Jugend“ schrieb über Kreße: „Besonders wichtig ist ihr hierbei ihre intersektionale, feministische Perspektive, um mehr Repräsentativität für die Büger*innen zu schaffen und sich für Menschen jeglicher Diskriminierungserfahrungen stark zu machen.“
Shirin Kreße
Bundesweit bekannt wurde Kreße beim Bundesparteitag der Grünen in Karlsruhe im November 2023. Dort hatte sie beantragt, ein Zitat des ersten Bundeskanzlers der Bundesrepublik, Konrad Adenauer (CDU), zur europäischen Friedensordnung aus dem Wahlprogramm zu streichen. Kreße befand, Adenauer sei in seiner Zeit selbst für CDU-Politikerinnen zu sexistisch gewesen.
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