
Der Hamburger Bürgermeister Peter Tschentscher greift seinen Berliner Amtskollegen Kai Wegner in einem Brief scharf an. Der Sozialdemokrat wirft dem Christdemokraten in seinem Schreiben vom 15. Juli „Missbrauch des Kirchenasyls“ vor, wie die Berliner Zeitung berichtet. Die Hamburger Senatskanzlei bestätigte auf Anfrage der Zeitung die Echtheit des Briefs.
In dem Schreiben fordert Tschentscher die Überstellung von vier afghanischen Flüchtlingen aus Berlin nach Hamburg. Diese sind derzeit in der evangelischen Dreieinigkeits-Gemeinde in Berlin-Steglitz untergebracht, die ihnen Kirchenasyl gewährt. Für die Rückführung der Betroffenen nach Schweden ist jedoch Hamburg zuständig, da es sich um Dublin-Fälle handelt, weil dort die erste Registrierung erfolgt ist.
Tschentscher kritisiert in dem Brief, es komme „zu einem systematischen Missbrauch des Kirchenasyls“. Er verweist darauf, dass die Rückführungspflicht der Männer nach Schweden rechtskräftig festgestellt worden sei und bereits gerichtliche Durchsuchungsbeschlüsse zur Vollstreckung vorlägen. Die Hamburger Ausländerbehörde habe die Berliner Polizei um Amtshilfe gebeten, diese sei jedoch mit Hinweis auf eine „politische Weisungslage“ abgelehnt worden. Was konkret dahintersteckt, bleibt unklar.
Aus Berliner Sicht stellt sich die Situation anders dar. Eine Sprecherin der Innenverwaltung betonte gegenüber der Berliner Zeitung, es sei kein Brief aus Hamburg eingegangen, das Thema sei jedoch bekannt. Zudem liege die Zuständigkeit für die Durchsuchungsbeschlüsse formal bei der Hamburger Behörde, die diese auch ohne Berliner Unterstützung vollstrecken könne. „Wir brechen kein Kirchenasyl“, so die Sprecherin weiter. Auch die Berliner Polizei habe signalisiert, dass sie den Außenbereich sichern könne, ein Eindringen in Kirchenräume jedoch ablehne.
In Hamburg gibt es hingegen bereits Erfahrungen mit der Aufhebung von Kirchenasyl. Im September 2024 wurde dort ein Afghane trotz Kirchenasyl von der Polizei aus einer Gemeinde abgeholt und abgeschoben.
Tschentscher warnt in seinem Brief vor einer Aushöhlung des Rechtsstaats und schreibt: „Die Missachtung gerichtlicher Beschlüsse durch staatliche Stellen ist ein schwerer Schlag gegen den Rechtsstaat.“ Er fordert Wegner auf, die aktuelle Praxis der Berliner Polizei zu beenden und die Hamburger Behörden bei der Durchsetzung der Überstellungen zu unterstützen, zumindest dort, wo die Fristen gemäß Dublin-Verordnung noch nicht abgelaufen sind.
Laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) wurden im Jahr 2024 deutschlandweit 2386 Fälle von Kirchenasyl gezählt, 2023 waren es 2065. Dabei befanden sich zuletzt knapp 3000 Menschen im Schutz kirchlicher Räume, um eine drohende Abschiebung abzuwenden.