Wieder Misstrauen im EU-Parlament – und von der Leyen wankt immer heftiger

vor etwa 2 Stunden

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Bildquelle: Tichys Einblick

Nun also gleich zwei Misstrauensanträge von zwei politischen Polen gleichzeitig – das hat es im Parlament so noch nie gegeben. Es ist nicht nur ein organisatorisches Problem, das jetzt die Geschäftsordnung herausfordert. Es ist vor allem ein politisches Signal: Das Vertrauen in die Kommission ist nicht nur erschüttert – es ist regelrecht aufgespalten.

Die Fraktionsvorsitzenden sollen im Oktober entscheiden, wie dieser einmalige Vorgang in Debatten und Abstimmungen gegossen wird.

Derzeit deutet vieles auf eine gemeinsame Aussprache am 6. Oktober in Straßburg hin, gefolgt von zwei getrennten Abstimmungen am 9. Oktober. Das klingt pragmatisch – und doch steckt der Teufel im politischen Detail.

Doch jenseits der Protokollfragen zeigt sich hier etwas Grundsätzlicheres: Der doppelte Antrag steht für doppeltes Misstrauen – nicht nur gegenüber der Regierung, sondern auch gegenüber einem politischen Betrieb, in dem viele offenbar glauben, dass ein einzelner Misstrauensantrag nicht mehr reicht.

Oder riecht es hier wieder nach Brandmauer? Wenn sich zwei große Fraktionen einig sind, dass die Kommissionspräsidentin nicht mehr tragbar ist – weshalb arbeitet man in diesem Punkt nicht zusammen? So wird aus einem Verfahrenstrick ein Ausdruck wachsender Instabilität.

Auch diesmal könnte sie beide Anträge überstehen. Denn wieder könnte die Brandmauer über die Vernunft siegen. Erneut könnte politisches Taktieren einen notwendigen Neubeginn in der EU verhindern.

Wie beide Anträge ausgehen werden – darum geht es längst nicht mehr. Was wir erleben, ist kein Pseudo-Drama: Es ist viel mehr. Es ist ein unüberhörbares Signal der Unzufriedenheit – nicht nur aus den Rändern, sondern mit einem Echo, das auch jene Mitte erreicht, die bislang loyale Unterstützer waren.

Die Vorwürfe gegen von der Leyen sind nicht neu, aber sie summieren sich: mangelnde Transparenz, schwache Verantwortlichkeit und politisch brennende Fragen wie Handelspolitik (Mercosur, USA) oder die Untätigkeit angesichts des Gaza-Konflikts. All das ist kein Randthema mehr. Bürgerinnen und Bürger erwarten klare Haltung und spürbare Ergebnisse – nicht nur PR und Versprechen. Bröckelt der Rückhalt?

Wenn zwei Fraktionen gleichzeitig Anträge stellen, sieht man: Es geht nicht bloß um einzelnen Ärger, sondern um strategische Pläne. Von der Leyen wurde erst im Juli einem Misstrauensantrag gegenübergestellt – und überstand ihn. Doch seitdem hat sich kaum etwas geändert, was Vertrauen stärkt. Die sogenannte politische Mitte, die bislang Mitträger war, fängt an, ihr Engagement einzustellen.

Ein Beispiel: Nach von der Leyens Rede zur Lage der Union trat der Chef der EVP, der stärksten Fraktion im Parlament, auf – und das tat er so leblos, so blutleer, so wenig energisch, dass man direkt sehen und hören konnte, wie er seiner Unionskollegin überdrüssig ist.

Von der Leyen regiert – aber sie führt nicht. Eine führungsschwache Kommissionspräsidentin hilft niemandem: nicht den Mitgliedstaaten, nicht den Abgeordneten, schon gar nicht den Bürgerinnen. Noch schlimmer: Wo Transparenz untergraben, Verantwortlichkeit verwässert wird, drohen langfristig Institutionen zu verlieren, was sie brauchen: Vertrauen.

Wie die Misstrauensanträge ausgehen werden – schwer zu sagen. Leichtfertig könnte man sagen, dass von der Leyen beide Anträge erneut überstehen wird. Mag sein. Doch auch hier steckt der Teufel im politischen Detail. Und es sind noch drei Wochen bis zur Abstimmungswoche.

Entscheidend wird sein: Was ist von der Leyen bereit, besonders den Linken und den Fraktionen „der Mitte“, anzubieten? Was kann sie anbieten? Was ist noch drin? Und lassen sich die Fraktionen überhaupt noch „überzeugen“? Oder hat von der Leyen nun endgültig verspielt?

Es wird eine spannende und historische Woche vom 6. bis 9. Oktober in Straßburg werden. Egal, wie es ausgeht – diese beiden Abstimmungen im Oktober markieren eine Zäsur. Ursula von der Leyen ist angeschlagen, angezählt, und sie wankt bedrohlich in Richtung Boden.

Politik ist nicht nur Macht über Mehrheiten. Politik ist Glaubwürdigkeit, Verantwortung und Vision. Ein Parlament, das in Misstrauen versinkt, darf sich nicht wundern, wenn auch das Vertrauen der Bürger schwindet.

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