
Mein Lexikon scheint nicht allzugut vom Spott zu denken: „Spott ist eine Form der respektlosen Äußerung, die sich über jemanden oder etwas lustig macht. Spott zielt darauf ab, eine Person oder Sache herabzuwürdigen und Lächerlichkeit hervorzurufen.“ Also, wem Friede, Freude, Eierkuchen im zwischenmenschlichen Umgang wichtig ist, der sollte auf Spott verzichten. Und wer mit den bestehenden Verhältnissen zufrieden ist, für den sind Kommunikationsformen ein Greuel, die mit Lächerlichmachung arbeiten.
Komischerweise verzichtet die Bibel nicht auf den Spott. Es scheint Dinge zu geben, die so sehr der Wahrheit und Klugheit widersprechen, dass es geradezu eine biblische Pflicht ist, solche Dinge herabzuwürdigen und lächerlich zu machen. Meine augenblickliche Lieblingsstelle steht in Psalm 62,10. Da heißt es kurz und bündig:
„Große Leute täuschen. Sie wiegen weniger als nichts.“
Während sich Politiker gerne Aufplustern und zu gewichtigen Rettern von Klima, Gerechtigkeit und Wirtschaft aufspielen, spottet die Bibel über sie. Merz und Genossen wiegen nicht nur wenig. Schon das empfinden unsere Politiker vielleicht schon als Beleidigung. Doch die Bibel geht weit darüber hinaus: Die Politiker wiegen auch nicht nichts. Sie wiegen weniger als nichts! Nicht, dass die Bibel wegen Verleumdung und Politikerbeleidigung § 188 StGB verboten werden muss.
Pslam 62,10 zeigt, was klugen Spott auszeichnet:
Erstens: Kluger Spott hat eine witzig-würzige Pointe. Weniger als nichts zu wiegen, das hat etwas. Diese maßlose Nichtung bis in die Unmöglichkeit hinein macht große Leute unmöglich lächerlich.
Mancher Spott bekommt allerdings erst dadurch seine Würze, dass Politiker ihn zur Anzeige bringen. Da legt ein Jounalist Nancy Faeser die Worte „ich hasse die Meinungsfreiheit“ in den Mund. Dieser seichte Spott drängt sich geradezu auf bei einer Ministerin, die sich durch irritierende Äußerungen zur Meinungsfreiheit und durch illegale Zensurmaßnahmen gegen das Compact-Magazin selber lächerlich gemacht hat. Doch indem mit Faesers Mitwirkung der Journalist David Bendels für seinen Spott sieben Monate Haft auf Bewährung bekommt, hat Nancy Faeser selber dazu beigetragen, dass aus diesem Geschichtleinchen ein hochbrisantes Krisenindiz für die Meinungsfreiheit in unserer Gesellschaft wurde. Mancher Spott wird erst durch die Dummheit der Verspotteten zum klugen, das heißt witzig-würzigen Spott. Wie viel cleverer war da Helmut Kohl, der angesichts vielfachen Spottes gegen ihn sagen konnte: „Wer in der Politik an der Spitze steht, ist wie der Hahn auf dem Kirchturm. Jeder Wind, jeder Sturm umweht ihn. Das muss man aushalten.“
Zweitens: Kluger Spott geht gegen die „großen Leute“ (Psalm 62,10) und hackt nicht auf denen herum, die gesellschaftlich sowieso am Boden liegen. Die römischen Soldaten verspotten den zu Tode verurteilten Jesus Christus. „Sie zogen ihn nackig aus, legten ihn einen Purpurmantel an, setzten ihm eine Dornenkrone aufs Haupt und beugten die Knie vor ihm und verspotteten ihn und sprachen: Gegrüßet seist du, der König der Juden! Und sie bespuckten ihn“ (vgl. Matthäus 27,27-29).
Das ist arroganter und verachtenswerter Spott, wenn die an der Seite der Macht auf die ganz unten treten. Das kann jeder. Dazu braucht es keinerlei Mut. Damit will man auch nichts verändern oder verbessern, sondern zementiert lediglich bestehende schlechte Zustände und Fehlurteile.
Kluger Spott richtet sich gegen die Mächtigen, die übergriffig in das Leben anderer eingreifen (wollen). Kluger Spott will aufrütteln, damit die Mächtigen mit ihrem Willen zur Macht samt übler Macht-Eigendynamik gebremst werden. Kluger Spott wagt es, dem Krokodil zuzurufen, dass es Mundgeruch hat. Eine echte Demokratie braucht klugen Spott, damit die Krokodile nicht ungestört oder gar unbemerkt ihr Unwesen treiben können.
Drittens: Kluger Spott hat einen Wahrheitskern. „Große Leute“ und hochgepriesene „Experten“ wiegen wirklich manchmal weniger als nichts, wenn sie in ihrer haferschleimigen Persönlichkeit lediglich aufgeblasene Schaumschläger sind und sich sogar manchmal in ihrem vermeintlichen Fachbereich höchstens als Kontraindikatoren eignen.
Spott, der keinen Wahrheitskern hat, kann noch so witzig sein. Er verliert seine Kraft und wird zur billigen Comedy, zur netten und nichtigen Unterhaltung. Aber wenn der Spott den Kern der Wirklichkeit trifft, kann er der Sache, gegen die er gerichtet ist, den Garaus machen.
Der Spott ist eine unverzichtbare Kommunikationsform gegen Missstände. Er kann emotionale und populistische Kräfte entfalten, die weit über nüchterne Analysen hinausgehen. Doch der Spott ist auch eine Kunst. Der Spötter braucht die (intuitive) Fähigkeit des klugen Spottes. Und der Verspottete braucht die Kunst, gelassen, kritisch und selbstkritisch mit ihm umzugehen, damit er nicht ungewollt zum Turbo für den Spott wird.